Langzeitauto: MB 190er, Golf 2, Kilometer-Könige, Autos für die Ewigkeit
Diese Oldtimer sind Autos für die Ewigkeit

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25-mal um die Erde – für diese Autos kein Problem. Als sie entworfen wurden, hatten Konstrukteure noch maximale Haltbarkeit im Sinn. Hier sind fünf Klassiker für die Ewigkeit, und die Gründe für ihre lange Haltbarkeit
Bild: Roman Raetzke / AUTO BILD
Inhaltsverzeichnis
- Mercedes 190 (W 201) – warum der Baby-Benz so beständig ist
- Wie der VW Golf 2 zum verlässlichen Volks-Vorbild wurde
- Was den Ford F-250 Pick-up zum lässigen Langzeit-Laster macht
- Wie die Qualität den langlebigen Lexus LS 400 hervorstechen lässt
- Wie die Fans das verzinkte Vollwert-Vehikel Audi 80 B3 erst verschmähten
Diese Autos sind Langzeitautos, für die Ewigkeit gebaut. Eine Million Kilometer mit ein und demselben Wagen, und das in Zeiten, in denen wir Autos im Drei-Jahres-Takt leasen. Das glauben Sie nicht, geht das noch? Einem Gegenstand unser Leben lang die Treue halten? Klar. Zumindest mit den folgenden fünf Autos, alles H-kennzeichentaugliche Oldtimer. Eine Million Kilometer, oder 25 Erdumrundungen, die hat der Lexus LS 400 gepackt und sieht fast noch aus wie ein junger Gebrauchter.
Der Ford F-250 ist eher ein Auto für Freunde unkomplizierter Dinge. Seine Attitüde ist die eines Typen, der bei Bedarf auch eine Tonne Kies huckepack nimmt. Die Autos der 80er waren nicht die Schönsten, aber ausgereift. Die Zulassungszahlen des KBA zeigen es: Viele Mercedes 190, VW Golf 2 und Audi 80 B3 sind noch im Alltag unterwegs.

Rund und gut, aber als Klassiker noch nicht anerkannt.
Bild: Roman Raetzke
All diese Autos vermitteln ihren Besitzern das Gefühl, ein zuverlässiges, ehrliches Produkt gekauft zu haben, dem man gern die Treue hält. Eine Million Kilometer – mit diesen Typen keine Utopie.

Für den damaligen Mercedes-Designchef Bruno Sacco ähnelt das hohe Heck "einem geschliffenen Diamanten".
Bild: Roman Raetzke
Noch immer fahren fast 60.000 Mercedes W 201 auf deutschen Straßen. Schon im Herbst 1976 beginnt die Entwicklung des damals kleinsten Benz. Daimler investiert massiv: Das Projekt W 201 verschlingt gigantische zwei Milliarden Mark. Kein Mercedes war bisher teurer in der Entwicklung. Die Designer und Ingenieure können sich regelrecht austoben. Vorbild ist der W 126, der parallel entwickelt wird. Am Ende erfüllt der Baby-Benz, wie er in den USA getauft wird, die gleichen Sicherheitskriterien. Und er bekommt die Raumlenker-Hinterachse, die Mercedes selbst der neuen S-Klasse vorenthält. Auch die Dämpferbein-Vorderachse mit Bremsnick-Abstützung, an Dreiecklenkern geführt, ist eine Neuentwicklung.
Die Liste der Neuerungen ist lang: erster Mercedes mit mechanisch-elektronisch gesteuerter Bosch KE-Jetronic – logo, der 190 E. Erster Diesel-Serien-Pkw mit Triebwerkkapselung? Klar, der 190 D. Erster richtiger Mercedes-Sportwagen seit dem Flügeltürer: stimmt, der 190 E2.3-16 und seine Ableger. Die Vierventiler holen nicht nur Langstrecken-Weltrekorde, sondern auch Pokale und Titel im Tourenwagensport. Und ein Versuchsträger für Elektroantrieb? Gibt’s vom W 201 auch! Noch kurz vor der Pensionierung darf der 190er über die Stränge schlagen: Mit den quietschbunten Sondermodellen 190 E 1.8 Avantgarde Rosso, 190 E 2.3 Avantgarde Azzurro und 190 D 2.5 Avantgarde Verde bringt Mercedes drei Pop-Art-190er auf den Markt. Insgesamt 4600 Exemplare werden gebaut, entworfen von einem internationalen Team von Mercedes-Designerinnen.
Früher 190er mit Vergaser-Motor
Unser weißes Fotomodell wirkt dagegen schlicht. Es ist ein ganz früher 190er, Erstzulassung 22. April 1983, mit gerade mal 70.000 Kilometern auf dem Tacho und dem schmächtigen 90-PS-Vergasermotor unter der Haube. Den haben nur etwas über 300 der 190er, die noch noch auf deutschen Straßen unterwegs sind. Wie viele von den mageren 90 PS das ruckelnde Automatikgetriebe verschluckt, bleibt sein Geheimnis. Der Fahrer sollte nicht wesentlich größer als 1,80 Meter sein. Dann kann er auch den sehr guten Federungskomfort genießen. In Sachen Fahrdynamik kann der 190er seinem härtesten Konkurrenten – dem 3er-BMW der Baureihe E30 – kaum Paroli bieten. Erst ab Spätsommer 1989 ist das Sportline-Paket zu ordern mit abgesenkter Karosserie, straffere Federn und Dämpfern. Aber mit ein bisschen Fantasie macht auch ein Basis-190er froh.

Der VW Golf II verkörpert urdeutsche Tugenden. Kultstatus genießt er noch nicht.
Bild: Guenter Poley
Der zweite Golf war weder heißblütig, noch hat er Kultstatus. Weil er einfach immer noch da ist. Denn er war einfach gut. Während Zeitgenossen wie der Opel Kadett E längst verschwunden sind, ist der Golf 2 immer noch im Straßenbild präsent. Die, die dem Golf die Treue halten, schwärmen von seiner Verlässlichkeit. Von seinen Nehmerqualitäten. Davon, dass seine Karosserie kaum rostet und dass sein Motor nur ab und zu einen Ölwechsel und einen neuen Zahnriemen braucht. VW schiebt die Entwicklung des zweiten Golfs 1977 an. Der alte prägte den Begriff der Golf-Klasse. Deshalb musste sein Nachfolger in puncto Sicherheit, Leistung, Fahreigenschaften und Komfort besser werden, ohne anders zu sein. Wirklich neu sind am Golf 2 vor allem das, was der Kunde nicht sieht: Der cW-Wert etwa fällt von 0,41 auf respektable 0,34. Und die Größe des Tanks wächst von 44 auf 55 Liter, weil VW ihn jetzt aus Kunststoff fertigt. Das Ergebnis ist ein abstrakt geformter Tank, der Reichweiten zwischen 700 (GTI) und 1000 Kilometern (Diesel) erlaubt.
Deutlich besser als beim ersten Golf (hier sind alle Generationen Golf) wird die Karosserie. Eine verlässliche Schutzlackierung der Bleche nebst Feinabdichtung aller Falze an Türen und Hauben sowie eine "Flutkonservierung" genannte Wachsfüllung in den Hohlräumen führen dazu, dass das Blech so überdurchschnittlich lange hält wie die Technik. Das Rückgrat der VW-Ökonomie gibt es als abgerüstetes Standardmodell sowie in den Ausstattungsvarianten C, CL, GL und GLX. An der Tradition ausufernder Aufpreislisten ändert das nichts. Den neuen Golf gibt es bei seinem Erscheinen als Benziner mit 1,3 Litern (55 PS), wahlweise als "Formel E" mit Spritspar-Paket aus langem fünftem Gang und Start-Stopp-Funktion. Wer flotter golfen will, bestellt entweder den 1.6 (75 PS), den 1.8 (im GLX) mit 90 PS oder puttet gleich mit dem GTI und 112 PS. Postler fahren 54 Diesel-PS, vernagelte Spar-Individualisten mit schwerem Gasfuß lochen beim 70-PS-Turbodiesel ein. Mit Einspritzern und Kat-Modellen wird die Liste bis 1992 so lang, dass vom Amtsrat bis zum Zahnarztsohn jeder seinen Traum-Golf findet. Unser marathonblauer 1989er Testwagen heißt "Rabbit", weil er aus Österreich stammt, wo es auch den Golf 7 noch als Hoppelhäschen-Sonderling mit US-Namen gibt. Doch zurück ans Lenkrad. Gerade mit 55 PS und vier Gängen ist ein Golf wie Wolfsburg: notwendig und nur in den Augen derer schön, die seine Tugenden schätzen: Bei jedem Abbiegen macht der Blinkerhebel "Ka-tschak" und stellt sich mit spitz tönendem Klicken selbst zurück. Das Getriebe schaltet sich so präzise, dass die Gänge bereits reinwollen, wenn der Schalthebel noch unterwegs ist. Der Motor – nicht mehr als ein Funktionsrauschen, das sich durch Leistungskurven schneidet, während der Asphalt unter den Rädern wegrollt, als gehöre er zum Fahrzeug. Dafür ist der Golf zu lieben: dass er selbst kein Erlebnis ist. Und damit für eine Zufriedenheit steht, die vor allem eines kann: unzerstörbar sein. Und mit vielen teils sehr raren Sondermodellen glänzt.

Dieser Ford F-250 Camper Special muss gelegentlich schuften – trotz H-Kennzeichen.
Bild: Markus Heimbach
Es gibt tatsächlich Typen, die Amerikas beliebtesten Truck immer noch schuften lassen, obwohl er längst ein H-Kennzeichen tragen darf. Wer hinterm Dreispeichenlenkrad eines Ford F-250 Platz nimmt, wird zum Country Boy, auch wenn er in der Großstadt wohnt. Der Pick-up ist die amerikanischste aller Fahrzeuggattungen. Kein US-Modell hat sich in der Geschichte besser verkauft als die F-Serie von Ford. Weltweit liegt bis heute nur der Toyota Corolla vor dem Blue Oval Truck – 34 Millionen seit 1948! Er ist ein Stück Amerika, Nachfolger der Kutschen, mit denen die Siedler von der Ost- an die Westküste zogen.
Chef-Motoraver und TV-Moderator Helge Thomsen liebt seinen 1968er Ford F-250 Camper Special in Meadowlark Yellow, ein unrestauriertes Original mit ehrlicher Patina. "Mit dem haben wir schon eine Menge Unsinn getrieben", verrät Helge. Die fünfte Generation der F-Serie kommt 1967 auf den Markt. Ford bewirbt den Pick-up damals mit dem Slogan: "Works like a truck, rides like a car." Dank Fords Twin-I-Beam-Aufhängung läuft der Wagen besser geradeaus, der Federungskomfort nimmt zu. Die Folge: Fords F-Modelle parken damals immer häufiger in den Auffahrten von Managern und Anwälten, statt auf Baustellen und Farmen zu malochen. Gegen Ende der 60er-Jahre werden schon zwei Drittel aller Pick-ups privat genutzt. Nicht zuletzt deshalb bietet Ford den Camper Special speziell für den Freizeitbedarf an – mit mehr Chrom, leistungsfähigerer Lichtmaschine und Servolenkung. Eine Klimaanlage gibt es als Option ab Werk. Seinen Nutzfahrzeug-Charakter hat der F-250 natürlich nicht abgelegt. Allerdings: Je weniger der Gelbe schultert, desto rustikaler fährt er sich.
Der Camper Special hat serienmäßig Lkw-Bremsen, verstärkte Hinterachse und doppelte Heavy-Duty-Blattfedern hinten. Unbeladen poltert die straffe Konstruktion heftig. Die T6-Dreistufenautomatik schaltet kräuterbutterweich, der drehmomentstarke 5,9-Liter-V8 mit Holley-2-Barrel-Vergaser und Edelbrock-Performer-Ansaugbrücke murmelt vorn unter der Haube vor sich hin – ein Auto für die Ewigkeit.
Der Camper Special hat serienmäßig Lkw-Bremsen, verstärkte Hinterachse und doppelte Heavy-Duty-Blattfedern hinten. Unbeladen poltert die straffe Konstruktion heftig. Die T6-Dreistufenautomatik schaltet kräuterbutterweich, der drehmomentstarke 5,9-Liter-V8 mit Holley-2-Barrel-Vergaser und Edelbrock-Performer-Ansaugbrücke murmelt vorn unter der Haube vor sich hin – ein Auto für die Ewigkeit.

Eine Million Kilometer hat dieser Lexus LS 400 auf dem Buckel.
Bild: Markus Heimbach
Lohn der investierten Mühen und Milliarden: Beim Marktdebüt führt der Newcomer Lexus 1989 in den USA bei der Konkurrenz zu gleichermaßen überraschten wie langen Gesichtern. Aus dem Stand verkauft sich der LS 400 besser als die Mitbewerber von Mercedes, BMW und Jaguar. Das liegt an seiner serienmäßigen Vollausstattung, aber auch am angriffslustig kalkulierten Preis. In Leistung und Luxus auf Augenhöhe mit dem Mercedes 420 SE, kostet der Lexus mit 35.000 Dollar sogar weniger als der kleinere 300 E. Ein Jahr später beim Deutschland-Debüt verfolgen die Japaner eine andere Strategie, wollen sich nicht unter Wert verkaufen. Also kostet der LS 400 mit 87.650 Mark soviel wie die S-Klasse. Doch dem Lexus fehlen Status und repräsentative Optik. Die Toyota-Tochter erzielt hierzulande bis heute nur Achtungserfolge, obwohl sich ihre Qualitäten längst herumgesprochen haben. Ein Lexus gilt als technologisch wegweisend und unkaputtbar. Dass er keinen Stern trägt, störte den niederrheinischen Futtermittelhändler, der 1993 den Foto-LS 400 kauft, wenig. Der Vielfahrer lernte seine Zuverlässigkeit schätzen. 20 Jahre lang sah die Fünf-Meter-Limousine die Werkstatt nur zu Inspektionsterminen.
Toyota wollte den Kilometeriesen zurück
Heute zeigt der Zähler des – inzwischen von Toyota zurückgekauften – Wagens 6477 Kilometer. Wieder, muss man sagen, denn da Anfang der 90er selbst bei Lexus kein Digitaldisplay auf siebenstellige Laufleistungen gefasst war, sind die vorausgegangenen 999.999 Kilometer einfach unter den Tisch gefallen. Der Laufleistung zum Trotz wirkt der "Millionär" erst wie gut eingefahren. Nichts klappert oder knarzt. Der Motor summt wie eine Nähmaschine. Er kommt schnell ins Rollen, doch das Geradeausfahren behagt ihm mehr als Kurven. Der LS 400 bewegt sich beinahe lautlos, auch dank der glatt geschliffenen Karosserie – mit 0,28 Anfang der 90er cW-Weltmeister in der Luxusklasse. Die schlupfarme Automatik tupft die Fahrstufen sanft auf – schon im Neuzustand eine Freude, nach über einer Million Kilometer ohne Austausch oder Revision fast schon ein Wunder. Lange Bodenwellen reitet er ab wie ein Jaguar. Was bleibt, ist ein seltsamer Mix aus Faszination und Enttäuschung. Ein Auto, das nach fast einem Vierteljahrhundert und einer gigantischen Laufleistung nicht nur noch funktioniert, sondern auch kaum gealtert wirkt, ist – selbst in der Luxusklasse – eine Ausnahmeerschei¬nung. Aber sosehr der Lexus den Verstand begeistert, das Herz lässt er kalt.
Bei der Markteinführung des Audi 80, Baureihe B3 (gebaut 1986 - 1991), schüttelten die Oldtimerfans den Kopf. Gänzlich rund, kein Chrom, dafür riesige Scheiben, geneigt fast bis an die Köpfe der Insassen. Ein Meilenstein beim Untergang des Abendlandes? Im Gegenteil. Er war, er ist eine herausragende, haltbare Konstruktion aus einem goldenen Zeitalter des Automobilbaus. Das liegt an den Konstrukteuren, die fast alles richtig machten: Die Aerodynamiker schliffen den cw-Wert auf 0,29. Die Konstrukteure für Fahrwerk, Antrieb und Motoren verbesserten ohne allzu großen Aufwand die Technik aus dem Vorgänger. Trotz seiner eher simplen Hinterachse ist der B3 fahrsicher; das Fünfganggetriebe lässt sich selbst nach heutigen Maßstäben exakt, leicht und mit einigermaßen kurzen Wegen schalten, und die Vierzylinder sind laufruhig und sparsam.

Rund und gut, aber als Klassiker noch nicht anerkannt.
Bild: Roman Raetzke
Beim Foto-Auto holt der Benzinmotor aus 1,8 Litern nur 75 PS bei schon bei 4500 Umdrehungen. Ein unterforderter Motor, wie dafür gebaut, ewig zu halten. Aus heutiger Sicht definitiv alles richtig gemacht hat, waren die Blechexperten. Sie verzinkten jedes Karosserieteil: die Außenbleche elektrolytisch, sehr komplexe Teile im Tauchbad, die anderen nicht sichtbaren Bleche im Feuer. Zusätzlich fluteten sie die Schweller-Hohlräume mit Heißwachs, Teile des Unterbodens wurden tauchlackiert, feine Nähte mit dauerelastischem PVC abgedichtet. Der Auspuff war serienmäßig aus teurem Edelstahl. Das hat die Autos erhalten. Die große Ausnahme im sonst so perfekten Team der B3-Konstrukteure sind die Leute, die die Raumaufteilung und -ausnutzung verantworteten. Sie haben beim B3 alles falsch ge-macht und den so ziemlich unpraktischsten Viertürer der Welt entworfen. Überflüssig langer Motorraum, kurze Fondtüren, eine unbequem steile Rücksitzlehne, die wegen des stehenden Tanks nicht mal umklappbar ist, und der Kofferraum ist eine seltsam geformte, nur 401 Liter große Höhle. Dieses Auto ist schon mit dem Transport eines größeren Vogelkäfigs überfordert; Gardinenstangen lassen sich Audi-B3-Fahrer liefern.
Der Weg zum Klassiker ist mühsam
Schließlich die Designer unter der Leitung von Hartmut Warkuß: Sie wurden damals so gefeiert, als hätten sie alles richtig gemacht. Allerdings verhindert die flache Heckscheibe eine größere Kofferraumöffnung. Und die Oldtimerfreunde heute? Verschmähen den B3 immer noch. Sie wollen nicht erkennen, dass auch die Windkanal-Ära nicht nur hässliche, sondern auch schöne Autos hervorgebracht hat. Vielleicht ist der Audi 80 zu sachlich, zu streberhaft. Vielleicht braucht er auch einfach noch ein bisschen Zeit.
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