Oldtimer-Nummernschild
—Der Kult ums Nummernschild
Die Fakten: Drei Viertel aller Oldies haben Wunschnummern. Zeichen wahrer Individualität oder schnöde Eitelkeit? Ansichtssache: Zwei Redakteure kommentieren unten ungebremst.
Weit über 20 Millionen Euro haben deutsche Zulassungsstellen 2010 mit Wunschkennzeichen eingenommen. 75 Prozent aller Menschen, die ein Auto um- oder anmelden, suchen sich ein Kfz-Kennzeichen ihrer Wahl aus. Das ist seit 1994 offiziell möglich, klappt meist online und kostet 10,20 Euro plus 2,60 Euro Reservierungsgebühr. In Bremen, Hessen und Schleswig-Holstein können sogar alte DIN-H-Kennzeichen beantragt werden. Den höchsten Betrag für eine Wunschnummer bezahlte übrigens 2008 Scheich Saeed al-Khouri in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Für umgerechnet zehn Millionen Euro ersteigerte er die Nummer "1".
Christian Steiger: Ja bitte!
Wenn schon Wunschnummer, dann auf dem Klassiker. Nicht GE-IL 69 auf dem abgerockten Calibra, nicht LU-DE 666 auf dem SL mit den breiten Schlappen: So was geht natürlich gar nicht. Und zeigt nur, dass sich heute jeder, der ein paar Euro extra zahlt, ein Sonderschild dranschrauben kann. Aber damals, als unsere alten Autos noch neu im Laden standen, war so ein Wunschkennzeichen wirklich was Besonderes. Wer es haben wollte, brauchte Beziehungen zum Amt. Hinterher war die ganze Sippe stolz darauf, dass Papas Initialen auf dem Kennzeichen standen und dahinter die möglichst niedrige Zahl – selbst wenn es keine 1 war, sondern nur die 2 wie auf dem Opel Rekord meines Vaters. Ach, so unschuldig waren die Zeiten. Romy Schneider war in den 50ern mit K-R 222 zufrieden, Krupp in Essen fuhr E-RZ 1, Adenauer privat nur SU-A 254. Schon deshalb finde ich die Nummernspiele charmant, so wie das Bakelit-Blumenväschen in meiner Isabella und den (längst funktionslosen) Verkehrsfunkdecoder in meinem 70er- Jahre-Benz. Wobei es mir völlig egal ist, ob irgendwer da draußen meine Wunschnummer entschlüsseln kann. Was HH-LU 858 bedeutet, ist schließlich nur für einen wichtig: für mich. Für wen auch sonst?
Sebastian Renz: Nein danke!
Nein, lieber Christian, eben weil es sie früher eigentlich nicht gab, passen Wunschkennzeichen nicht zu Klassikern. Ein Auto führte früher eine willkürliche Kombination im Schild, und genau die machte es unverwechselbar. So erinnere ich mich an BL-KU 411, mein erstes Auto, den R5. Darauf folgten der Citroën BX mit HN-LU 169, HN-CM 469, der gruselige Peugeot 309, und HN-SP 159, das Golf I Cabrio. Danach kamen 21 Autos, denen ich keine eigene Nummer zuteilen kann, weil ich immer das gleiche oder ein sehr ähnliches Wunschkennzeichen wählte. Bis ich mich fragte, wozu. Wen interessieren Initialen, Geburtstage oder Kombinationen wie Christians, die keiner versteht? Völlig übertrieben auch dieser Hype um das DIN-Kennzeichen, der absurd wird, wenn Menschen sich DIN-Nummern mit H-Zulassung prägen lassen – was es früher nicht gab, heute aber besonders original wirken soll. Wozu überhaupt der ganze Aufwand? Es geht nur um eine Autonummer. Das merkte ich, als ich ES-XB 8469 anmeldete, meinen Kangoo, der nun ein wunschfreies Hamburger Kennzeichen trägt. Damit zählt er zu einer Minderheit, womit er ironischerweise unverwechselbarer ist als all die Autos mit Wunschkennzeichen.
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