Ein bisschen war es wie später bei Opel: Wer will schon das Auto fahren, in dem er sich fühlt wie der eigene Vater? Und die meisten Väter der 50er-Jahre fuhren nun mal Käfer. Ihre Söhne stiegen in Alfasud oder Autobianchi, litten am Citroën GS oder sahen einem Trendsetter wie dem Simca 1100 beim Rosten zu. Frontantrieb, Quermotor, große Heckklappe: alles cooler als ein Käfer. So war das Anfang der 70er, obwohl der VW jetzt endlich einen vernünftigen Kofferraum hatte, ein Fahrwerk wie der Porsche 911 und einen 50-PS-Motor, der 145 Tachospitze sicherstellte. Papas Käfer war auch teuer. Wer einige Extras ankreuzte, kam kaum unter 7000 Mark davon. Für ein Auto, das als ähnlich fortschrittlich galt wie ein Monoradio. "Man weiß selten, was Glück ist, aber meistens, was Glück war." Ein kluges Wort der Schriftstellerin Françoise Sagan, die nie einen Käfer besaß. Auch die restliche Welt des Jahres 1973 war damit beschäftigt, auf den Golf zu warten, als VW den kessesten Käfer aller Zeiten zeigte.
VW Käfer 1303 S
Der Gelbschwarze Renner: Der VW 1303 S basiert auf dem Serien-1303, der Motor mit 50 PS blieb aber unangetastet.
Heute wird der Gelb-Schwarze Renner geliebt, der Beweis sind dreiste Fälschungen des Sondermodells: Von 3500 Exemplaren blieben nur etwa 100 Originale übrig. Das mag auch daran liegen, dass der grelle Käfer anfangs nur Berufspolitiker erregte. Die fanden seine Sportoptik mit saturngelbem Lack und mattschwarzen Hauben so provozierend, dass sogar der Bundestag darüber diskutierte. Der Renner lade zum Rasen ein, hieß es, als hätte keiner die Haube am Heck angehoben: Denn dahinter saß der 50-PS-Motor, wie er in jedem 1303 zu haben war. Allerdings gab es für den Sonder-Käfer eine amtliche Tuning-Freigabe von VW – bis 100 PS und 165 km/h Spitze. Ganz weltfremd war das nicht: Veredler wie Sauer & Sohn im hessischen Dieburg erreichten die 160er-Marke bereits mit 75 PS, nahmen aber auch 2500 Mark für die Kraftkur. Heute ist das so unwichtig wie die Benzinpreise des Jahres 1973. Denn der Renner von damals ist ein Klassiker, an dem sich die ganze Modellgeschichte des Käfers erzählen lässt.

Der Gelbschwarze kommt fast ohne Chrom aus

VW Käfer 1303 S
Viele Käfer-Fahrer mussten sich an den Anblick der gewölbten Frontscheibe erst gewöhnen.
Wo anfangs ein fingerdürres Lenkrad im Raum stand, protzt bei diesem 1303 ein kleines Sportvolant von Fleischwurst-Dicke. Statt Reifen im frühen Regenwurm-Format 5,60-15 presst er Pirelli Cinturatos von 175er-Breite auf den Asphalt. Auf dem Tacho steht 160, zu Beginn war schon Tempo 100 ein Kick aus Kitzel und Leichtsinn. Das Chrom, in dem sich Aufbau-Deutschland spiegelte, ist beim Gelb-Schwarzen fast ganz weg, so wie es nach 1945 schon mal war, bevor der Export-Käfer kam. Und das Frontblech des Sondermodells trägt die Schlitze der US-Version: Dort waren sie notwendig, weil dahinter der Kühler der Klimaanlage saß. Kaum ein Auto hat in seiner Karriere mehr erlebt, abgesehen vom nahen VW-Verwandten Porsche 911. Ein Rundgang um den gelb-schwarzen 1303 reicht, um zu verstehen: Er erzählt nicht aus seinem Baujahr, sondern aus fünf Jahrzehnten. Ansonsten ist er natürlich nichts anderes als einer von 916.000 gebauten VW 1303, also die höchstentwickelte Evolutionsstufe des Käfers.

Der Dornröschen-Käfer: VW Käfer 1200 L

"Professor Porsche würde ihn nicht wiedererkennen", texteten die Werber zu seiner Premiere im August 1972. Das war übertrieben, tatsächlich jedoch war nie zuvor eine VW-Modellpflege so radikal geraten. Gut, mit dem 1302 hatte sich VW 1970 den verlängerten Vorderwagen getraut, aber der passte gut zur vertrauten Linie des Klassikers – anders als die Panorama-Frontscheibe des 1303. Sie war 40 Prozent größer als die Glasfläche des VW 1302 und folgte einer Gesetzesvorlage aus Amerika: Die befahl einen größeren Mindestabstand zwischen Fahrer und vorderer Scheibe, um dann doch nicht rechtsgültig zu werden. Als das feststand, hatte VW schon die Presswerkzeuge bezahlt – und engagierte den Showmaster Rudi Carrell, um die Vorzüge des neuen alten Käfers in einem modernen Werbespot zu zeigen. "Der wirrd ein Riesenerrfolg, fürr so was habe ich eine Naase!", spricht Carrell und fährt mit tuckerndem Boxergeräusch aus dem Bild. Die Presse verständigte VW derweil mit großem Ernst, dass "das Innenraumvolumen von 2,38 auf 2,43 Kubikmeter" gewachsen sei.
Zur krummen Scheibe gehört das neue Cockpit des Käfers: Es war erstmals kein blechernes Brett mehr, sondern eine Kunststoff-Landschaft mit runden Lüftungsdüsen, eckiger Quarzuhr und höhergelegtem Tacho unter einer kantigen Hutze. Alles schwarz, sachlich und abwaschbar, typisch für den Stil der 70er. Sogar Holzfolie gab es, wenn auch nur beim Sondermodell Big. Das Dekor sieht aus, als hätten es die VW-Designer ironisch gemeint. Doch dafür hatten sie wahrscheinlich zu viel Angst um ihren Job. Nach dem Rekordjahr 1971 waren die Käfer-Verkäufe abgestürzt, um sich nie mehr zu berappeln. Es war nicht der Gelb-Schwarze Renner, der VW rettete, sondern der porentief sachliche Golf. Weil Papa keinen hatte. Dass der 1303 der rundeste, stärkste und beste Käfer aller Zeiten war – das haben später erst Nostalgiker entdeckt, die nie einen Alfasud oder Autobianchi haben wollten.  

Historie

VW Käfer 1303 S
Das Lenkrad sieht aus wie aus einem kalifornischen Tuning-Laden, ist aber tatsächlich ein Wolfsburger Originalteil.
August 1970: Die Geschichte des VW 1303 beginnt mit dem Misserfolg seines Vorgängers 1302, der mit vergrößertem Kofferraum, neuem Fahrwerk und stärkeren Motoren erscheint, aber auch mit absurd hohem Verbrauch schockiert. August 1972: Debüt des VW 1303, lieferbar mit 34, 44 und 50 PS. Januar 1973: Sondermodell "Gelb-Schwarzer Renner", limitierte Auflage 3500 Exemplare, Preis 7650 Mark. September 1973: Sondermodelle 1303 City (44 PS, spezielle Sitzbezüge, Parkuhr in der Sonnenblende, Sportfelgen) und Big (50 PS, Holzdekor am Armaturenbrett, Cordpolster, Sportfelgen). September 1974: Nach der Fußball-WM erscheint der 1303 als "Weltmeister"-Sondermodell mit Schaltknauf in Fußballform. Zum Modelljahr 1975 verlegt VW die vorderen Blinker in die Stoßstangen und baut eine neue Zahnstangenlenkung ein. Juli 1975: Produktionsstopp für den deutschen Markt. Oktober 1975: VW baut die letzten 1303 Limousinen für den US-Export. Insgesamt entstanden 916.713 VW 1303 Limousinen, bei Karmann läuft das 1303 Cabriolet noch bis Januar 1980 weiter.

Technische Daten

VW 1303 S ("Gelb-Schwarzer Renner"): Luftgekühlter Vierzylinder-Boxer, hinten längs • zentrale, stirnradgetriebene Nockenwelle • zwei Ventile pro Zylinder • Solex-Fallstromvergaser 34 PICT-3 • Hubraum 1584 ccm • Leistung 37 kW (50 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment 106 Nm bei 2800/min • Viergang-Schaltgetriebe • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn an McPherson-Federbeinen, hinten Schräglenkerachse mit Querfederstäben • Reifen 175/70 HR 15 • Radstand 2420 mm • L/B/H 4110/1585/1500 mm • Leergewicht 900 kg • 0–100 km/h in 19 s • Spitze 142 km/h • Verbrauch um 11 l Normal/100 km • Neupreis 1973: 7650 Mark.

Plus/Minus

VW Käfer 1303 S
50 PS aus 1,6 Liter Hubraum, VW genehmigte jedoch ganz offiziell bis zu 100 Tuning-PS.
Der 1303 ist der modernste und alltagstauglichste aller Käfer: Er wirkt weder unsicher noch lahm oder unkomfortabel, was er im Vergleich zu neuen Kleinwagen aber natürlich ist. Und sein Verbrauch – gern über zehn Liter in der 50-PS-Version – war schon vor fast 40 Jahren nicht mehr zeitgemäß. Auch muss so ein klassischer Käfer kein praktisches Auto mehr sein. Was bis heute begeistert, ist dagegen die gute Verarbeitung, die Verlässlichkeit seiner Technik und der Vorzug, dass ihn jeder Schrauber alter Schule reparieren kann. Manchmal muss er ihn allerdings auch schweißen, denn der Rost frisst fast überall am 1303. Auszug aus der Checkliste des Grauens: Lampentöpfe, Kotflügel-Schraubkanten, Türen, Falze entlang der A-Säulen, Schweller, Federbeindome, Ersatzradmulde, Rahmenkopf und Wagenheber-Aufnahmen. Kenner kaufen keinen Käfer, den sie nicht von unten gesehen haben – und wissen auch, dass leichter Ölverlust zum alten VW gehört wie eine Heizung, die im Winter nicht wirklich heizt. Wenn es innen aber penetrant nach Abgas stinkt, sind die Wärmetauscher hin.

Ersatzteile

Kleine Teilepreise und guter Service machten den Käfer zum Welterfolg, davon profitiert er noch im Greisenalter. Die Qualität von Nachfertigungen ist zum Teil aber lausig, gerade bei Blech- und Gummiteilen. Richtig rar sind Spezialteile der 1303-Sondermodelle.

Marktlage

VW Käfer 1303 S
Steht das "S" für Super oder schrill? Die Farbe lässt uns raten.
Die Lage ist ernst, wenn es unbedingt ein Gelb-Schwarzer Renner sein muss: Nur etwa 100 Stück sind noch bekannt – und meist in festen Händen. Einfacher ist es, einen sehr guten Normal-1303 zu finden, wobei die Schätzchen nicht mehr für kleines Geld aus Omas Garage kommen: Ein 1303 S in gutem Zustand 2 ist kaum unter 6500 Euro zu haben, die Normalversion mit 44 PS notiert ein paar Hunderter darunter. Mindestens 1000 Euro Zuschlag verlangen VW-Kenner für die ebenfalls rar gewordenen Sondermodelle City und Big. Und ansonsten kann der 1303 auch eines der von 1972 bis 1980 gebauten Cabriolets sein – für den, der bis zu 25.000 Euro für ein Top-Auto ausgeben mag.

Empfehlung

Nicht jeder Gelb-Schwarze Renner ist ein Original – wer einen anbietet, sollte die Echtheit seines Wagens beweisen und verbindlich zusichern können. Dabei hilft ein Zertifikat der Stiftung Automuseum Volkswagen (Preis 50 Euro). Und trotzdem Vorsicht – Fahrgestellnummern können das Auto gewechselt haben.

Von

Christian Steiger