Fast wie im Märchen: Deutschlands erster Mittelmotor-Sportwagen hatte bei der Premiere 1969 eine dramatische Entwicklungsgeschichte hinter sich – und wurde trotzdem ein Erfolg.
Bild: C. Bittmann
Fast hätte es ihn nie gegeben. Die Herren von Volkswagen und Porsche lächeln im September 1969 in die Kameras, als ihr gemeinsam entwickelter Sportwagen 914 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) im Scheinwerferlicht glänzt – dabei haben sie sich bis vor wenigen Wochen einen beispiellosen Rosenkrieg geliefert und nur mit Mühe wieder zusammengerauft. Eine Seifenoper, wie sie die deutsche Nachkriegswirtschaft bis dahin noch nicht gesehen hat. Ein Handschlag zwischen Ferry Porsche und Heinrich Nordhoff gilt nach dem Tod des VW-Chefs nicht mehr. Nordhoffs Nachfolger Kurt Lotz besteht darauf, dass VW den 914 allein vertreiben darf. Nach zähen Verhandlungen einigen sich die plötzlich zu Kontrahenten gewordenen Firmen darauf, dass der Wagen als VW-Porsche auf den Markt kommt. Mit Vierzylindermotor soll der Mittelmotorsportwagen den veralteten Karmann-Ghia ersetzen, mit Sechszylindermotor scheint er geeignet, die Porsche-Palette als Einstiegsmodell zu ergänzen.
Kofferräume und Innenraum sind annähernd gleich lang. Das Targadach eignet sich prima als Picknicktisch.
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Im April 1969 wird die gemeinsame Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Ludwigsburg gegründet – ein Kompromiss und keine ganz glückliche Entscheidung. Schon bei der Premiere trifft der 914 auf Hohn und Spott. Volksporsche heißt das Auto umgehend, was einige VoPo abkürzen – wie die Volkspolizisten in der DDR. Journalisten reimen: "Vom Käfer die Natur, vom Porsche die Figur". Dieses Möchtegern-Image klebt bis heute am 914. Zu Unrecht. Denn er ist ein wirklich guter Sportwagen geworden, sogar mit dem 80-PS-VW-Motor. Das hat einen einfachen Grund: Die Porsche-Konstrukteure können mit einem weißen Blatt Papier beginnen. Im Lastenheft steht nur, dass ein zweisitziger, offener Sportwagen mit Mittelmotor entstehen soll. Auch wenn hoher Kostendruck herrscht: Fast wie im Märchen "Tischlein deck dich" können sich die Ingenieure technische Leckerbissen wünschen – sie werden Realität.
Der 914 überzeugt mit einer Fahrdynamik wie kaum ein anderer Sportwagen der 70er.
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Heinrich Klie, Altmeister des Porsche-Designs seit den frühen 50er-Jahren, gewinnt den internen Wettbewerb um die Formensprache. Sein klarer, schmuck- und tandloser Entwurf entfernt sich deutlich von 356 und 911. Der 914 wird der erste Porsche mit Klappscheinwerfern. Ungewöhnlich, weil ganz neu für das Autodesign der damaligen Zeit, sind die integrierten Stoßfänger. Sie müssen die neuen amerikanischen Sicherheitsbestimmungen erfüllen, Klie will sie sogar aus Kunststoff fertigen lassen. VW spricht sich aber dagegen aus, weil die Wolfsburger mit der Verarbeitung von Plastik wenig Erfahrung haben. Porsche lässt sich das Bumper-System sicherheitshalber patentieren; erst beim Facelift 1974 kommt es zum Einsatz. Auch bei der Gestaltung des Innenraums geht Porsche neue Wege. Die Bauhaus-Linie der Karosserie setzt sich hier fort. Drei Knöpfe, drei Hebel für die Heizungsbetätigung und zwei Lenkstockhebel – das war’s.
Dank Mittelmotor nahezu frei von Tücken
Das Cockpit mit dem spindeldürrem Lenkrad ist der Beweis: Der 914 ist ein echter Porsche.
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Doch die sachlich-nüchterne Linie bringt dem 914 schnell Kritik ein. Es fehle an Charme, heißt es. Es sind Stimmen, die verstummen, sobald es mit dem VW-Porsche auf die Straße geht. Der Fahrer sitzt tief, viel tiefer als im Elfer. Der Knüppel des Fünfganggetriebes ragt wie ein dürrer Ast aus dem Fahrzeugboden, der Motor direkt hinter den Ohren der Insassen brabbelt vertrauenerweckend. Hört sich ein bisschen nach Käfer an, aber tiefer und maskuliner. Das riesige Lenkrad mit seinem dünnen Kranz galt in den 70er-Jahren noch als sportlich. Es steckt auf einer – auch nach heutigen Maßstäben – direkten Lenkung, natürlich ohne Servo. In Kurven neigt sich der 914 heftig zur Seite – überraschend für Freunde moderner Sportwagen, aber typisch für Autos seiner Zeit. Dank des Mittelmotors ist er präzise austariert, nahezu frei von jeder Tücke. Die schmalen Finnen mit den Blinkern taugen auf engen Landstraßen prächtig zum Peilen – fast so, als sei man mit einem Katamaran unterwegs.
Die Amis haben den 914 geliebt
Die Fahrleistungen sind ordentlich, nur die störrische Schaltung nervt. 914-Fahrer der ersten Stunde schwören, dass schon Ehen an der Schaltbarkeit des Porsche-Getriebes gescheitert seien. Trotz seiner Vorzüge verstehen die wenigsten Deutschen den 914. Bis Ende 1970 laufen 13.312 Autos vom Band, nicht mal halb so viel, wie die Fabrik hergegeben hätte. Nur die Amerikaner lieben den 914. Aus Imagegründen kommt er dort ausschließlich als Porsche auf den Markt; drei Viertel der insgesamt gut 120.000 gebauten Mittelmotor-Sportler gehen in die USA. Schon nach drei Jahren geht das Experiment VW-Porsche für Porsche zu Ende. Die Sechszylinderversion wird schon nach 3303 Exemplaren eingestellt – sie ist zu teuer. Mit knapp 19.000 Mark kostet der 914/6 rund 7000 Mark oder die Hälfte mehr als der Basis-Vierzylinder. Unmittelbar nach der Einstellung des 914 im November 1975 kündigen VW und Porsche ein neues Projekt an: den 924. Auch den hätte es wegen eines Streits zwischen den Firmen fast nicht gegeben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Historie
Der Mittelmotor ist tief versteckt und verbaut: Ventile einstellen verlangt schlanke Finger.
Bild: C. Bittmann
Als der 914 im September 1969 auf der IAA präsentiert wird, ist er der erste Serien-Mittelmotorsportwagen Deutschlands. Er geht mit einem 1,7-Liter-Volkswagenmotor mit 80 PS und einem Zweiliter-Sechszylinder mit 110 PS von Porsche an den Start. Zunächst verkauft sich der 914 schlecht, im ersten Jahr wird die Fertigungskapazität von 30.000 Autos nicht mal zur Hälfte genutzt. Bereits nach drei Jahren ist das Projekt Volksporsche für Porsche beendet. Die Sechszylinderversion ist mit knapp 19.000 Mark zu teuer, ihr Preis zu nah an dem des Elfers. 1971 baut Porsche für gute Kunden elf Exemplare des 916 – ein 914 mit fest eingebautem Dach, ausgestellten Kotflügeln und bis zu 210 PS starkem Sechszylinder. 1973 wird der 1,7-Liter mit der empfindlichen Einspritzanlage von einem 1,8-Liter-Vergasermotor abgelöst. Er verkauft sich vor allem in den USA sehr gut. 1974 kommt ein kleines Facelift mit schwarzen Stoßfängern, eckigen Fernscheinwerfern und einem zusätzlichen, 100 PS starken Zweiliter-Vierzylinder-Boxer. 1976 endet bei Karmann nach 118.982 Exemplaren die Produktion des 914.
Technische Daten
VW-Porsche 914/ (1.7): Vierzylinder-Boxer • Mittelmotor • zentral liegende Nockenwelle • zwei Ventile pro Zylinder • mech. Einspritzung • Hubraum 1679 ccm • Leistung 59 kW (80 PS) bei 4900/min • max. Drehmoment 136 Nm bei 2700/min • Fünfgang-Schaltgetriebe, voll synchronisiert • Hinterradantrieb • Vorderachse mit unteren Dreieck-Querlenkern, Dämpferbeinen und Torsionsstabfederung • Schräglenkerhinterachse • Reifen 155 SR 15 • Radstand 2450 mm • L/B/H 3985/1650/1230 • Leergewicht 900 kg • 0–100 km/h in 13,3 s • Spitze 175 km/h • Verbrauch ca. 10 l Super plus pro 100 km • Neupreis 1971: 11.995 Mark.
Plus/Minus
Die Vierzylinder-914 gelten als Volkswagen, erst mit sechs Zylindern wurde der 914 als Porsche akzeptiert.
Bild: C. Bittmann
Die Karosserie des 914 hat keine Schwachstellen, sie ist eine. Überall blüht der Rost, von den beiden Kofferräumen über die Schweller bis zum Targabügel. Die Hinterradaufhängung hinten rechts gammelt weg, weil Wasser über die Batterie im Motorraum abläuft, Säure greift deshalb die Schwinge an. Von den in Deutschland ausgelieferten Autos hat kaum eines ohne erhebliche Rostmängel überlebt, besser sind Reimporte aus den USA. Der VW-Motor ist robust, das Porsche-Getriebe leidet oft unter verschlissenen Synchronringen. Dem Ärger steht enormer Fahrspaß entgegen. Kaum ein Sportwagen der 70er-Jahre ist so perfekt ausbalanciert, selbst der 80-PS-Motor reicht angesichts von 900 Kilo Leergewicht für sportliche Fahrleistungen. Obwohl der 914 nur knapp vier Meter kurz ist, bietet er selbst groß gewachsenen Fahrern und Gepäck ausreichend Platz.
Ersatzteile
Volksporsche? Pah! Ersatzteile sind teuer, liegen selbst beim Vierzylinder auf 911-Niveau. Dafür ist fast alles zu bekommen. Ausnahme sind Innenraumteile. Wenn hier etwas kaputtgeht, gibt es kaum Ersatz. Viele Teile aus dem VW-Großserienregal sind jedoch sehr günstig zu bekommen. Achtung: Für die anfällige Karosserie sind häufig Reparaturbleche nur in fragwürdiger Qualität im Umlauf. Und: Kotflügel und Hauben gibt es nur noch aus Schlachtautos.
Marktlage
Wirklich gute Exemplare aus den ersten Baujahren sind selten geworden. Die Preise haben in den vergangenen Jahren deutlich angezogen, selbst völlig vergammelte Grotten kosten um die 7000 Euro. Autos mit nachvollziehbarer Historie und guter Substanz liegen um die 15.000 Euro, für einzelne unrestaurierte und rostfreie Top-Exemplare mit wenig Kilometern werden rund 20.000 Euro verlangt. US-Modelle sind deutlich günstiger, dafür oft verwohnt und mit runden Lichtwarzen in den Kotflügeln verunstaltet.
Empfehlung
Immer das bessere Auto kaufen. Hat ein 914 erst einmal angefangen zu gammeln, muss er häufig komplett restauriert werden. Das ist wegen der weichen Karosserie sehr aufwendig und kann schnell mehr als die Anschaffung selbst kosten. Die 1,7-Liter-Modelle reagieren empfindlich auf längere Standzeiten, eine Membran der D-Jetronic trocknet aus. Den meisten Spaß machen die späten Zweiliter-Modelle mit 100 PS. Sie sind recht günstig zu bekommen, bieten aber kaum schlechtere Fahrleistungen als die völlig überteuerten Sechszylinder-Versionen.