Was ist die TÜV-Plakette an unseren Autos noch wert? Offenbar nicht immer gleich viel. Jenny Strube (31) aus Lübeck hat sich für 12.800 Euro einen VW Bulli gekauft, der sich als gefährlicher Schrotthaufen entpuppte – dabei hatte er gerade die Hauptuntersuchung bestanden. Wie kann das sein?

TÜV-Prüfung trotz erheblicher Mängel bestanden

VW T3 Joker
Der VW T3 von Jenny Strube bestand die Nachprüfung beim TÜV Nord "ohne erkennbare Mängel".
Bild: Holger Karkheck / AUTO BILD
Kurzfassung: Der Verkäufer brachte den T3 im September 2020 zunächst zur Hauptuntersuchung zur Dekra. Urteil: erhebliche Mängel, bitte beheben und dann wiederkommen. Neun Punkte wurden beanstandet. Der Verkäufer ließ den Bus nach eigener Aussage reparieren und brachte ihn ein paar Wochen später zur Nachprüfung – diesmal zum TÜV Nord (Eigenwerbung: "Wir machen die Welt sicherer"). Der Prüfingenieur schrieb ins Protokoll: "keine Mängel festgestellt". Und erteilte die Plakette, die nur verkehrssichere Autos bekommen sollten. Sozialpädagogin Strube vertraute dem TÜV-Siegel, kaufte ihr Traum-Reisemobil. Nur durch Zufall entdeckte eine Werkstatt, dass der jungen Frau gefährlicher Schrott angedreht worden war.

Der VW T3 Joker ist nicht fahrbereit

VW T3 Joker
Dramatisch: Die Hinterachsaufnahme am VW T3 von Jenny Strube ist offensichtlich durchgerostet.
Bild: Holger Karkheck / AUTO BILD
Kfz-Meister und Bulli-Spezialist Frank Hirsch: "Das Auto ist aus meiner Sicht nicht fahrbereit, das ist ein Müllhaufen. Wenn so etwas heute TÜV bekommt, können wir den auch abschaffen. Eine Sicherheit für den Endverbraucher scheint es nicht mehr zu geben." Er ließ ein weiteres Gutachten anfertigen – diesmal vom TÜV Süd. Festgestellte Mängel: 15. Bremsleitungen und -schläuche defekt, Schweller durchgerostet und zum Teil mit Bauschaum ausgesprüht, durchgerostete Achskörper, undichter Tank, ölfeuchter Motor. Und so weiter. Ein zweiter Bulli-Experte, Kfz-Meister Micha George (39), sagt: "Im schlimmsten Fall kann sich die Achse verabschieden und durch den undichten Tank das ganze Auto in Brand geraten." Auch sein klares Urteil: "Der hätte nie eine Plakette bekommen dürfen."

Reparaturen zu teuer für die Besitzerin

VW T3 Joker
Jenny Strube hat einen überteuerten Wagen gekauft. Für die Reparaturen fehlt ihr das Geld.
Bild: Holger Karkheck / AUTO BILD
Wer ist schuld? Jenny Strube rief den Verkäufer an. Der versichert gegenüber AUTO BILD: "Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich hatte zwischen der ersten und zweiten Untersuchung alle bemängelten Punkte in der Werkstatt machen lassen." Der TÜV Nord sieht die Sache so: "Bitte beachten Sie, dass es sich bei der TÜV-Nord-Fahrzeugprüfung um die Nachprüfung einer vorher von Dekra durchgeführten Hauptuntersuchung handelt, und bei der deshalb nur die beanstandeten Mängel begutachtet werden", schreibt Pressesprecher Rainer Camen. Mit anderen Worten: Hätte die Dekra eben vorher besser hingucken müssen. Die Leidtragende ist Jenny Strube, die nicht nur ein völlig überteuertes Auto gekauft hat, sondern sich auch die Reparaturen nicht leisten kann. Und zurücknehmen will der Verkäufer den Bulli auch nicht.