Audi 100, Mercedes 200/8, BMW 2000 im Klassik-Test
Die milden 68er

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1968 fordert Audi erstmals Mercedes und BMW zum Kräftemessen heraus: Der Audi 100 stellt sich den etablierten Konkurrenten Mercedes 200/8 und BMW 2000. Ob Audi schon damals Premium war, klärt der Klassik-Vergleich.
Prager Frühling und Studenten auf den Barrikaden. Alexander Dubcek und Rudi Dutschke. Politisch war 1968 ein wildes Jahr. Und die 68er-Generation brachte einiges ins Rollen. Gesellschaftlich zumindest. Das Autojahr 1968 fiel milder aus. Wer erinnert sich schon noch genau? 1968 war Verkaufsstart eines neuen, kleinen Mercedes. Typ W 114/115, auch als Strich-Acht bekannt. Als erstes Stern-Modell brachte er es zum Millionenseller. Und noch ein populäres Auto stand im Jahr der Revoluzzer zum ersten Mal in den Läden: der Audi 100. Seine anvisierten Konkurrenten: die etablierte Oberklasse – eben Mercedes 200 und auch BMW 2000. Was sie gemeinsam hatten? Alle drei waren aus technischer Sicht konservativ gestrickt – bis in die letzte Falte ihrer Kleider.

Im Klassik-Vergleich: Käfer, Taunus und Kadett
Zum Traumwagen vieler Deutscher wurde aber trotzdem der Mercedes 200. Milde 95 PS, Stern auf der Motorhaube, solide und komfortabel, eine unerschütterliche Burg. Und natürlich wollte Audi etwas von diesem Ruhm abhaben. Wer sich den Audi 100 einmal genau anschaut, entdeckt in der Linienführung durchaus Ähnlichkeiten zum Strich-Acht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Oder an Zufall glaubt ... Denn das war es sicher nicht. Technik-Vorstand Ludwig Kraus wurde 1963 von Mercedes zur Auto Union AG versetzt. Als Mercedes den ganzen Laden 1964 an Volkswagen verkaufte, blieb Kraus bei Audi, entwickelte den 100er. Im Geiste hatte er dabei einen kleinen Mercedes vor Augen.
Kantige Karosserien
Zu ihrer kantigen Form tragen alle drei übrigens ein glasklares Image ins Blech gepresst: Ein Mercedes ist solide, ein BMW sportlich, und der Audi galt schnell als spießig, ein Typ für Fahrer mit Hut. Alles Erinnerung. Der Vergleich soll klären, wie es heute um Audi 100, BMW 2000 und Mercedes 200 bestellt ist. Wie man in einem Auto der 68er-Generation sitzt? Herrlich luftig, wie im Wintergarten. Steile Scheiben, niedrige Gürtellinien und filigrane A- und B-Säulen lassen viel Licht ins Innere. Und der Kante sei Dank: Vor allem BMW und Mercedes sind wahre Wunder der Übersicht. Wozu Rückfahrkamera oder Radarstrahlen? Die Spiegel richtig eingestellt, und jede Ecke ist vom Fahrersitz aus einsehbar.
Im Klassik-Test: Oberklasse-Kombis

Solide und aufgeräumt: Wohnstube im /8er

Von der Qualität des /8 sind BMW und Audi weit entfernt
Alles was mit Heizen zu tun hat, sitzt rechts vom Lenkrad, die Lichtfunktionen links. Einziges Unikum: Wer die Windschutzscheibe spülen will, muss zutreten – auf eine damals schon altmodische Gummipumpe im Fahrerfußraum. Das typische Mercedes-Wohlfühlaroma kann das nicht schmälern. Aufrecht sitzt der Fahrer hinter seinem riesigen Steuerrad, blickt auf den Stern, der über dem Horizont der Motorhaube thront. Ein Mahnmal der Qualität, die den Mercedes weit über Audi und BMW hebt. Hier wirkt alles eine Spur solider, wuchtiger, haltbarer. Wer unsere drei Oldies heute erlebt, der versteht nun auch, warum früher so viele Menschen vom Mercedes träumten und dafür jeden Groschen auf die hohe Kante legten.
Fazit im Karosserie-Kapitel: Mercedes fährt einen soliden Sieg in diesem Kapitel ein. Viel Platz für die Passagiere, die einfache Bedienung und die herausragende Qualität sind die Säulen dieses Erfolgs. Audis 100 kann vor allem in Sachen Verarbeitung nicht mithalten. Der Leichtbau fordert mit den Jahren Zugeständnisse. Der BMW 2000 ist nicht nur außen kompakter geschnitten, sondern auch im Innenraum enger.
Fazit im Karosserie-Kapitel: Mercedes fährt einen soliden Sieg in diesem Kapitel ein. Viel Platz für die Passagiere, die einfache Bedienung und die herausragende Qualität sind die Säulen dieses Erfolgs. Audis 100 kann vor allem in Sachen Verarbeitung nicht mithalten. Der Leichtbau fordert mit den Jahren Zugeständnisse. Der BMW 2000 ist nicht nur außen kompakter geschnitten, sondern auch im Innenraum enger.
Die Antriebe: Ganz von gestern

Von den 100 PS im BMW sind nur 75 fühlbar
Im 2000er-BMW gesellt sich zum kernigen Vierzylinderton noch Pfeifen. Typisch. Autokundige Knaben erkannten schon früher im Kinderzimmer jeden vorbeifahrenden BMW an diesem Pfeifgeräusch. Etwas anderes ist mir dagegen ein Rätsel: Wo hat der sportliche BMW nur seine Leistung gelassen? 100 PS bringt der Zweiliter. Auf dem Papier. Im Hinterteil gefühlt, kommen davon bestenfalls 75 an. In Zahlen: 16,5 Sekunden bis 100 km/h. Das Werk versprach unter 14. Die restlichen Sekunden versickern irgendwo zwischen den Gängen im Getriebe. Erster oder dritter, zweiter oder vierter Gang – welcher getroffen wird, bleibt oft dem Zufall überlassen. Dann doch lieber die hölzerne Mercedes-Schaltung.
Die Überraschung: der biedere Audi ist am sportlichsten
Oder gleich in den Audi wechseln. Dieser ist ein 1973er, mit Mittelschaltung statt des anfangs häufigen Lenkradhebels. Gute Lösung: kurzer Hebel, kurze Wege zwischen den Gängen, exakt geführt. Hier schaltet der Fahrer locker aus dem Handgelenk. Überhaupt: Der Audi 100 ist die Überraschung im Antriebskapitel. Sein Motor, mit 1,6 Litern und 85 PS am schwächsten, hängt spontan am Gas, dreht tapfer hoch, liefert die besten Fahrleistungen ab (siehe Tabelle). Keine Frage: Mercedes und BMW fahren mit Technik von gestern. Und der Audi zeigt, dass sein Antrieb gestern schon fast von heute war.
Fazit im Antriebs-Kapitel: Vorurteilen darf man eben nicht glauben. Denn nicht der angeblich so sportliche BMW 2000 kann sich im Antriebs-Kapitel an die Spitze setzen, sondern das Auto mit dem ewigen Hutträger-Image. Audis 100 glänzt mit einem überraschend agilen Vierzylinder. Der Mercedes-Motor ermöglicht schaltfaules Fahren, wirkt aber zugeschnürt.
Fazit im Antriebs-Kapitel: Vorurteilen darf man eben nicht glauben. Denn nicht der angeblich so sportliche BMW 2000 kann sich im Antriebs-Kapitel an die Spitze setzen, sondern das Auto mit dem ewigen Hutträger-Image. Audis 100 glänzt mit einem überraschend agilen Vierzylinder. Der Mercedes-Motor ermöglicht schaltfaules Fahren, wirkt aber zugeschnürt.
Die Fahrwerke: Auf der weichen Welle

Der BMW bockig, der Benz gelassen, der Audi agil
Richtig schnell wird der 2000 trotz maximalen Körpereinsatzes seines Benutzers nie. Der hat, gewisse Grundkenntnisse des Fahrens vorausgesetzt, aber eine Mordsgaudi. Vielleicht genießt der alte BMW ja deshalb einen sportlichen Ruf, weil seine Fahrer fixer sein müssen. Mercedes-200-Fahrer erleben eine weniger spektakuläre Welt. Behäbig wie ein Nilpferd begibt er sich ums Eck, gelassen bügelt er die Rüttelstrecke glatt – und alles vollkommen klapperfrei. Nur mit dem Geradeauslauf fährt der gute Stern in seine Problemzone. Er schlängelt immer um die Ideallinie, der Fahrer muss laufend korrigierend eingreifen. Ganz anders der Audi 100. Von den Vorderrädern gezogen, geht es Richtung Norden und dann immer geradeaus.
Der Audi läuft am besten geradeaus – allerdings auch in Kurven
Mit etwas Pech bleibt das auch so, wenn plötzlich und unvermutet eine Kurve auftaucht. Fahrverhalten: stoisch untersteuernd. Selbst Fuß vom Gas hilft im Grenzbereich nicht mehr: Eine helfende Lastwechselreaktion, damit sich der 100er vielleicht doch noch in die Kurve eindreht, war damals wohl nicht erfunden. Trotzdem: Besser und schneller als der BMW, der sich in glatten Kurven tückisch wie auf Schmierseife bewegt, ist das berechenbare Audi-Fahrverhalten allemal. Und agiler als der schwerfällige Mercedes ist der 100er noch dazu. Aber am Ende heißt es doch: 200 vor 100. Audis angetriebene Vorderachse trampelt überfordert, und das Heck schaukelt schwer unterdämpft. Fühlt sich lustig an – zumindest dann, wenn die Passagiere seefest sind.
Fazit im Fahrwerks-Kapitel: Geht es um den Komfort, zeigt der Stern noch heute Wirkung: Es ist überraschend, wie ausgewogen die Mercedes-Entwickler das Fahrwerk abgestimmt haben. Dynamisch zieht der Audi vorbei. Der Frontantrieb macht es dem Fahrer im Grenzbereich einfacher. Und bei den Bremsen zeigt er noch einmal, dass weniger Gewicht mehr Leistung ergibt. Er steht deutlich schneller. Und der BMW? Unausgewogen. Seine Konstruktion war schon 1968 nicht mehr up to date.
Fazit im Fahrwerks-Kapitel: Geht es um den Komfort, zeigt der Stern noch heute Wirkung: Es ist überraschend, wie ausgewogen die Mercedes-Entwickler das Fahrwerk abgestimmt haben. Dynamisch zieht der Audi vorbei. Der Frontantrieb macht es dem Fahrer im Grenzbereich einfacher. Und bei den Bremsen zeigt er noch einmal, dass weniger Gewicht mehr Leistung ergibt. Er steht deutlich schneller. Und der BMW? Unausgewogen. Seine Konstruktion war schon 1968 nicht mehr up to date.
Die Kosten: Nicht billig – aber preiswert
Längst geschafft! Der 30. Geburtstag liegt für Audi 100, BMW 2000 und Mercedes 200 lange zurück, sie dürfen sich also mit dem H-Kennzeichen schmücken. Das ist wichtig, denn mit dieser Nummer kommen einige Vorteile an den Wagen: Zum Beispiel die günstige Jahressteuer von 191 Euro. Unabhängig von Hubraum oder Schadstoffklasse. Auch die Versicherung ist abgekoppelt von der ehemaligen Typklassen-Einstufung. Wer maximal 5000 Kilometer pro Jahr fährt und sich auf die Haftpflicht beschränkt, zahlt sogar weniger als 100 Euro. Und noch ein Vorteil: Die Typen mit H dürfen sogar in die Umweltzone fahren. Wer sagt’s denn: Oldies sind zukunftssicher.
In Sachen Ersatzteilversorgung zieht der Benz-Besitzer die Trumpf-Karte
Komplizierter ist eine Prognose für die Wertentwicklung. Momentan ist der BMW am teuersten. Einfach weil er sich rarmacht. Audis 100 wird leider immer noch verramscht. Nur wenige Fans haben ihn wirklich lieb. Ob sich da noch was tut? Vermutlich nicht, solange es den Helden der Klasse gibt: den Mercedes 200/8. Fast schon erschütternd, wie gut seine Fangemeinde organisiert ist. Beispiel Ersatzteilbeschaffung: für den BMW manchmal schwer, für den Audi ein mittleres Drama. Nur beim Mercedes gibt es so gut wie keine Probleme. Werk und Klubs helfen weiter. Schon allein deshalb wird der Mercedes-Stern in Zukunft heller als andere strahlen – und mit Sicherheit nicht mehr billiger werden.
Da stehen wir nun vor unseren Vorurteilen. Der BMW 2000 hat mit Sport so gut wie nichts am Hut. Und der Audi 100 ist gar keine lahme Lehrer-Kutsche. Stattdessen überrascht das Erfolgsmodell aus Ingolstadt mit seinem dynamischen Talent. Vor allem durch seinen agilen Motor animiert er zum flotten Fahren. Ein 2000er-BMW wirkt dagegen eher beruhigend: zäher Vierzylinder, unexakte Schaltung, unausgewogenes Fahrwerk. Wie gut, dass wenigstens ein Vorurteil noch passt: Der Mercedes 200 ist ein rundum solider Typ mit ausgewogenen Alltagseigenschaften. Keine Frage: Wer einen alten 68er für alle Tage sucht, ist im Mercedes /8 gut aufgehoben.
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