Corvette C4 Cabrio
Das ist typisch für die Corvette C4: eine hohe Gürtellinie und dennoch eine tiefe Sitzposition.
Bild: R. Raetzke
Es sind verdammt große Fußstapfen, in die sich Dave McLellan 1975 wagen muss. Als Chefentwickler für die Corvette tritt er bei Chevrolet die Nachfolge von Zora Arkus Duntov an, Godfather of Corvette seit 1953. Die Handschrift McLellans wird erstmals sichtbar, als Chevrolet Ende 1982 den Nachfolger der Corvette C3 präsentiert, deren Karriere schon seit 1968 andauert. Die C4 startet mit dem Modelljahr 1984. Wie um die Zäsur zu betonen, verzichtet Chevrolet 1983 auf eine Corvette. Tatsächlich verkörpert die C4 eine radikal neue Philosophie, obschon es auch enttäuschte Stimmen gibt. Sie beklagen, dass es wieder nicht gelungen ist, einen der von Duntov favorisierten Mittelmotor-Träume zu realisieren. Es bleibt beim vorn eingebauten Achtzylindermotor, der um ein paar Zentimeter nach hinten gerückt ist. Eine ausgewogenere Gewichtsverteilung ist die Folge.
Corvette C4 Cabrio
Wie jetzt, E-Verdeck? Die Corvette setzt auf
Handarbeit: Ohne großen Kraftaufwand verschwindet das Dach vollständig unter einer Klappe.
Bild: R. Raetzke
Der V8, eine 5,7 Liter große Version des berühmten Chevrolet-Small-Block, wird aus Kostengründen vom Vorgänger übernommen. Er bringt es auf gerade mal 205 PS, womit die ersten C4 ordentlich, aber keineswegs überwältigend motorisiert sind. Ansonsten aber ist alles neu. Beispielsweise die tragende Stahlstruktur, auf der die selbstverständlich wieder aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigte Karosserie ruht. Sie ist um Klassen steifer als bisher, hat aber den Nachteil, dass die seitlichen Träger ungewöhnlich hohe Einstiegsschweller erfordern – ein klares Manko, das erst bei der C5-Generation beseitigt wird. Völlig neu sind auch die Radaufhängungen, klassische Querlenker-Konstruktionen mit aus Leichtmetall geschmiedeten Trägern. Die Federung übernehmen quer eingebaute Blattfedern aus Kunststoff, die platzsparend sind und vor allem sehr leicht.

Sportwagen für jeden Tag: Chevrolet Corvette C4

Corvette C4 Cabrio
Klappscheinwerfer gehören über Jahrzehnte zur Corvette.
Bild: R. Raetzke
Dave McLellan bringt es auf den Punkt: "In den Fahrleistungen konnten wir keine neuen Maßstäbe setzen, deshalb haben wir uns ganz auf das Handling konzentriert." Die Corvette, im Lauf der Jahre zu einem leicht verfetteten Boulevard-Cruiser geworden, ist nun ein echter Sportwagen. Einer, der sich nicht hinter der europäischen Konkurrenz verstecken muss. Showtime herrscht zwar noch immer bei den Amerikanern, wie die bunten Grafik-Displays der Anzeigen für Drehzahl und Geschwindigkeit zeigen. Aber die Corvette kann jetzt um die Ecken pfeffern wie ein Porsche oder Ferrari. Sie erreicht problemlos sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten, sie lässt sich leicht und exakt dirigieren, und sie bleibt selbst im Grenzbereich fast ohne Tücken. Für Corvette-Aficionados, die zuvor mit einer noch aus dem Jahr 1963 stammenden Fahrwerkkonstruktion leben mussten, tut sich eine neue Welt auf. Die aber auch Schattenseiten hat.

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Corvette C4 Cabrio
Da freut sich der Mechaniker: Kaum ist die riesige Motorhaube geöffnet, liegt fast das halbe Auto frei. Der Antrieb ist danach prima zugänglich.
Bild: R. Raetzke
Weil Sportlichkeit ganz oben auf dem Zettel stand, bleibt vom gemütlichen Federungskomfort des Vorgängers rein gar nichts übrig: Die C4 ist knallhart. Auf schlechten Straßen verliert sie viel von ihrem gutmütigen Charakter, weil die Hinterachse zum Trampeln und seitlichen Versetzen neigt. Kein Grund zum Jubeln ist auch das anstelle der serienmäßigen Vierstufenautomatik lieferbare Handschaltgetriebe. Die eigenwillige Viergang-Konstruktion besitzt zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs einen Overdrive für die oberen Gänge (4+3) und zeichnet sich durch lausige Schaltbarkeit aus. Kein Wunder, dass fast kein Corvette-Käufer für Handarbeit votiert. Zu einem großvolumigen US-Achtzylinder passt nun einmal die Automatik, und der Small Block der Corvette bleibt Herz und Seele des schnellen Wagens. Wobei es nicht die entscheidende Rolle spielt, welche Version dieses über die Jahre immer wieder modifizierten Triebwerks man wählt.

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Corvette C4 Cabrio
Das triste Cockpit-Schwarz hat der Besitzer mit Holz-Applikationen aus dem Zubehörhandel veredelt.
Bild: R. Raetzke
Allen gemeinsam ist der bollernde Ton aus dem Doppelauspuff, und alle zeigen jene kraftvolle Entwicklung des Drehmoments von ganz unten, die das Fahren locker und leichtfüßig macht. Besonders zu empfehlen sind die Corvette-Ausführungen ab dem Modelljahr 1992. Denn da erfährt der seit 1955 gebaute Achtzylinder eine letzte große Überarbeitung, bevor er mit der C5 und dem neuen LS-Motor ins Museum verfrachtet wird. LT1 heißt die neue Ausführung, die über eine computerkontrollierte Zündung, eine schärfere Nockenwelle und neu konstruierte Zylinderköpfe verfügt. Das Triebwerk, das glatte 300 PS erreicht, betört mit einem weit sportlicheren Naturell als noch beim Vorgänger. Dave McLellan ist ein Leistungsfreak. Deshalb darf auch der Tuner Reeves Callaway seine C4-Version mit Doppelturbomotor ganz offiziell über Chevrolet-Händler verkaufen.

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Die Callaway-Vetten können über 280 km/h erreichen. Sie gehören allerdings nicht zu den C4, die man heute als unterbewertete Schnäppchen bezeichnen würde. Eher schon das GM-eigene Topmodell ZR1, das ab 1990 im Angebot erscheint. Die ZR1 erhält einen in Zusammenarbeit mit Lotus (damals in GM-Besitz) entwickelten Hightech-Achtzylinder mit vier oben liegenden Nockenwellen (LT5). Mit 375 PS (ab 1993: 405 PS) rangiert sie in der obersten Sportwagenliga. Aber Achtung: Wer zu einem scheinbar günstigen Preis eine solche Corvette ergattert, braucht eine Werkstatt, die sich mit dem Innenleben des Leichtmetallmotors auskennt. Der Rest bleibt besser beim Stoßstangen-Achtzylinder, wie das ja auch General Motors getan hat. Er ist vergleichsweise anspruchslos und bietet genügend Leistung. Im Cabrio ohnehin. Das kommt 1986 auf den Markt, nachdem über zehn Jahre nur das Coupé mit herausnehmbarem Dachmittelteil im Angebot war. Mit dem offenen Modell kehrt Chevy zurück zu den Anfängen. Noch ist es ein Instant Classic zum Schleuderpreis.

Technische Daten

Corvette C4: Motor: V8, vorn längs • zwei Ventile pro Zylinder • eine zentrale Nockenwelle, Antrieb über Kette • elektronische Einspritzung Rochester • Hubraum 5733 cm3 • Bohrung/Hub 101,6 x 88,4 mm • Leistung 183 kW (249 PS) bei 4000/min • maximales Drehmoment 468 Nm bei 3200/min • Antrieb/Fahrwerk: Vierstufenautomatik • Einzelradaufhängung an Querlenkern vorn, Quer- und Längslenker hinten, Querblattfedern vorn und hinten • Scheibenbremsen rundum • Räder/Reifen 9,5 x 17 mit 275/40 ZR 17 Maße: Radstand 2445 mm • Länge/Breite/Höhe 4535/ 1805/1180 mm • Leergewicht 1510 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h 6,0 s • Spitze 245 km/h • Verbrauch circa 14 l S/100 km • Neupreis: 89.794 Mark (1990).

Historie

Die Corvette C4 löst 1984 das C3-Modell ab, das mit seinem Coke-Bottle-Look schon zum Klassiker geworden ist und die längste Bauzeit aller Corvetten erreichte (1968 bis 1982). Die C4 präsentiert sich unter sportlichen Aspekten als das weit bessere Auto, leidet zu Anfang aber auch unter nachlässiger Verarbeitung, die sich in undichten Dächern und klappernden Karosserien bemerkbar macht. Wie bei der Corvette üblich, erfolgt kontinuierlich eine mehr oder weniger umfangreiche Modellpflege. Die wichtigsten Punkte: 1985 mehr Leistung (230 PS), verbesserter Federungskomfort; 1986 Einführung des Cabrios, ABS als Serienausstattung; 1989 neues Sechsgang-Schaltgetriebe von ZF; 1990 Einführung der Corvette ZR1 mit Vierventil-Achtzylinder; 1991 geändertes Styling an Front und Heck; 1992 neuer LT1-Motor mit 300 PS, Antriebsschlupfregelung; 1993 verbesserter Drehmomentverlauf, Mischbereifung (vorn 255/45 ZR 17, hinten 285/40 ZR 17); 1994 neues Interieur mit Beifahrer-Airbag, Lederausstattung serienmäßig; 1996 Grand-Sport-Sondermodell mit auf 330 PS erhöhter Leistung. Als Nachfolger kommt 1997 das Modell C5.

Plus/Minus

Die C4 gilt als robuste Konstruktion, deren wesentliche Bestandteile wenig Ärger machen. Dass die Karosserie aus Kunststoff besteht, bedeutet allerdings nicht, dass man sich um Rost keine Gedanken machen muss. Speziell bei älteren Exemplaren empfiehlt sich eine genaue Inspektion der stählernen Rahmenbestandteile. Der Motor, eine simple Konstruktion mit zentraler Nockenwelle und Stoßstangen-Ventiltrieb, kann ein biblisches Alter erreichen, wenn er mit der gebotenen Vernunft behandelt wird. Bleifuß-Piloten, die ihn mit hohen Dauerdrehzahlen bewegen, fordern allerdings thermische Probleme und einen vorzeitigen Exitus heraus. Zu den Vorzügen der Corvette gehören die guten Fahreigenschaften, zu den wichtigsten Nachteilen das eingeschränkte Platzangebot im Innenraum – und das Image. Speziell in Deutschland ist der US-Zweisitzer nie seinen Ruf als Halbwelt-Sportwagen losgeworden.

Ersatzteile

Die Versorgung mit Ersatzteilen gehört zu den erfreulichsten C4-Kapiteln. Große Versender wie Midamerica (www.mamotorworks.com) oder Ecklers (www.ecklerscorvette.com) können praktisch alles liefern. Doch können die Preise durch hohe Versandkosten sowie Steuer- und Zoll-Abgaben beträchtlich in die Höhe schnellen. Auch in Deutschland gibt es Spezialisten für die Corvette, beispielsweise Corvette Malburg (www.corvette-malburg.de) oder Renz US-Car Service (www.renzuscars.de). Wichtig: Eine C4 braucht eine kompetente Werkstatt.

Marktlage

Für einen Exoten erscheint das Angebot reichlich. Doch Vorsicht: Ein großer Teil der Offerten besteht aus Exemplaren, deren Vorbesitzer auf technisches und optisches Tuning nicht verzichten wollten. Das Zeug zum Klassiker haben nur Corvetten, die sich im Originalzustand befinden und eine dokumentierte Pflege-Historie aufweisen. Der aktuelle Marktwert liegt bei 11.000 Euro.

Empfehlung

Wer eine Corvette mit Schaltgetriebe will, muss ab dem Modelljahr 1989 suchen. Erst da gab es ein zeitgemäßes Sechsganggetriebe statt der Viergang-Box. Am attraktivsten sind die Ausführungen ab 1992 mit dem 300 PS starken LT1-Motor und der serienmäßigen Antriebsschlupfregelung. Cabrios empfehlen sich ab dem Modelljahr 1994. Ab diesem Zeitpunkt besitzen sie ein Verdeck mit einer Heckscheibe aus Glas.

Von

Götz Leyrer