Vieles spricht dafür, dass die 60er die besten Jahre der Marke Opel waren. Wenn es Schlagzeilen hagelte, dann sol­che: "Opel in der Offensive" – und das auf dem Titel des "Spie­gel". Opel wäre obercool gewe­sen, wenn die Deutschen dieses Wort schon gekannt hätten. Der Kadett als Käfer-Killer, der Rekord C als Bürger-King, der Diplomat V8 als Chef der linken Spur – Erfolg trug den Blitz am Bug. Und dann kam da noch ein Opel, bei dem alles anders war. Ein Sportwagen. Kein sanftes Hardtop-Coupé, sondern ein flacher Rock'n' Roller, dessen Colaflaschen-Design sich mit der Corvette messen konnte.

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Der 90-PS-Motor sitzt hinter der Vorderachse und beflügelt das Handling.
So begann sie, die Ära des Opel GT. Er war ein Auto, das sich selbst erklärte. Seinen Werbern blieben nur ein paar abgedrehte Sprüche – aber solche, die Ge­schichte schrieben: "Nur fliegen ist schöner." Oder auch: „Woooo-oooam! Wooooooammmmmm! Rrrrrrrrrrooooooooor!" Okay, das war übertrieben. Denn unter der gekurvten Haube des GT röhrte kein Rennmotor, son­dern der 90 PS starke Grauguss-Klotz des Opel Rekord C. Ein paar schmerzfreie Kunden ließen es sogar mit dem 1,1-Liter-Maschinchen des B-Ka­dett gut sein. Dann forderten 60 PS und 18 Sekunden auf 100 ihre ganze Demut. Aber richtig erschütternd klingt das erst heute. Damals war Groß­serien-Technik ein starkes GT-Argument: Sie sicherte einen ge­rade noch bezahlbaren Basis­preis – anfangs 10.780 Mark und günstige Unterhaltskosten. Der direkte Aufstieg von Kadett oder Käfer war keine totale Uto­pie. Wer seinen GT nicht zu Tode tunte und daran dachte, die Ka­rosserie zu konservieren, konnte ihn ewig fahren. Theoretisch.

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Gelb macht glücklich: Nie mehr danach kam ein Opel mit solchen Kurven.
Das wirkliche Leben war anders. Nein, wir wollen hier nicht auf die Jungs mit den Vokuhila-Frisuren (vorn kurz, hinten lang) und den kreischfarbenen Trainings­anzügen schimpfen. Natürlich haben sie mit ihren Glasfaser- und Breitschlappen-Exzessen ein paar Tausend garagengepflegte GT auf dem Gewissen. Aber was hätten sie fahren sollen? Kein anderes Sportcoupé sah so sehr nach Traumwagen aus, kein an­deres ließ sich so lustvoll in Kur­ven werfen und ähnlich problem­los am Laufen halten. Die Aura des GT wirkt noch heute. Seine 90 PS treffen auf ganze 960 Kilo Leergewicht. Die erstaunlich präzise Lenkung und ein nahezu neutrales Fahrverhalten steigern das Opel-Flitz-Gefühl. Ein Blick unter die Hau­be zeigt, woran das liegt: Nach Art des Mittelmo­tors kauert sich das GT-Triebwerk hinter die Achse, ganz nah an die Spritzwand. Es heißt, die fahrak­tiven GT-Entwickler um Ver­kaufschef Bob Lutz hätten diese Bauweise gegen ihre Kaufleute durchgesetzt. Die hätten den Mo­tor lieber kostensparend über der Vorderachse platziert. So waren sie, die besten Jahre der Marke Opel. Aber sie sind ja noch nicht vorbei. Wer heute ei­nen GT hat, kann sie erleben – je­den Tag.
Plus/Minus Ein Opel GT 1900 ist schnell genug für den heutigen Alltag, zuverlässig und sparsam. Sein Komfort fordert jedoch Nehmerqualitäten – und Fernreisen erschwert das Fehlen eines nennens­werten Kofferraums. Die Mechanik des GT macht kaum Probleme, wohl aber die Karosserie. Kenner loben ihre Ver­arbeitung, aber sie ist komplett ver­schweißt und fordert bei Reparaturen einen sensiblen Profi. Besonders rost­gefährdet sind die vorderen Radkästen, der Bereich um die Scheinwerfer, Schweller, Türen, hintere Seitenteile, Heckschürze, Vorderachskörper und Querträger. Die Scheinwerfer dürfen beim Schließen nicht zu tief sacken – es besteht Gefahr von Kabelbrand.

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Ersatzteile Gute Versorgung mit günstigen Tech­nikteilen, aber Engpässe bei GT-Spezi­fischem wie Instrumenten, Stoßstan­gen, Vorderachskörpern oder dem In­terieur. Opel liefert seit den frühen 80er-Jahren nichts mehr, dafür steht die große GT-Szene mit Nachfertigungen bereit. Aber speziell das Preisniveau bei Blechteilen ist schockierend hoch: Türen 1500 Euro, Kotflügel 900 Euro, hintere Radläufe 300 Euro ...

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Marktlage Noch nicht alle Tuning-Hütten der 80er haben ihre Spoiler abgeworfen – Bastel-Blüten bestimmen das aktuelle Ange­bot. Taucht ein originaler 1900er GT im Zustand 2 auf, kostet er etwa 13.000 bis 16.000 Euro. Rohstoff zum Restaurie­ren gibt's ab etwa 4000 Euro, aber rich­tig rentabel ist die Rettung nicht. Häu­fig angebotene Grenzfälle sind optisch originale GT mit stärkeren Motoren und modifizierten Fahrwerken. Über ihre zukünftige Wertentwicklung streiten sich die Gelehrten.

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Ein gut restaurierter GT ist immer noch nicht richtig teuer – wer einen kriegen kann, macht nichts falsch. Günstiger Dollarkurs und niedrige Frachtkosten könnten auch die Suche auf dem US-Markt wieder attraktiv machen. Aber Geduld gehört mittlerweile dazu.

Von

Christian Steiger