"Sportlich, Leicht, Kurz", "Sahnig, Lecker, Kult", "Sonnig. Luftig. Klasse": Der SLK-Wortspiele sind viele. Sie passen auf den wuseligen Mercedes-Roadster ebenso wie auf Speiseeis oder Gartenparty. Und alle gehören zu einem herrlichen Sommer!
Bild: U. Sonntag
Sie gehören allesamt verwarnt, die lieben Kollegen. Zu wenig kritische Distanz zum Thema, meine Herren! "Der SLK ist ein Knitterfrei-sorgenlos-Winter-na-und?-Cabrio", notiert AUTO BILD-Kollege Joachim Staat anno 1999 ins Dauertest-Tagebuch des brillantsilbernen SLK 230 Kompressor. Er ist im AUTO BILD-Fuhrpark mindestens so begehrt wie ein auf der Zunge zartschmelzendes Eis an einem heißen Sommertag. "Sonnig. Luftig. Klasse. Kurzum: SLK." So bringt Manfred Klangwald die Stimmung auf den Punkt. Dass nach 100.000 Kilometern außer Spesen praktisch nichts gewesen ist, wirkt angesichts von so viel Euphorie beinahe wie eine Randnotiz.
Die Dame von Welt fährt R 170. Nach der Modellpflege Anfang 2000 wirkt der SLK molliger und ist 15 Millimeter länger.
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Was Mercedes 1996 mit dem SLK wagt, wirkt auf die konservative Kundschaft so, als habe sich Kanzler Helmut Kohl entschlossen, auf seine alten Tage den Grünen beizutreten. Knallige Farben wie Yellowstonegelb oder Vivianitgrün, feuerrot abgesetzte Polster für ganz Mutige – Mercedes nennt sie "Scarlet" –, ein Sportlenkrad mit 38 Zentimeter Durchmesser, eine veritable Handbremse zwischen den Sitzen ... Die Liste ließe sich fortsetzen, und sie beweist: Der SLK wirft eherne Mercedes-Konventionen über Bord, als seien sie leere Cola-Dosen. Was die Stuttgarter auf 3995 Millimeter Länge – also im VW-Polo-Format – auf die Räder stellen, soll die Marke von jenem Image losketten, das sie bevorzugt mit graumelierten Hutträgern in Verbindung bringt. Die Idee, einen kleinen Roadster unter dem Arbeitstitel "SL-kurz" zu bauen, kommt schon im Sommer 1989 auf. Doch erst als Dieter Zetsche, heute Mercedes-Boss, 1992 Entwicklungschef in Stuttgart wird, wird das Projekt wieder richtig vorangetrieben. Das Design steht schon 1993. Entworfen hat es Michael Mauer, später oberster Stylist bei Porsche. Er scheut sich nicht davor, bei der Mercedes-Legende schlechthin zu klauen: dem 300 SL. Die beiden Erhebungen in der Motorhaube, neudeutsch "Powerdomes" genannt, zieren schon den Ahnen. Mit ihm teilt sich der SLK übrigens auch den Radstand von 2400 Millimetern.
82.557,20 Mark kostete dieser SLK 200 Kompressor im Oktober 2000. Das Windschott war Serie, es wird an den Überrollbügeln befestigt.
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Dass die Versuchsträger und Prototypen rund 1,8 Millionen Testkilometer abgespult haben, merkt man dem SLK noch heute an. Er wirkt so verwindungssteif wie ein Eisenbarren und giert nach Kurven wie ein Haken schlagender Hase auf der Flucht – vor allem, wenn eines der beiden Vierzylinder-Kompressor-Triebwerke unter der Haube steckt. Dass die blasse Buchhalter-C-Klasse der Baureihe W 202 die technische Basis bildet, garniert mit der standfesten Bremsanlage aus der E-Klasse W 210, merkt der Fahrer allenfalls an der indirekten Lenkung. Dafür verblüffen ihn die serienmäßigen Schaltgetriebe mit einer Präzision, auf die man bei Mercedes bislang vergeblich gewartet hat. Wer auf bassiges V6-Grummeln oder heiseres Kompressor-Fauchen keinen Wert legt, wird auch mit dem Zweiliter-Basis-Sauger glücklich. Der Clou des SLK ist ohnehin sein Metallklappdach. Mercedes hat es zwar nicht erfunden, aber wieder salonfähig gemacht. Die im Werksjargon "Variodach" genannte Kapuze wird elektrohydraulisch in den Kofferraum gefaltet. Ein Knopfdruck genügt anno 1996, um auf jedem Parkplatz einen Menschenauflauf zu provozieren, als gäbe der Papst eine Autogrammstunde. Fünf Hydraulikzylinder und bis zu 200 Bar Druck sind für den spektakulären Striptease zuständig, der den SLK binnen 25 Sekunden vom Coupé in einen Roadster verwandelt.
Das war mal ganz mutig: schrille Farben, weiße Instrumenten-Zifferblätter. Die A-Säulen bestehen aus hochfestem Stahl.
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Die ingeniöse Form der Entblätterung zeigt aber auch, wie nah wir mit dem SLK der automobilen Gegenwart kommen. Er ist ein durch und durch modernes Auto, kein Klassiker für Schrauber, die mit ölverschmierten Fingern und Tüftlerstolz an ihren Blech-Lieblingen werkeln und die Zündkontakte noch mit der Fühlerlehre einstellen können. Schon der Ur-200er von 1996 verfügt unter anderem serienmäßig über Fahrer- und Beifahrerairbag, Gurtstraffer, ABS, elektronische Kindersitzerkennung im Beifahrersitz und ein Reifendichtmittel statt eines Ersatzrads. Eine über den Zigarettenanzünder angeschlossene Pumpe hat im Notfall die Puste zum Wieder-Aufblasen. Nach der Modellpflege 2000 gibt es neben optischen Retuschen auch die Anti-Schleuder-Elektronik ESP, Seitenairbags und ein Onboard-Diagnosesystem ab Werk. Mit neu abgestimmten Stoßdämpfern werden zudem die Einfederwege um fünf Millimeter verringert. So schmiegt sich der SLK noch dichter an den Asphalt. Über eines sollten Sie sich also im Klaren sein, liebe potenzielle SLK-Käufer: Der kleine Mercedes- Roadster ist nichts für verträumte Nostalgiker, die ihr Eis lieber aus einer zeitgenössischen Tiefkühltruhe der 1960er-Jahre als aus einem computergesteuerten Automaten der Gegenwart ziehen. Apropos Computer: Wie haltbar seine Elektrik und Elektronik auf die Dauer sind, muss sich erst noch erweisen. Die eingangs erwähnten Kollegen Staat und Klangwald mögen den SLK heute noch. Manfred Klangwald: "Den würde ich gern als Youngtimer fahren."
Technische Daten
Der moderne Zweiliter-Vierzylinder mit Kompressor-Aufladung zieht kräftig durch. Wichtig: eine lückenlose Wartungshistorie.
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Mercedes SLK 200 Kompressor Motor: Reihenvierzylinder, vorn längs, Kompressor mit Ladeluftkühlung • zwei obenliegende Nockenwellen, Antrieb über Duplexkette (Einlassnockenwelle verstellbar), vier Ventile pro Zylinder, elektronische Benzineinspritzung • Hubraum 1998 ccm • 120 kW (163 PS) bei 5300/min • max. Drehmoment 230 Nm von 2500 bis 4800/min Antrieb/Fahrwerk: Sechsgang-Schaltgetriebe (auf Wunsch Fünfstufenautomatik) • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn an Doppelquerlenkerachse, hinten Raumlenkerachse, vorn/hinten Schraubenfedern, Drehstab-Stabilisatoren, Gasdruck-Stoßdämpfer • Reifen (Serie) 205/60 R 15 91 V • Maße: Radstand 2400 mm • L/B/H 4010/1715/1274 mm • Leergewicht 1365 kg • Fahrleistungen: 0–100 km/h in 8,2 s • Spitze 223 km/h • Verbrauch 9,6 l/ 100 km • Neupreis: 60.088 Mark (2000).
Historie
Im April 1996 wird der SLK (Werkscode R 170) auf dem Turiner Salon vorgestellt, im Herbst kommt er auf den Markt. Von der ersten Version werden zwischen 1996 und 2000 genau 170.719 Exemplare produziert: 44.846 SLK 200 (136 PS), 12.353 SLK 200 Kompressor (192 PS; nur für Italien, Portugal und Griechenland) und 113.520 SLK 230 Kompressor (193 PS). Gebaut wird der SLK im Werk Bremen. Anfangs sind Lieferfristen bis zu zwei Jahren und hohe Preisaufschläge für Neuwagen die Regel. Wie die Entwicklung erfolgt auch die Montage mithilfe sogenannter Systemlieferanten. Der wichtigste ist Karmann in Osnabrück. Zwischen 2000 und 2004 steht die überarbeitete R-170-Version bei den Händlern. Sie sieht sportlicher aus, Technik und Ausstattung wurden verbessert, ESP und Sechsgangschaltung sind Serie. Basismodell ist nun der SLK 200 Kompressor (163 PS; 55.449 Stück). Der SLK 230 Kompressor leistet nun 197 PS (47.305 Stück). Neu ist der SLK 320 mit V6 und 218 PS (33.416 Stück). Auch eine AMG-Version ist lieferbar (SLK 32 AMG, 354 PS; 4333 Stück). Es folgen Generation zwei (R 171, bis 2011) und drei (R 172, seit 2011).
Plus/Minus
Kein verbasteltes Auto kaufen! Ein R 170 im Originalzustand mit lückenloser Wartungshistorie muss das Ziel sein.
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Der R 170 hat seine Klassiker-Karriere noch vor sich. Gute Exemplare fahren sich fast wie Neuwagen, aktive und passive Sicherheit inklusive. Das Metallklappdach macht den SLK ganzjahrestauglich. Elektronikdefekte, die ins Geld gehen, kommen (noch) kaum vor. Auch die Unterhaltskosten halten sich im Rahmen. Der SLK 200 Kompressor erfüllt zum Beispiel schon die Abgasnorm Euro 4. Mercedes-Werkstätten können den R 170 problemlos warten (große Inspektion mit Ölwechsel circa 500 Euro) und auch den Fehlerspeicher auslesen – wer einen R 170 kaufen will, sollte deshalb zuvor einen Abstecher dorthin machen. Rost ist selten ein Thema. Dennoch schadet es nicht, die vorderen Kotflügel, die Motorhaubenkante sowie den Bereich um Kofferraumschloss und Heckdeckel-Griffleiste zu kontrollieren. An Mittelkonsole und Seitenverkleidungen blättert manchmal der Softlack ab. Wichtig: Alle Knöpfe drücken – die elektrischen Helferlein müssen funktionieren, besonders der Dachmechanismus. Wer bei der Probefahrt geschlossen durch die Waschstraße fährt und danach in einem Feuchtbiotop sitzt, sollte den Schlüssel zurückgeben.
Ersatzteile
... gibt es bei Mercedes. Auch Reparatursätze sind verfügbar, etwa zum Abdichten der Nockenwellenverstellung (ca. 30 Euro, Modelle ab 2000 außer AMG). Am besten Plastikdeckel entfernen und nachschauen. Bei Lecks kann Öl ins Steuergerät gelangen.
Marktlage
Unverbastelte Ersthand-R 170 mit wenigen Kilometern sind noch gut zu finden. 6000 bis 8000 Euro kostet ein passabler SLK 200, das Topmodell mit V6 kann bis zu 15.000 Euro teuer sein. Dazwischen rangieren die beiden Kompressor-Versionen. Der SLK 32 AMG ist kostspieliger, um 20.000 Euro verlangen Verkäufer.
Empfehlung
Kein verbasteltes Auto kaufen! Ein R 170 im Originalzustand mit lückenloser Wartungshistorie muss das Ziel sein. Vom Kosten- Nutzen-Faktor her betrachtet sind SLK 200 Kompressor und SLK 230 Kompressor die beste Wahl. Sie erfreuen auch mit dem agilsten Handling. Dafür klingt die V6-Version schöner. Handschaltung oder Automatik? Das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Festzuhalten ist: Sehr viel billiger wird der R 170 nicht mehr!