Heute normal, vor 25 Jahren noch absolute Exoten: Sportlimousinen. Ab Werk getunt und mit Monster-Flügeln behängt, wurden aus Biedermännern echte Brüller: BMW M3 gegen Ford Sierra RS Cosworth und Mercedes 190 E 2.5-16 Evo II.
Mercedes 190: Er war der erste wirklich kleine Mercedes nach 1945. Keine fette Bonzen-Schaukel, sondern ein 4,43 Meter kurzes Auto. Aber keines so richtig fürs Herz. Das änderte sich schlagartig im Mai des Jahres 1984. Als Ayrton Senna auf einem 190-Vierventiler das Eröffnungsrennen des neuen Nürburgrings gewann. Das war die eigentliche Geburtsstunde der Sportlimousinen. Klar, Alfa Romeo und BMW hatten schon länger sportliche Mittelklassewagen gebaut. Aber mit dieser vom Werk extrem scharf gewürzten Limousine betrat Mercedes in der Großserie echtes Neuland. Ein halbes Jahr später stand der Zweipunktdrei-Strich-Sechzehn in den Schaufenstern. Mit 185 PS für 49.590 D-Mark. Zu verdanken haben wir dieses Kraftpaket dem Rennsport. Weil die Stuttgarter in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft mitmischen wollten, mussten sie ein entsprechendes Serienauto mindestens 5000-mal auf die Straße bringen.
Heckflügel als Statussymbol – die 80er-Jahre machten sie gesellschaftsfähig.Der 190er machte den Anfang, Ford folgte ein Jahr später mit dem Sierra, und BMW zog 1986 mit dem 3er nach. Anders als Mercedes mit einem Vierzylinder-Saugmotor entschied sich Ford für Zwangsbeatmung. Ein Turbolader blies dem kleinen Zweiliter-Vierzylinder-Vierventiler den Marsch, stattliche 204 PS ließen den Daimler hinterherhecheln. Aber auch sonst schoss die Kölner Kiste den Vogel ab. Der Heckflügel war ein Monster-Leitwerk, das so gar nicht zum üblichen Ford-Verständnis passte. Der Cossie schien einer Hinterhof-Werkstatt entsprungen – womit wir ihm tatsächlich unrecht tun. Denn was die britische Renn-Schmiede Cosworth aus Papas Sierra gemacht hatte, war ein echter Knaller.
Familienflitzer: $(LC1249227:M3 & Co. gegen Porsche 944)$
Trotz der höchsten Leistung kann der Mercedes den BMW und Ford nicht abschütteln.BMW steuerte auf Mercedes-Kurs (Vierzylinder-16V-Sauger), ging dem 3er aber stärker ans Blech. Die Kotflügel wurden rausgezogen, die Heckscheibe wurde flacher gestellt und ans Heck ein Flügel geschraubt. Der M3 war geboren – mit 200 (ohne Kat) beziehungsweise 195 PS fuhr er leistungsmäßig genau zwischen die beiden Rivalen. Jetzt sollte das Wettrüsten beginnen – auf der Straße für die Rennstrecke. 1988 konterte Mercedes mit mehr Hubraum und 195 PS (2.5-16), ein Jahr später legte BMW mit 215 PS nach, nachdem Ford bereits 1987 die Latte auf 224 PS (Cosworth RS 500) gelegt hatte. Den Schlusspunkt setzten Mercedes und BMW 1990 mit 235 (190 E 2.5-16 Evo II) beziehungsweise 238 PS (M3 Sport Evo). Faszinierende Autos in einer Zeit, als die gesamte Welt im Umbruch war. Abschied vom Kalten Krieg, Aufbruch in ein neues Zeitalter. Leistung lohnte sich, Verbrauch spielte keine Hauptrolle. Genießen Sie mit uns dreimal extrascharfes Geflügel der 80er: BMW M3, Ford Sierra RS Cosworth und Mercedes 190 E 2.5-16 Evo II.
Starke Charaktere sind alle drei Sportlimousinen. Um ihrem wahren Ich auf die Spur zu kommen, haben wir sie auf einer abgesperrten Rennstrecke verkostet. Völlig klar: Das letzte Quäntchen haben wir nicht rausgequetscht. Aus Ehrfurcht und Respekt den alten Meistern gegenüber. Die Alltagswertung spielt bei diesem Vergleich kaum eine Rolle. Wobei es auch hier Überraschungen gibt...
Spaßfaktor: Mit einer faustdicken Überraschung schiebt sich der Sierra zunächst an die Spitze. Nicht der Muskelprotz aus Stuttgart gewinnt die Sprintwertung, der Underdog aus Köln schlägt seine prominenten Rivalen. Der Mercedes ist zwar auf dem Papier der Stärkste, schleppt aber auch 138 Kílogramm mehr Gewicht mit sich herum. Beim Sound setzt sich der 190er stark in Szene. Der Vierzylinder klingt kernig, nach außen wie ein echter Rennmotor. Gänsehaut! Der M3 knurrt eher verhalten, schmeichelt dem Ohr aber mit heiserem Röcheln. Und der Ford mimt hier den Proll. Die Nachrüstanlage grollt mit tiefem Bass, wird auf Dauer aber nervig. Volle Punktzahl für das Klasse- Handling des 3er. Keiner ist so spielerisch zu dirigieren wie der BMW. Der Mercedes ist ähnlich souverän, aber nicht ganz so leichtfüßig. Anders Ford. Der Sierra liebt die Geradeausfahrt. Je schneller es geht, desto stärker saugt er sich auf der Bahn fest. In schnelle Kurven will er dagegen gezwungen werden. Die weiche Vorderachse treibt ihn immer erst nach außen.
Die Punktewertung macht den Mercedes zum Spaß-, den Ford zum Kuschel- und den BMW zum Gesamtsieger.Kuschelfaktor: Sportler üben Verzicht, stimmt. Aber unsere drei Kandidaten sind keine flachen Asphalt-Feilen. Die können mehr als nur heizen. Also Platz nehmen. BMW und Mercedes mit klasse Sport-Gestühl in der ersten Reihe, wo es auch nach Stunden nicht unbequem wird. Der Ford bietet ebenfalls sportliche Recaro-Möbel allererster Güte. Wie er überhaupt in diesem Kapitel glänzen kann. Und das liegt vor allem an der vergleichsweise weichen Federung. Trotz der nachgerüsteten 17-Zoll-Räder mit 215/245er-Bereifung federt der Sierra recht gut, schluckt die übelsten Löcher artig weg und bügelt auch kleinere Unebenheiten sauber aus. Etwas straffer fühlt sich der BMW an, ohne hart zu wirken. Seine Feder-Dämpfer-Abstimmung ist perfekt für den sportlichen Ritt, der auch eine sanfte Gangart beherrscht. Ganz anders der 190er. Sein Motto: keine Kompromisse. Du hast einen Sportwagen genommen, also lebe auch damit. Und dazu gehören Schläge ins Rückenmark. Kurios: Dieser Brutalo hat am meisten Platz, wenn mal die ganze Familie auf Tour gehen will. Von den zusätzlichen hinteren Türen ganz zu schweigen. Da muss sich niemand reinquälen. Neidfaktor: Was sagt uns der Anblick dieser drei Sportkanonen? Mercedes ist der herbe Exot mit Liebhaber-Wert, Ford der Aufschneider aus einer anderen Klasse und BMW die ehrliche Haut. Was sich auch in der Qualitätsbeurteilung niederschlägt. Der M3 wirkt wie aus einem Guss, die beiden anderen wie mit Botox behandelt. Der Evo immerhin sorgfältig gefertigt und konsequent auf Racing getrimmt, der Cosworth eher lieblos zusammengesteckt.
Fazit
von
Jürgen von Gosen
Drei Sportler, drei Charaktere: Der M3 ist das beste Allroundauto. Leicht zu fahren, schnell und sparsam. Der Evo II spricht dagegen den Sportler und Liebhaber an. Auf der Piste macht er am meisten Spaß. Für den Cossie spricht der Komfort. Er ist das perfekte Langstreckenauto.
Von
Jürgen von Gosen
Freches Geflügel: Sportlimousinen der 80er
1/38
Aus Biedermännern wurden in den 80ern plötzlich Brandstifter: Mercedes 190, BMW 3er und Ford Sierra wurden ab Werk fit gemacht für die Rennstrecke. Um ihrem wahren Ich auf die Spur zu kommen, haben wir den BMW M3, Mercedes 190 E 2.5-16 Evo II und Ford Sierra RS Cosworth auf einer abgesperrten Rennstrecke verkostet.
2/38
Faszinierende Autos in einer Zeit, als die gesamte Welt im Umbruch war. Abschied vom Kalten Krieg, Aufbruch in ein neues Zeitalter. Leistung lohnte sich, Verbrauch spielte keine Hauptrolle. Genießen Sie dreimal extrascharfes Geflügel der späten 80er-Jahre!
3/38
Der Sieg von Ayrton Senna auf einem Mercedes 190 E 2.3-16 beim Eröffnungsrennen des neuen Nürburgrings 1984 war die Geburtsstunde der Sportlimousinen. Mit einem Serien-190 hat der Evo II, nun mit 2.5-Liter-Motor mit Cosworth-Zylinderkopf, nichts zu tun. Er ist ein Flügel-Monster, das vor Kraft kaum fahren kann. Vollgepumpt mit Testosteron.
4/38
Aufgesetzte Verbreiterungen und einstellbarer Frontspoiler – der Mercedes lässt keinen Zweifel an seiner Bestimmung: Sein Revier ist die Rennpiste, aber auch den Weg dorthin scheut er nicht.
5/38
Zur tiefen Frontschürze und den breiten Kotflügeln gehört eine Theke auf dem Kofferraumdeckel. Nicht Show, sondern Abtrieb für mehr Anpressdruck war gefragt. Trotzdem: Wer im Evo II unterwegs ist, fällt auf.
6/38
Der Evo II sieht nicht nur gefährlich aus, er markiert tatsächlich das Ende der sportlichen Fahnenstange. 235 PS, ein knallhartes Fahrwerk und kaum Bodenfreiheit. Der ist für die Rennstrecke gemacht – und sonst gar nichts.
7/38
Das Fahrwerk hält den Evo II auf der Straße wie festgenagelt. Lastwechsel bringen ihn ebenso wenig aus der Ruhe wie schnelle Wechselkurven oder brutales Einbremsen.
8/38
500 Exemplare musste Mercedes bauen, um den Evo II im Rennsport einsetzen zu können. 109.440 D-Mark standen 1990 auf dem Preisschild – rund das Doppelte dessen, was die Konkurrenz für ihre "normalen" Sportler verlangte.
9/38
Die 18-Zöller von Carlsson sind nicht original. Ausgeliefert wurde der Evo II seinerzeit mit 17-Zoll-Rädern.
10/38
Lenkrad und Schaltung liegen perfekt zur Hand, doch das karge 190er-Cockpit mit nachgerüstetem Sportlenkrad lässt keine Rennatmosphäre aufkommen.
11/38
Der Evo II war etwas ganz Besonderes, und wird heute als Liebhaberstück entsprechend hoch gehandelt (bis zu 50.000 Euro, je nach Zustand). Auch wenn er noch so sehr auf Macho macht, das Fahren ist ein Klacks. Die Recarositze passen wie angegossen.
12/38
Die Fünfgangschaltung passt weniger zum sportlichen Anspruch: Die Gänge sind zwar gut abgestimmt, aber die Bedienung ist hakelig wie so oft damals bei Mercedes. Der erste Gang liegt wie bei einem Sportler üblich hinten links.
13/38
Die zweite Ausbaustufe des 2,5-Liter-Vierventilers leistet 235 PS und dreht über 7000 Touren. Das Schönste dabei ist der gierige Sound – als käme er direkt von der Rennpiste.
14/38
Eine Mittelklasse von Ford auf dem Siegertreppchen ganz oben? Das ist heute undenkbar. Umso mehr sollten wir den Hut ziehen, dass Ford in den 80er-Jahren den Mut gehabt hat, den Sierra zum Sportgerät zu machen.
15/38
Der Ford Sierra RS Cosworth war alles andere als niedlich, als er im März 1986 auf die Menschheit losgelassen wurde. Von Fords Sportschmiede Special Vehicle Operations (SVO) entwickelt, wurde er für die Straße homologiert, um auf der Rennstrecke abräumen zu können.
16/38
Der Cossie war der erste Ford, der offiziell den Beinamen "Cosworth" trug. Das bedeutete: Aluminium-Köpfe aus der damals neu gegründeten Cosworth-Gießerei in Worcester, Zusammenbau der Motoren in einer nagelneuen Cosworth-Produktionshalle in Wellingborough.
17/38
Bei schneller Kurvenfahrt stößt das weiche Fahrwerk an seine Grenzen. Der Normalfahrer quält sich mit dem starken Untersteuern herum. Wirklich genießen lässt sich der Cossie besser auf der Autobahn. Da schnürt er phantastisch voran, saugt jeden Kilometer gierig auf.
18/38
Auf den ersten Blick zu erkennen: Der Cosworth-Schriftzug entlarvt den stärksten Sierra. In sieben Sekunden ist der Cossie auf Tempo 100. Maximal sind 240 km/h drin.
19/38
Trotz der nachgerüsteten 17-Zoll-Räder mit Mischbereifung (215/40 ZR 17 vorn/245/35 ZR 17 hinten) federt der Sierra recht ordentlich, schluckt die übelsten Löcher artig weg und bügelt auch kleinere Unebenheiten sauber aus.
20/38
Und dann ist da natürlich noch dieses enorme Teil von einem Heckflügel, das beim Spitzentempo von 240 km/h tatsächlich für 20 Kilogramm Abtrieb sorgt. 1986 durfte man seine Leistung eben noch ziemlich unverblümt zur Schau stellen.
21/38
Das trostlose Cockpit ist bis auf das Dreispeichen-Lenkrad original Basis-Sierra. Und leider nicht sehr sorgfältig verarbeitet.
22/38
Einfacher Kunststoff dominiert, grob gefertigt, lieblos zusammengesteckt. Große Spaltmaße, speckige Oberflächen und billige Schalter sind ...
23/38
... für ein Auto, das damals 48.420 Mark gekostet hat, eine Enttäuschung. Immerhin: Die Recaros und die knackige Fünfgangschaltung von Borg-Warner erfüllen höchste Sport-Ansprüche.
24/38
Wo der Cossie außen dick aufträgt, hält er sich innen zurück, die Sierra-Serie wirkt doch arg schütter. Wird der Ford schnell durch die Kurven getrieben, bieten die Schraubstock-Sitze von Recaro viel Halt.
25/38
Unter der Haube wird es bunt. Die blauen Schläuche und Leitungen sind nicht original, bringen ein wenig Abwechslung ins triste Schwarz. Der Garrett-Turbolader bläst mit 0,7 Bar in die Vierventilköpfe aus Aluminium. Die Domstrebe vor der Spritzwand verbessert die Steifigkeit des Vorderwagens.
26/38
BMW ging dem 3er stärker ans Blech. Da macht jeder dicke Backen. Selbst heute noch. Wie der M3 um die Ecken flitzt, das ist eine Schau für sich. Weil er sich so gar nichts anmerken lässt, jagt er dich jedes Mal ins Bockshorn.
27/38
Die Optik mit den betonten Radausschnitten war damals ein echter Knaller – heute wirkt der sportlichste 3er eher zahm. Wobei hinter der aufgeblasenen Karosserie mehr steckt als reines Geltungsbedürfnis.
28/38
Der 2,3-Liter-Vierzylinder stammt direkt aus dem Rennsport, ist ein Ableger des Formel-1-Motors, mit dem Nelson Piquet 1983 Weltmeister wurde. Merkmale: extrem kompakte Bauweise, digitale Motorelektronik, Einzeldrossel-Anlage und Fächerkrümmer.
29/38
Ein kurzer Lupfer am Gas, und das Heck drehte sich ganz leicht ein. Wunderbar zu kontrollieren, die Lenkung sehr direkt und feinfühlig. Der gehorcht aufs Wort, nimmt auch kleine Schlenker nicht krumm.
30/38
Völlig unspektakulär schnell sein – das kann der BMW M3 wie kein Zweiter. Den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h absolviert der M3 in 7,3 Sekunden. Der Bremsweg von 38 Metern ist auch heute noch ein guter Wert.
31/38
Kotflügel, Heckdeckel, Spoiler und Stoßfänger sind zwecks Gewichtsersparnis aus Kunststoff, Front- und Heckscheibe für mehr Steifigkeit mit der Karosserie verklebt. Ergebnis: Der M3 wiegt rund 1300 Kilogramm.
32/38
Der M3 fühlt sich straff an, ohne hart zu wirken. Seine Feder-Dämpfer-Abstimmung ist perfekt für den sportlichen Ritt, der auch eine sanfte Gangart beherrscht.
33/38
Das Cockpit mit sportlichem Dreispeichen-Lenkrad wirkt nüchtern, ist aber übersichtlich und funktionell, die Mittelkonsole BMW-typisch zum Fahrer geneigt.
34/38
Stolze 59.800 D-Mark verlangt BMW beim Marktstart 1986 für die Straßenversion des M3 (inklusive Katalysator) – fast 20.000 D-Mark mehr als das bisherige Topmodell 325i mit 170 PS. Dafür gibt es eine üppige Serienausstattung inklusive teurem ABS.
35/38
Nur wer M3 wirklich hart rannimmt, mag über das Serienfahrwerk mäkeln: zu weich. Aber genau das ist ja auch seine Stärke. Er taugt für den Alltag, schlägt dir nicht mit der ganzen Federhärte ins Kreuz. Die Sportsitze sind bequem und geben in Kurven guten Halt.
36/38
Der Motor hängt wunderbar am Gas, dreht munter hoch. Die Schaltung – mit dem ersten Gang links hinten – ist etwas störrisch, will mit Nachdruck geführt werden. Aber das ist das einzige Manko beim schnellen Fahren mit dem M3.
37/38
Der Motor des M3 sieht gierig aus und ist auch technisch eine Delikatesse. Vier Ventile pro Zylinder, Einzeldrosselanlage, Fächerkrümmer und Drehzahlen bis über 7000/min – akustisch kommt dennoch weniger Freude auf, der Sound ist eher dünn.
38/38
Das Ergebnis: Der M3 ist das beste Allroundauto. Leicht zu fahren, schnell und sparsam. Der Evo II spricht dagegen den Sportler und Liebhaber an. Auf der Piste macht er am meisten Spaß. Für den Cossie spricht der Komfort. Er ist das perfekte Langstreckenauto. Heckflügel als Statussymbol – die 80er Jahre machten sie gesellschaftsfähig.