Georg Heintz war 73, als er sich noch mal richtig was gönnte: einen nagelneuen Opel Ascona. Keinen 1.3er-Zweitürer, sondern das volle Programm. Den damals dicksten Motor mit 100 PS, das Dauer-Sondermodell "Touring" mit Velourspolstern, dicken Teppichen, Türtaschen, Stereo-Kassettenradio und breite 185er Reifen. Das wären schon mal rund 22.000 Mark gewesen.
Großzügig kreuzte er noch an: Automatik (1662 Mark), Servolenkung (1100 Mark), Metalliclack in Beryllgrün (Farbcode E 345, 492 Mark), Zentralverriegelung (371 Mark), und an den 25 Mark fürs abschließbare Handschuhfach sollte es auch nicht scheitern.
Ausgeblichene Stoßfänger, eine Tausch-Tür ohne Stoßleiste, grundierter Radlauf, Beulen, Rost mitten auf der Fahrertür. Retten oder schlachten?
Bild: Roman Rätzke

Musste Georg Heintz die große Anschaffung vor sich selbst rechtfertigen? Fiel der übliche Satz "Das ist ja auch mein letztes Auto"? Wie stolz war er auf seinen Wagen? Ich weiß es nicht, ich habe Heintz – Jahrgang 1912 – nie kennengelernt. Sicher ist nur: Im April 1986 übergab das Autohaus Gandlgruber in München-Schwabing den Neuwagen mit dem Kennzeichen M-H 5970.

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100-PS-Ascona zum Kaufpreis von 150 Euro

29 Jahre und 104.776 Kilometer später war er rostig, rattig, runtergeritten. Das typische Leben eines Vernunftautos: Irgendwann ist er durch, keiner will ihn mehr, und dann ist es nur vernünftig, den treuen Wagen in die Presse zu schieben. Zwei unvernünftige Menschen kamen dazwischen: Besitzer Stephan Tismer, der es nicht übers Herz brachte und ihn sogar verschenkt hätte. Und ich, der Tismer gut verstand. Komm, Stephan, hier hast du 150 Euro, und ich kümmere mich. Für das Geld gibt es nicht mal eine Nacht im Luxushotel!
Mein Plan: das bemitleidenswerte Auto preisgünstig aufzumöbeln und mir selbst und der Welt zu zeigen, wie wenig Geld man für einen Oldtimer mit H-Kennzeichen aufwenden muss. Aber erst mal hatte ich diese Rockerkarre. Wenn man sonst meist im Erstlack unterwegs ist, in Oldtimern oder geliehenen Neuwagen – was für ein rebellischer Spaß ist es, mit rostiger Tür und schlackernder Antenne durch die Gegend zu braten! Anarchischer Gedanke: "Wenn ich dem da jetzt die Vorfahrt nehme, bremst er bestimmt, denn er sieht ja, dass mir ein Blechschaden egal wäre." Würde ich nie tun. Aber ich könnte.
Zustand 2015: Zubehör-Lederlenkrad ohne Hupe, Kabel baumelten aus dem leeren Radioschacht.
Bild: Roman Rätzke

Erst habe ich meinen Ascona den "Stuhl" genannt. Sie kennen das: Wenn man sich in eine Limousine setzt, geben Sitzpolster und Federn ein bisschen nach, wie ein gemütlicher Sessel. Nicht mein Opel Ascona. Er ist beim Einsteigen hart wie ein Holzstuhl. Mag zum Teil am durchgesessenen Sitz liegen.

Sauber konstruierter Opel

Die Oberseite der Medaille ist aber: Mit straffer Federung und einigermaßen exakter Lenkung geht der C-Ascona – Frontantrieb hin oder her – überraschend vergnüglich um die Ecke. Stand nicht einmal im Lastenheft der Entwickler, er sollte nur vernünftig sein. Wie sehr er das ist, fällt heute erst so richtig auf. Dirk Branke, Jan Horn und die anderen Kollegen von AUTO BILD, die täglich Neuwagen testen, sind begeistert. Damals lag der Ascona meistens knapp hinterm Passat, aber jetzt, im Vergleich mit neuen Autos, trumpft er auf: leicht, schmal, effizient, übersichtlich, langstreckentauglich. Ein sauber konstruiertes Ingenieurauto.
Zustand heute: originales Lenkrad, zeitgenössisches Radio, reparierte Kunststoff-Oberflächen.
Bild: Christoph Börries

Der Ascona und seine damaligen Konkurrenten sind der Gegenentwurf zu, sagen wir mal, Nissan Juke oder dem Toyota C-HR von heute. Mit verspieltem Styling und der Missachtung von Praxisnutzen machen sie weiter, wo der Cadillac Eldorado Biarritz 1959 aufgehört hat. Das macht den damals eher faden Ascona C wieder aufregend.
Jedenfalls ist völlig klar, warum junge Leute eine so geradlinige Kiste mit großen Fenstern, DIN-Radioschacht und linear hochdrehendem Saugmotor als Oldtimer empfinden, auch wenn wir im mittleren Alter uns noch schwertun. Dauerhaft beeindrucken mich aber weder der 510 Liter große Kofferraum noch die billigen Kunststoffe des Ascona C, sondern die Menschen, die ich durch ihn kennengelernt oder besser kennengelernt habe. Der Vorbesitzer; der unglaubliche Kollege Lars Busemann, dem ich für Hilfe und Reparaturen unendlich dankbar bin.

Dieses Auto verkörpert die Oldtimerei

Mir fehlt es gewiss nicht an Oldtimer-Erfahrung, und ich habe noch zwei etabliertere Klassiker, aber auf halbem Weg vom runtergerittenen zum H-tauglichen Ascona kam ich nicht weiter, es fehlten Zeit und Schraub-Erfahrung. Lars half mir da raus.
Inzwischen sind die Roststellen geschweißt, die hintere Tür trägt wieder Stoßleiste, und der Ascona hat ein H-Kennzeichen.

Bild: Sven Krieger

Und dann die Jungs und Mädels von der Ascona-C-Gruppe, die mich irgendwann besuchen kamen und jederzeit mit Tipps und Teilen helfen. Ich beschäftige mich gern auch allein mit Autos, aber das, scheint mir, ist die Essenz der Oldtimerei oder überhaupt aller Gemeinschaftshobbys: zusammen das tun, was einen begeistert, und Freunde finden. Wenn man dabei Kulturgut erhält und Fahrspaß hat: umso besser. Und mit Geld hat das fast gar nichts zu tun.
Traumwagen? Ich fand den Ascona C immer gut, aber geträumt habe ich nicht von ihm. Erst auf dem Weg zum Kauf fielen mir die Tagträume meiner Studienzeit ein: Wie es wohl wäre, statt eines guten Gebrauchten eine olle Schraddelkiste zu haben, auf die man nicht achtgeben müsste. Es ist, das weiß ich jetzt: entspannt und lustig. Inzwischen ist der Ascona so gut, dass ich doch auf ihn achtgebe. Noch etwas habe ich gelernt: Es ist nicht am wichtigsten, welches Auto du hast, sondern mit welchen Menschen du das Hobby teilst.