Klassiker von 1990
Der Foto-Trabi von 1989 stammt aus der Vorserie, trägt noch Blechstoßstangen statt klobigen Plastiks.
Vor genau 25 Jahren schlug Deutschlands vielleicht glücklichste Stunde mit dem formellen Akt der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Wir forschen nach, wie es den Auto-Neuheiten des Vereinigungsjahres 1990 heute geht. Seltsame Gemeinsamkeit dieser fünf Modelle: Bei jedem ist zusammengewachsen, was ursprünglich nicht zusammengehört.

Trabant mit Polo-Herz

Im Jahr der Wiedervereinigung schlägt im sozialistischen Trabant plötzlich das Herz eines Kapitalisten. Anstelle des zweitaktenden 601 wurde seit 1990 der "1.1" montiert, mit einem Vier­taktmotor vom VW Polo. Der Ersatz des Sozialisten-Herzens durch das eines Kapitalisten war eine Notlösung, die die politische Notwendigkeit gebar. Sie war in Sum­me aber teurer als ein komplett neu konstruiertes Auto und dazu komplett unausgereift.

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Die coolsten Autos der 90er-Jahre
Mit der Wende war das Auto plötzlich unver­käuflich. Mancher Trabi-Fan ver­schmäht den 1.1er noch heute. Wo der 601 veraltet war, aber in sich stimmig, ist der Viertakter moderner, aber zusammen­gestückelt und unfertig. Auf dem Platz hinterm Steuer zeigen sich die Probleme: Links drückt die überbreite A-Säule, rechts schmiegt sich der Schalthebel ans Knie, und beim Gasgeben schubbert der rechte Fuß langsam ein Loch in den Filzteppich des Schalttunnels: Das Schaltgestänge ist hakeliger als in fast jedem anderen Auto; der erste Gang geht oft nur rein, wenn vor­her der zweite eingelegt wurde. Es ist aber nicht alles schlecht: Im Leerlauf ist der Viertakter leise wie ein Polo. Die Dämmung ist zweifellos gut. Das Leerlaufrütteln des Zweitakters kennt der Viertakter nicht. Dafür vibriert bei Höchstgeschwindigkeit einfach al­les. Das hohe Gewicht auf der Vor­derachse lässt außerdem die Len­kung eckig wirken.Und während sich das linke Bein auch im fortschrittlichsten aller Du­roplast-Begleiter am Radkasten stört, wird klar: Er ist ein echter Trabi.

Besserwessi: Mercedes 500 E

Klassiker von 1990
Das Design des 500 E war elegant, kühl und selbstsicher bis zur Arroganz.
Im Wiedervereinigungsjahr genügte es nicht, 134.520 Mark für den Mercedes 500 E auf den Tisch des Händlers zu blät­tern. Nach der Bestellung konnten schlimmstenfalls vier Jahre vergehen, bis die Stuttgarter lieferten. Wie "Feuer und Seide", sei er, schrieb Mercedes stolz auf den ersten 500-E-Prospekt: Der "Esprit aus dem Motorsport" verbinde sich hier auf faszinierende Weise mit dem "Geist traditioneller Qualität". Die Stärke des 500 E macht tatsächlich einen erheblichen Reiz des Autos aus, das sich keinen Aerodynamik-Schnickschnack ankleben ließ. Nur die um 28 Millimeter breiteren Kotflügel verraten dem Kenner, dass hier aufwendige Technik unter dem Blech steckt. Es ist heute noch beeindruckend, wie souverän der Motor des 500 E ist; wie schnell er beschleunigt und wie satt er bei hohem Tempo geradeaus läuft, wie kultiviert er sich durch schnelle Kurven zirkeln lässt. Er ist fein ausbalanciert, auch weil bei ihm die Batterie im Heck platziert ist. Tempo ist sein Thema, Hektik und Härte sind es nicht. Hier hält der Schwabe dis­tinguierten Abstand zu seinen Konkurrenten. Die beantworten die gleiche Frage ganz anders, der BMW M5 zum Beispiel, der am liebsten kurvige Bergstrecken abhetzt. Der komfortable 500 E dagegen gibt sich als ultimativer Kilometersauger auf den Autobahnen, die just zum Jahresbeginn 1990 auch im Osten nicht mehr auf Tempo 100 reglementiert waren.

Grenz-Verletzer: VW Golf Country

Die Autos der deutschen Einheit
"Stelzengolf", "Kinder Country": Die Liste seiner Spott-Namen war lang wie die Mauer.
1990 ist die Idee zum Golf Country schon zwei Jahre alt. Die hatte Ernst Fiala, damals Volkswagen-Entwick­lungsvorstand. Die Modellgren­zen begannen bereits um 1980 aufzuweichen. Stichworte: AMC Eagle, Matra­Simca Rancho. Fiala ließ das keine Ruhe. Es dauerte zwar noch ein wenig, aber im Frühjahr 1988 ging dann alles ziemlich schnell: "Es brauchte ganze sechs Monate, um den Golf Country auf die Beine zu stellen." Auf die 18 Zentimeter verlängerten, um genau zu sein. Ein Klacks für Ingenieure wie Fiala, ein Grauen für die Design-Abteilung. "Das war für uns eine Katastrophe", erinnert sich einer von damals. "Der Country sah aus, als hätte man mit einem Kran die Karosserie nach oben gehievt, und das Fahrwerk wäre unten liegen geblieben." Schwarz gähnen die riesigen, ver­dammt leeren Radkästen, denen man mit überdimensionalen Radlaufverkleidungen und einem massiven Unterfahrschutz an der Front stilistisch beizukommen versucht. Bis zu 42.000 Mark teuer floppt der Golf Country. Statt 15.000 verkauft VW zwischen April 1990 und Dezember 1991 nur rund die Hälfte davon.

Wende-Verlierer: Toyota Land Cruiser J8

Die Autos der deutschen Einheit
15-Zoll-Räder, üppige Bodenfreiheit, 2,26 Tonnen Leergewicht, der J8 ist eine imposante Erscheinung.
Der J8 "Station Wagon" ist eins der Modelle, die den Nimbus von der Unzer­störbarkeit eines Toyota zementierten. Gleichzeitig konnten Globetrotter mit die­sem Geländewagen ab 1990 schon höchst bequem um den Globus trotten. Der J8 ist der erste Land Cruiser mit permanentem Allradantrieb, dazu hat er schraubenge­federte Starrachsen rundum mit langen Federwegen und großer Verschränkung fürs Gelände. Mit den stampfenden Ach­sen animiert er dazu, übers Land zu cruisen. Der 4,2-Liter-Turbo­diesel mit 167 PS hat bereits Direkteinspritzung und ist überraschend sparsam: zwölf Liter pro 100 Kilometer, wenn man sinnig fährt. Der Abenteurer jubelt über zwei Schalter im Cockpit: einen Druckknopf, um das Mitteldifferenzial, und einen Drehknopf, um die beiden Querdifferenziale zu sperren. Der Toyota ist damit geländetauglich wie ein Mercedes G-Modell, aus deutscher Sicht das Urmeter dieser Disziplin. Für heutige Verhältnisse be­sitzt der Land Cruiser allerdings einen beachtlichen Rußauswurf. Das Wort Feinstaub klingt zu harmlos. Berlin, Hannover, oder Plei­delsheim mit ihren Umweltzonen sind für diesen Noch-nicht-Oldtimer kaum zu er­reichen; gut 3000 Euro kostet ein Nach­rüstsatz mit Kat und Rußfilter, der immer­hin auch die rußgeschwängerte Steuerlast von 1578 Euro pro Jahr verringert.

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Jahrestag der Deutschen Einheit: Die Autos der DDR
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Das sind die Autos der DDR

Betonkopf: Aston Martin Virage Volante

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Unterm Alu-Kleid des Aston Martin Virage steckt Technik von vorgestern.
Kurz vor 1990 übernimmt der große Ford-Konzern die kleine, stets am Rand des Un­tergangs lavierende Sportwagenmarke Aston Martin und verordnet ihr den Aufbruch. Eine Revolution findet jedoch nicht statt. Allenfalls eine vorsich­tige Öffnung. Das 1988 vorgestellte Luxuscoupé Virage, dem 1990 ein Cabrio namens Vo­lante folgt, steht auf einer Uralt-Plattform aus den 60ern; für etwas Moderneres fehlt Aston Martin das Geld. Auch den von Motoren-Guru Tadek Marek konstruierten Achtzylinder holen die Briten aus der Mottenkiste. Chrysler liefert die Automatik zu, Audi die Frontscheinwerfer (vom 200), Porsche die vorderen Blinker (944). Die Rückleuchten leihen sich die Engländer beim VW Scirocco, Knöpfe und Schalter klauben sie im Ford-Regal zusammen. In Deutschland kostet der britische Sonderling über 370.000 Mark. Absurd viel Geld für ein Auto, das sich fährt wie ein Kit Car de luxe. 5,3 Liter Hubraum wecken zwar hohe Erwartungen. Doch von den 310 Pfer­den des V8 vergaloppieren sich gefühlt rund 50 im Ölsumpf des Dreh­momentwandlers. Kurven mag er nicht besonders, obwohl sein französischer Name genau das bedeutet. Obwohl der Innenraum mit sorgfältig vernähtem Leder tapeziert und großflächig mit Nussbaumholz getäfelt ist, fällt es schwer, den hohen Preis allein mit der ebenso liebevollen wie zeitaufwendigen Manufakturherstellung zu rechtfertigen. Die Quittung kommt früh. Kurz nachdem die ersten Bestellungen abgearbeitet sind, wird der Virage zum Ladenhüter. Der Volante bleibt mit 233 Exemplaren sogar seltener als ein BMW 507. Trotzdem hält Aston Martin den Anachronismus bis zum Millennium am Leben. Traditionen pflegen die Briten notfalls bis zum bitteren Ende.

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25 Jahre Deutsche Einheit: Klassiker von 1990