Der BMW E24 lässt seinen Besitzer aussehen wie jemand, der angekommen ist, aber noch nicht satt und träge. Er sprengt nicht jedes Portemonnaie, fährt sich wie ein junger Gebrauchter und taugt auch im Jahr 2013 als schnelles Reisecoupé. Ist dieser Bracq-Entwurf der perfekte Youngtimer?
Bild: K.-U. Knoth
Den BMW 6er zu beschreiben, ohne "dynamisch" und "zeitlos" zu sagen, so lautet meine Aufgabe. Ein Leichtes, scheinbar. Das rosa Phrasenschweinchen grinst sich einen auf meinem Schreibtisch. Doch ich probiere es trotzdem. Lassen Sie jetzt bitte zunächst den idealen BMW vor Ihrem geistigen Auge vorbeifahren: Einen Reihensechszylinder muss er haben, da gibt es kein Wenn und Aber. Eine schnittige, aber vom Zeitgeschmack unbeeindruckte Linie, selbstverständlich. Vielleicht müsste er sogar ein Coupé sein, damit gleich klar ist, dass der Wagen nicht als nüchterner Gebrauchsgegenstand durch den Alltag schleift. Und Kurven muss er mögen, ganz wichtig.
Es braucht kein M vor der Sechs, um dem Charisma der Baureihe E24 zu verfallen. Den Beweis liefert dieser 628 CSi, Baujahr 1983.
Bild: K.-U. Knoth
So, mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit sieht der BMW Ihrer Träume dem alpinweißen 6er auf diesen Bildern dann gar nicht so unähnlich. Entgegen dem allgemeinen Irrglauben, dass nur mehr tatsächlich mehr ist, braucht es kein M vor der Sechs, um dem Charisma der Baureihe E24 zu verfallen. Den Beweis liefert unser Ersthand-Fotoauto: ein 628 CSi, Baujahr 1983, mit Dreistufenautomatik, ohne Plastikkante am Heck, dafür mit kirschroter Lederausstattung und 184 Einspritzer-PS, genug für über 200 Spitze. Der jungfräuliche Lackton unterstreicht die schneidige Silhouette des Coupés. Der 6er, Bayerns elegantester Gran Turismo der 70er, ist ein BMW reinsten Bracq-Wassers. Um sagen zu können, dass er sogar der faszinierendste BMW seines Jahrzehnts sei, müsste ich Ihnen allerdings den sagenhaften Mittelmotor-Keil M1 verschweigen; dessen famosen Doppelnocker M88 packte BMW später als Antwort auf den Mercedes 450 SLC 5.0 ungezähmt unter die 6er-Haube. 90.000 Mark kostete der M 635 CSi, 286 PS stark, mit 250 km/h Topspeed Deutschlands schnellster Viersitzer. Doch bevor das Radio noch "Careless Whisper" von Wham! spielt, wie 1984, als der Liter Benzin 1,34 Mark kostete, versuche ich herauszufinden, warum ich den 6er bis heute nicht als Klassiker wahrnehme.
Front und Heck des 6ers nahmen das Design des zwei Jahre später erschienenen 7ers vorweg.
Bild: K.-U. Knoth
Paul Bracq, der dem Mercedes SL einst das Pagodendach aufsetzte, schuf den 6er, indem er dem 5er (E12) einen feinen Smoking überzog. Gepfeilt, mit filigranen Dachsäulen und tief ausgeschnittenen Fensterflächen – ästhetisch jedoch diskussionswürdig wegen der langen Karosserieüberhänge. Weil Mode vergänglich ist, verzichtet der frühe, schlichte 6er darauf. Der Unterschied zum unvergänglichen Dirndl auf der Wiesn: Das von der Blechnase bis zum Kofferraum unterkühlte Design des 6ers lässt mich frösteln. Sie finden nicht, dass der E24 heute fast zehn Jahre jünger aussieht, als er wirklich ist? Blicken Sie doch einfach mal seinem Nachfolger E31 in die Schlafaugen. Klar, der mega-progressive Claus-Luthe-Entwurf war ein käuflicher Hightech- Versuchsträger, aber zeitlos? Ups, macht sechs Euro fünfunddreißig für die Sau. Klimper, klimper. Genug philosophiert, Sie wollen wissen, wie sich so ein 6er fährt. Um die Freude daran geht es schließlich bei einem BMW, auch im Jahr 2013. Ich falle ins lichtdurchflutete, luftige Innere auf die bequemen Ledersessel, die Türen schließen mit einem satten "Plopp". Die Mittelkonsole ist im E24 zum Fahrer hin geneigt, ein ergonomieförderndes Detail, das BMW noch lange für alle Baureihen beibehält. Das "Check-Control-System" klingt nach zweifelhafter Kreditwürdigkeit, informiert aber tatsächlich über Öl- und Wasserstand, Bremsenverschleiß, Front- und Rücklichtfunktion. Die psychedelisch illuminierten Uhren stünden auch einem Jet ganz gut.
Die Mittelkonsole ist im E24 zum Fahrer hin geneigt, ein ergonomieförderndes Detail, das BMW noch lange für alle Baureihen beibehält.
Bild: K.-U. Knoth
Der 628 CSi löste 1979 den 630 CS ab, der noch den Vergasermotor des 3.0 CS (E9) unter seiner Haube hatte. Unser Fotomodell ist einer von nur 5951 gebauten 628, womit der Einstiegs-6er fast so selten ist wie der Überflieger M635 CSi. Schon so ein Kleiner reicht, um zu erfahren, wie weit die Bayern den Schwaben damals in Sachen Laufkultur voraus waren. Sehnig dreht der Sechszylinder hoch, trotz Bosch J-Jetronic ein BMW-Aggregat alter Schule und in Sachen Vibrationsarmut damals die Messlatte. Seine ganze Kraft von 184 PS gibt er bei 5800 Touren an die selbstschaltende Dreistufenbox ab, schon davor summt er bei erhöhter Spritzufuhr seine Ode an die Leistung. Selten kommt im 628 CSi der Wunsch nach den 100 M-wie-mehr-PS auf, auch wenn er in jeder engen Kurve unsere Neugierde weckt: Wie fix die wohl im Rückspiegel eines handgeschalteten 635 CSi verschwunden wäre? Leichtfüßig nimmt der anderthalb Tonnen schwere BMW jeden Richtungswechsel in Angriff. Der 6er ist die Ballerina unter den Großcoupés auf diesen Seiten, die Landstraße sein Schwanensee. Auch wenn er meist in Händen geschäftsreisender Freiberufler über die Autobahnen der Republik ballerte. Es war ja auch so einfach.
Der M30-Motor ist bereits in der kleinsten Hubraumvariante ausreichend dynamisch.
Bild: K.-U. Knoth
Ein 6er fährt sich heute gefühlt wie ein zehnjähriger Gebrauchter, nicht wie ein Auto fürs Museum. Sie merken: Hier liegt das eigentliche Geheimnis seiner scheinbar ewigen Jugend. Die Dynamik, mit der er auch heute noch ... ach, Mist. Klimper, Versuch gescheitert. Frust. Nun, Sie sehen: Der 6er erfüllt auch dieses typische BMW-Klischee. Nicht zuletzt deshalb spricht kaum etwas dagegen, einen E24 heute noch im Alltag zu fahren. Zumal der 6er ohne M in gutem Zustand so viel – oder wenig – kostet wie ein nackter Peugeot 208. Gut, vielleicht hat ein knallgelber Ford Capri 3.0 derselben Epoche mehr Seventies-Flair. Doch gerade die lässigen Typen wussten es zu schätzen, dass die Coolness beim 6er mehr so im Subtext mitschwingt. Typen wie Otti Fischer, der sich als "Bulle von Tölz" 69 Episoden lang aus einem schwarzen 635 CSi hievte. Oder Moritz Bleibtreu und Lucas Gregorowicz, die als Pizza backende Grasdealer in der Kiffer-Komödie "Lammbock" die nie gestellte Frage nach dem Fassungsvermögen des 6er-Kofferraums beantworteten: ein zugedröhnter BKA-Ermittler, ein betäubter Jäger und 20 Kilogramm Marihuana. Praktisch ist er also auch noch.
Historie
Der E24 zeigt seine Blechnase erstmals 1976 in Genf. Chefstylist Paul Bracq hatte weitere, wesentlich progressivere 6er-Designs in seiner Schublade, mit verdeckten Hinterrädern und Fließheck, dem Citroën SM nicht unähnlich. Doch dafür war die Zeit bei BMW noch nicht reif. Der E24 macht Schluss mit dem Barock früherer BMW Großcoupés, ohne mit der Tradition des Hauses zu brechen, der klassische Hofmeister-Knick in der C-Säule ist nur ein Beweis dafür. Den Anfang machen 630 CS (185 PS) und 633 CSi (197 PS), sie kosten ab 40.600 Mark. 1978 steht der 635 CSi als 218 PS starkes Topmodell für 50.000 Mark in der Liste. 1979 ersetzt der 628i den 630 CS. Die Krönung kommt 1983 in Form des M635 CSi mit der Maschine des Mittelmotor-Renners M1, 286 PS stark, 250 km/h schnell und 90.000 Mark teuer. BMW baut den 6er ganze 13 Jahre, länger als jedes andere Modell, und hält das Coupé dabei immer auf dem Stand der Technik. So gibt es ab 1983 einen geregelten Katalysator auf Wunsch, zwei Jahre später bekommt jeder neue E24 serienmäßig ABS. Erst im April 1989 rollt im BMW-Werk Dingolfing der Letzte von 86.113 E24 vom Band.
Technische Daten
Der Fotowagen ist einer von nur 5951 gebauten 628, womit der Einstiegs-6er fast so selten ist wie der Überflieger M635 CSi.
Bild: K.-U. Knoth
BMW 628 CSi Motor: Reihensechszylinder, vorn längs, wassergekühlt • eine oben liegende Nockenwelle, über Kette angetrieben, zwei Ventile pro Zylinder, Bosch L-Jetronic • Hubraum 2788 ccm • Leistung 135 kW (184 PS) bei 5800/min • max. Drehmoment 235 Nm bei 4400/min • Antrieb/Fahrwerk: Dreistufenautomatik • Hinterradantrieb • Einzelradaufhängung, vorn an McPherson- Federbeinen, Teleskop-Stoßdämpfer, Drehstab-Stabilisator; hinten mit Schräglenkern, Federbeinen, Schraubenfedern, Teleskop-Stoßdämpfern, Drehstab-Stabilisator • Reifen 195/70 VR 14 • Maße: Radstand 2626 mm • Länge/Breite/ Höhe 4755/1725/1365 mm • Leergewicht 1475 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 8,9 s • Spitze 208 km/h • Verbrauch 12 l Super pro 100 km • Neupreis: 47.800 Mark (1981).
Plus/Minus
Ein BMW 5er mit dem autoritären Habitus eines 7ers, diskret und unterkühlt, nicht zuletzt deswegen auch begehrenswert: Heute gehört das alterslose Bracq-Coupé zur Sorte nicht nostalgischer Klassiker, die alles können. Es sieht gut aus, fährt sich viel frischer, als es ist, und taugt mit guten Fahrleistungen und unkomplizierter Technik zum stilvollen Alltagsklassiker für den Sommer. Auch weil Ersatzteile nicht die Welt kosten und die Reihensechszylinder, je nach Umgang, in der Regel robust sind. Bedenken Sie, dass noch längst nicht alle 6er das H-Kennzeichen tragen dürfen und späte Kat-lose Fahrzeuge einen satten Steueraufschlag mit sich bringen. Rost ist beim E24 ein Thema: Kotflügel, Federbeindome, Radläufe, Endspitzen und Türunterkanten können gammeln. Finger weg von Tuning-Exemplaren, die taugen nicht als Wertanlage! Top-Autos kosten bereits richtig Geld.
Ersatzteile
Seine Wartungsfreundlichkeit gehört zu den großen Stärken des 6ers. Im Prinzip können Sie Ihren E24 in jeder vertrauenswürdigen Hinterhofwerkstatt abgeben. Die Kosten bleiben im Rahmen, solange die Elektronik keinen Ärger macht. Ein Paar Bremsscheiben für den 628 CSi kosten rund 50 Euro, Zierleisten zwischen 60 und 80 Euro, ein Luftmengenmesser für einen 635 CSi rund 300 Euro, eine Benzinpumpe 200 Euro. Karosserie- und Ausstattungsteile schwemmt der Markt regelmäßig auf Ebay an, da lässt sich eine grundierte Motorhaube für unter 100 Euro schießen.
Marktlage
Bereits für unter 10.000 Euro sollte sich ein brauchbarer 628 CSi mit seriöser Historie auftreiben lassen. Nach oben hin knacken die Top-Modelle 635 CSi und M635 CSi bereits die 20.000-Euro-Marke. Dazwischen ist fast alles möglich. Die Notierungen im Preisspiegel gelten für den 628 CSi.
Empfehlung
Geschmackssache. Ein früher, spoilerloser 633 CSi in Resedagrün transportiert am meisten 70er-Jahre-Flair. Die Lust auf Leistung befriedigt das Kraftmodell 635 CSi, als Kat-Modell unsere Empfehlung für den Alltag. Top-Wertanlage dagegen: der M635 CSi. Im Zweifel gilt: Das bessere Auto kaufen (das oft, aber nicht immer das teurere ist). Kaufentscheidend sollte nicht die Wunschfarbe oder das elektrische Schiebedach sein, sondern eine nachvollziehbare Vorgeschichte.