Klassiker mit Katastrophen-Image
Zicken von katastrophal bis zähmbar

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Keine Angst vor kapriziösen Klassikern, oder berechtigte Panik vor Kostenfallen? Hier die Wahrheit über sieben reizvolle Oldies mit Problem-Image.
Es gibt betörende Autos, die kaum jemanden kalt lassen, denen aber ein Katastrophen-Image anhaftet. Bei denen folgt auf den Genuss sofort die Reue, könnte man denken. Zu solchen Autos gehören Alfa Romeo Montreal, Citroën SM und Jaguar XJ12. Als kapriziös gelten auch Lancia Delta Integrale, Matra-Simca Bagheera, Mercedes 300 SE und NSU Ro 80. Alles Klassiker fürs spannende Wochenendvergnügen. Autos, die in dem Ruf stehen, dem Besitzer den letzten Euro aus dem Portemonnaie zu saugen. Deren Besitzer riskieren alles - auch den wirtschaftlichen Totalverlust, könnte man denken. Tun sie es wirklich? Hier der Faktencheck.
Citroën SM - zumindest der Plan war perfekt

Citroën SM: Einzigartige Verbindung aus schnittiger 2+2 Karosserie, Maserati-Motor und Hydropneumatik.
Verlässlichkeit sieht anders aus
Zu einer Zeit, als VW Käfer und Opel Kadett B in der Blüte standen, gab es so viel am SM zu bewundern. Die mitlenkenden Lampen hinter breiter Glasfront etwa oder die sensible, geschwindigkeitsabhängige Servolenkung, extrem direkt ausgelegt und auch im Stand selbst zurückstellend. Als überragend wurden Komfort und Geradeauslauf beurteilt, Tempo 220 machte den SM zum schnellsten Fronttriebler der Welt. Die Form sorgte für Aufsehen und die ausgereifte Hydropneumatik für überlegene Fahrwerkqualitäten. Aber der Maserati-Sechszylinder, ausgerechnet, litt am falschen Umgang und mangelnder Modellpflege. Rau und rasselnd lief der Leichtmetallmotor. Wurde das Triebwerk nicht sanft warm gefahren und penibel gewartet, kam der kapitale Motorschaden noch vor der 50.000-km-Marke. Obwohl er noch immer in der Preis- und Leistungsklasse von Porsche und Mercedes-Benz-Coupés spielt, ist der Citroën ein GT für Genießer und Ästheten geblieben, die nicht nach einem Alltags-Klassiker, sondern einem Gesamtkunstwerk suchen und es als solches akzeptieren. Einfach nur fahren? Welch ein bezaubernder Irrtum.
Matra-Simca Bagheera - vorn auch zu dritt

Matra-Simca Bagheera: Spaciges Kunststoffkleid über simpler Simca-Technik.
Herrlich schräge Zukunftsmusik
Der Bagheera sah schnittig aus, umtoste seine Insassen mit Tweed und Plüsch, und wem nicht bereits die ansehnlichen Fahrleistungen des Kunststoff-Keils (Spitze: 185 Sachen, 0–100 km/h in zwölf Sekunden) sowie der Fahrtwind (dies durchaus auch bei geschlossenen Türen) ein seliges Lächeln ins Antlitz schnitzte, der wurde spätestens durch das halluzinogene Design des Interieurs benebelt. Apropos schwindlig: Selbst preislich konnte der Bagheera mit Porsche 914 und Alfa GT Junior mithalten, 14.200 Mark kostete der Mittelmotor-Beau 1973. Die Bürde als Träger der "Silbernen Zitrone" dese ADAC wurde der Bagheera nie los, nicht zu unrecht. Auch bei all seinen Zicken, der Bagheera ist ein erschreckend faszinierendes Sportcoupé der 70er- Jahre, aber jedes Exemplar birgt Stolperfallen.
Mercedes-Benz 300 SE (W112) - die "Königsflosse"

Mercedes-Benz 300 SE (W 112): Mehr Mercedes geht nicht. Adenauer-Motor, Luftfederung und neue Automatik.
Reparaturkosten auf Niveau des 300 SL
Beim Beschleunigen hebt sich der Stern samt der mächtigen Haube, damit und die Welt an den Seitenscheiben vorbeiwitscht. Es bleiben kurze Momente der Überlegenheit im 300 SE, die einem Aufwand gegenüberstehen, der beinahe auf dem Niveau eines Flügeltürers liegt. Erleidet der sensible Motor einen Lagerschaden kostet die Reparatur rund 25.000 Euro und damit so viel wie ein 220 SEb im Zustand 2. Während es für den so gut wie alle Ersatzteile ohne Probleme gibt, finden sie sich für den 300er nicht nur schwerer, sondern auch nur zu höheren Preisen. Offiziell empfehlen wir den 220 SEb, weil er kaum etwas schlechter kann, aber das viel günstiger. Doch zugleich jubeln wir all jenen zu, die sich den zickigen 300 SE trauen.
Lancia Delta Integrale - unglaublicher Fahrspaß

Lancia Delta Integrale: Martini 6 heißt dieses Sondermodell zur Feier des 6. WM-Titels 1992.
Gute Wartung ist elementar
Doch ein Integrale taugt nicht als Kindergarten-Zubringer. Es sei denn, man hat die Zeit bis zum Abholen frei. Und eine feine, kleine Bergstrecke vor der Tür. Wer das heute so über ein paar Tausend Kilometer im Jahr treibt, dabei die Wartungsintervalle einhält und nicht ständig Vollgas gibt, wird den Spaß genießen. Sofern er nicht vergisst, den Motor nach jedem heißen Ritt ein paar Minuten im Stand laufen zu lassen, bis der Turbo sich auf Wohlfühl-Temperatur abgekühlt hat. Und, ach ja, die Delta-Elektrik leidet unter schlechtem Masse-Anschluss. Italienisch eben, geschenkt. Muss man halt einmal machen. Sogar der Rost ist kein großes Problem. Sammler lieben die deutlich verbesserten Evo-Modelle ab 1991. Wer aufs Budget achtet, findet seinen Spaß auch mit den frühen, etwas weicheren Modellen. Genügend Geld sollte jedoch bei jedem Trip dabei sein: Kostverächter sind die Integrale nicht. Je nach Gasfuß setzen sie locker bis zu 20 Liter auf 100 Kilometer um. Kenner und Könner werden glücklich mit der Diva. Richtig glücklich.
Alfa Romeo Montreal - charismatischer V8
Doch, ja. Man sollte dieses Auto nur rückwärts in die Garage fahren. Öffnet sich das Tor später zu einer Ausfahrt, schaut der Montreal durch seine halb geschlossenen Lider so lasziv wie Brigitte Bardot. Wenn die Türen mit unerwarteter Schwere ins Schloss gefallen sind und der kleine Zündschlüssel die zwei Benzinpumpen zu hell summendem Leben erweckt hat, dauert es nur noch wenige Sekunden, bis die Kontrollleuchte genügend Benzindruck signalisiert. Nun Feuer frei - und rauschend und fauchend springt der Kurzhuber an. Der 2,6-Liter V8 zieht aus Leerlaufdrehzahl sauber hoch, legt bei 4500 Umdrehungen noch einmal eine Schippe nach und macht mit heißem Atem gierig weiter.
Elegante Form, krüsche Technik
Den größten Spaß macht dieser nur 4,2 Meter lange 2+2-Sitzer aus der Feder von Bertone-Chefdesigner Marcello Gandini (Vater auch des Lancia Stratos und von Lamborghini Miura und Countach) beim entspannten Reisen. Der Montreal zelebriert zwar mit Details wie Türgriffen oder Lenkradhebeln die in Vergessenheit geratene Kunst, Bauteile filigran und zugleich funktional und ästhetisch zu gestalten. Andererseits nährt es mit wirr angeordneten Instrumenten und seiner wenig wartungsfreundlichen Bauart das Bild vom großen Wurf mit wenig Überblick. Schon damals gab es nur wenige Werkstätten, die sich einem kranken Montreal gewachsen fühlten. Heute sind es noch weniger Spezialisten. Manche Reparaturen können zu Ohnmachtsanfällen führen. Beispiel: Bremsbeläge und -scheiben rundum inklusive Montage verschlingen rund 2000 Euro. Der Montreal – eine Diva? Ja, denn der braucht sachkundige Pflege und ist teuer bei Wartung und Reparaturen. Zur verständlichen Liebe zum Alfa sollte sich ebenso viel Geld auf dem Konto gesellen.
NSU Ro 80 - Pionier mit Wankelmotor

NSU RO 80: Die von Claus Luthe gezeichnete Karosserie sieht immer noch jung aus.
Hervorragender Reisewagen
Dafür geht er mit diversen Macken in die Autogeschichte ein. Es gibt anfangs Probleme mit den Dichtleisten, Glühzündungen stören, Motoren überhitzen, qualmen und bleiben im Leerlauf stehen. Da NSU aber gleich ab Serienstart eine Motor-Garantie von 30.000 Kilometern oder 18 Monaten gibt, dreimal so viel wie damals üblich, entstehen den meisten Kunden keine materiellen Schäden. Eine weitere Störquelle heißt: Zündung. Sie ist kompliziert einzustellen und verschleißanfällig. Immerhin zeigt der Ro 80 auch heute noch, wie weit er seiner Zeit voraus war. Auf den Schlüsseldreh surrt der Motor los, die Halbautomatik startet ruckfrei, das Dreiganggetriebe lässt sich butterweich und präzise schalten. Bei guter Einstellung trennt der Kupplungskontakt im Schalthebel den Kraftfluss, ohne zu ruckeln. Schon im Stadtverkehr passt der dritte Gang, 1600 Touren meldet der Drehzahlmesser, geduldig und elastisch rotieren die beiden Scheiben in ihren Gehäusen. Der Ro 80 taugt zum Reisen, zum Cruisen. Und für ein langes Leben. Denn die Quote der Überlebenden ist hoch: Von 37.402 gebauten Ro 80 sind weltweit immer noch rund 3000 Exemplare unterwegs. Unsere Empfehlung: Teuer und gut kaufen, ist meist besser als billig einsteigen und viel restaurieren. Die Technik ist das geringere Problem, das größere das Blech. Das macht den Ro 80 fast schon wieder zu einem ganz normalen Auto.
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