Französischlehrer fuhren den Renault 16, weil er kein Opel Rekord und so intellektuell war. Vollbärtige Väter mit Hang zu Gitanes-Zigaretten fuhren ihn, weil er kein VW 1600 Variant und trotzdem so praktisch war. Ingenieure fuhren ihn, weil er kein Ford, BMW, Mercedes oder sonst was Etabliertes, aber ein so gut gemachtes Auto war. Sie alle fuhren ihn, weil er oppositionell im gesellschaftsfähigen Ausmaß war. Ein Impulsgeber, der die Genialität des im Renault 4 verwirklichten Kleinwagen-Konzepts – Vorderradantrieb, große Heckklappe, variabler Innenraum – in die Mittelklasse geholt hatte. 1965 zeigte Renault in Genf stolz sein jüngstes Kind; es war so praktisch und doch so spannend. Erste Entwürfe zur Rückkehr Renaults in die lange vernachlässigte Mittelklasse datierten von 1958, Ghia dachte mit einer Studie vor, was die eigenen Designer brillant zu Ende brachten.
Renault 16 TX
Die Löcher im Lenkrad sind nur Maskerade.
Befreit von Konventionen, stellten sie ein Fließheck-Fahrzeug mit fünfter Tür auf die Räder – das hatte sich im klassischen Limousinen-Segment noch keiner getraut. Um 15 Zentimeter ließ sich die Rückbank verschieben, die Wohnlandschaft in sieben Positionen arretieren. Zugunsten des Kofferraums hatte Renault auf Drehstabfederung gesetzt und die Torsionsstäbe hintereinander liegend angeordnet, damit auf der Ladefläche keine Radkästen störten. Deswegen besaß der R16 auf der Fahrerseite einen sechs Zentimeter längeren Radstand, und links war auch die Stoßstangenecke eben 60 Millimeter länger. Versteifende Falze zu beiden Seiten des Pagoden-Dachs gaben der Karosserie zusätzliche Stabilität, die breite Kerbe in der Motorhaube sorgte für ein typisches Gesicht.
Renault 16 TX
Die Lenkradschaltung blieb dem R 16 bis zum Ende erhalten.
Komfortabel gab er sich, wie Samt und Seide schlich der R 16 über grobe Bodenwellen. Auf Lenkradschaltung, sie blieb der Baureihe 15 Jahre lang erhalten, wollten sie bei Renault dann aber doch nicht verzichten. Eineinhalb Meter Schaltgestänge schoben sich vorbei am Motor zum davor angeordneten Getriebe. Schon die 55-PS-Basis-Variante Renault 16 L war mit fast 150 km/h flott unterwegs, was an der ausgefeilten Aerodynamik der Karosserie lag, die in 15 Jahren nur minimale Änderungen erfuhr. 1974 debütierte das luxuriöse Topmodell der Baureihe, der 166 km/h schnelle TX mit 93 PS und Fünfganggetriebe. Das langhubige Leichtmetall-Aggregat (1647 cm3) war auch in den Alpine-Sportwagen oder im Heck des Lotus Europa zu finden. Zu sehen war das Triebwerk allerdings nicht, lag es doch unter der weiten Haube noch hinter Getriebe und unter Luftfilter, Ersatzrad sowie Lichtmaschine verborgen. Bis Januar 1980 hielt der Renault 16 dank seiner treuen Anhängerschaft durch, dann erklärte Renault die französische Revolution nach 1,84 Millionen Exemplaren für beendet.

Technische Daten

Renault 16 TX Vier Zylinder, Reihe • Hubraum 1647 cmÍ • 68 kW (93 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment 129 Nm bei 4000/min • Fünfganggetriebe • Vorderradantrieb • Scheibenbremsen vo, Trommelbremsen hi. • Reifen 155 SR 14 • L/B/H 4257/1628/1450 mm • Radstand 2650/2710 mm (rechts/links) • Einzelradaufhängung an doppelten Querlenkern vorn, an Längslenkern hinten • Leergewicht 1010 kg • Beschleunigung 0–100 km/h in 13,3 s • Spitze 166 km/h • Verbrauch 8,6 l Normal/100 km • Neupreis (1974) 13.650 Mark

Historie

Der 1965 präsentierte Renault 16 L leistet 55 PS (1470 cm3), 1968 folgt der besser ausgestattete TS mit 83 PS (1565 cm3), 1970 der TA mit 67 PS und Automatik. 1971 erhält der R 16 rechteckige Rückleuchten und eine schwarze Blende unter der Heckklappe. 1974 kommt das Topmodell TX mit 93 PS (1647 cm3), 1975 wird die Front mit einem Kühlergrill aus schwarzem Kunststoff modernisiert. Ab 1977 nur noch TX und TA lieferbar. Gesamtstückzahl: 1.846.459.

Plus/Minus

Wohl nirgendwo gibt es so viel technische Innovation, Alltagstauglichkeit, Komfort und Nutzwert in einem klassischen Auto für so kleines Geld. Aber: Das Auto des Jahres 1965 hat in Deutschland keiner auf der Rechnung, das Angebot und die Szene sind leider recht klein. Die meisten der in Deutschland zugelassenen Renault 16 holte der Rost, bevor sie zehn Jahre alt waren. Neuralgische Stellen sind durchgefaulte Schließbleche an der C-Säule, Seitenschweller sowie die Aufnahmen der Achsschwingen. Der Zustand dieser tragenden Teile entscheidet über Wohl und Wehe, dafür ist die Technik umso robuster und erreicht Laufleistungen von über 200.000 Kilometern.

Marktlage

Renault 16 TX
Auf der sicheren Seite: Die Motorhaube ist abschließbar.
Noch die größte Auswahl an Autos wartet in Frankreich und Holland auf den potenziellen Käufer. Die schwächeren Typen sind weniger gefragt, der R 16 TX ist das gesuchteste Modell der Baureihe und hält auch heute noch souverän im Alltag mit. Ein perfekter Renault 16 TX kostet hierzulande 6000 bis 8000 Euro, seltene Optionen wie die sehr luxuriöse und edle Lederausstattung oder das elektrische Schiebedach kosten natürlich einen Zuschlag, lassen die Passagiere aber auch gleich eine Klasse höher fahren.

Ersatzteile

Ersatz für viele Karosserie- und Technikteile ist verfügbar, am besten in Frankreich und in Holland. Dort ist die Fangemeinde größer, dieTeileversorgung besser. Neue vordere Kotflügel oder Lenkräder sind jedoch überall rar, Bleche sind recht schwer zu beschaffen. An Motoren und Technikkomponenten ist sehr viel einfacher heranzukommen, einiges kann dank des Baukasten-Systems auch von anderen Renault (R 17, R 20) übernommen werden.

Empfehlung

Ganz klar: Wer einen Franzosen-Klassiker sucht, der nicht Citroën DS heißen soll, ist beim R 16 richtig. Ein Image-Auto ist er nicht, das Schrägheck erinnert zu sehr an Kleinwagen, aber dafür ist er günstig zu haben und zu unterhalten. Favorit ist der kraftvolle R 16 TX, der zeitgemäße Leistung mit viel französischem Komfort und Ausstattung verbindet. Die frühen Typen sind uriger, noch authentischer und für alle Renault 16 gilt: Billiger werden sie nicht.