Sie sollten ein Farbtupfer werden zwischen all den Trabis und Wartburgs: 10.000 VW Golf 1, in Wolfsburg in nur drei Werktagen produziert, wurden 1978 aus der Bundesrepublik in die DDR geliefert – zwei Drittel nach Ostberlin, dem "Schaufenster" des Arbeiter- und Bauernstaates. Der Basis-Golf light (nur 808 Kilogramm schwer) mit 50 PS war wenig luxuriös, den in der DDR gefertigten Fahrzeugen dennoch technisch überlegen.

Belohnung für VEB-Arbeiter der DDR

DDR-Golf: Klassiker des Tages
Einer der wenigen "überlebenden" DDR-Gölfe steht bei VW in Wolfsburg – mit Original-Länderkennzeichen.
Bild: Volkswagen AG
Die neuen Gölfe sollten für DDR-Bürger das erste Westauto werden. Aber nur für einige, denn ein Exemplar der Import-Gölfe war sündhaft teuer – je nach Motor und Ausstattung 27.000 bis 31.500 Ostmark. Das war gängige Praxis im Osten: Die politische Führung schöpfte bei begehrten Konsumgütern durch überhöhte Preise Kaufkraft ab. Zudem war das Auto nicht für jeden zu haben. Eine Anmeldung beim staatlichen Autohandel, dem VEB IFA-Betrieb, reichte nicht aus. Die DDR-Führung sorgte für eine Auswahl der potenziellen Käufer: vorrangig Arbeiter in volkseigenen Betrieben. Doch der Absatz stockte, vielen war das Auto schlicht zu teuer. Oder aber sie trieb die Sorge um, im Bedarfsfall keinen Werkstatttermin und keine Ersatzteile zu bekommen. Und so wurde tatsächlich schon im Februar 1978 der Preis für den VW DDR-Golf um 10.000 Ostmark gesenkt – offenbar auch als Reaktion auf massive Proteste von Werktätigen beim Partei- und Staatsapparat.

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Gegenleistung: ein Planetarium und Blechpressen

Die Lieferung war ein Tauschgeschäft zwischen dem VW-Konzern und dem VE Außenhandel Transportmaschinen Export und Import in Ost-Berlin. Die Wolfsburger erhofften sich Zugang zu einem neuen Markt, die DDR-Führung unter Erich Honecker strebte "eine Art Konsumsozialismus an, der auch im Angebot eine gewisse Attraktivität zeigen sollte", wie der Potsdamer Historiker André Steiner der "FAZ" sagte. Sie beglich die eigentlich fälligen 80 Millionen in einem Kompensationsgeschäft mit Blechpressen, Werkzeugmaschinen und sogar einem Planetarium vom VEB Carl Zeiss Jena. Hartnäckigen Gerüchten zufolge sollen auch Naturalien wie Dresdner Stollen und Thüringer Bratwürste für die Wolfsburger Kantine zum Geschäft dazugehört haben. DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski schlug sogar vor, eine Lizenz zum Pkw-Bau bei VW zu beantragen, doch daraus wurde nichts.

DDR-Golf als Magerversion

Der DDR-Golf kam als zweitüriger Benziner (günstiger) und viertüriger Diesel (teurer) in den Osten, jeweils mit 50 PS. Die Farben klangen nach großer, weiter Welt: Manilagrün, Miamiblau, Panamabraun, Dakotabeige und Malagarot. Und er war "magersüchtig", wie AUTO BILD 2010 in einem restrospektiven Vergleich mit dem Wartburg 353 schrieb: Bleche und Scheiben extradünn, Türen wie aus Pappmaschee, Blinker- und Scheibenwischerhebel rückseitig hohl. Das Raumangebot war mäßig, der Kofferraum (350 Liter) deutlich kleiner als der des Wartburg (525 l). Doch das Lebensgefühl im ersten Golf war nicht übel. Hell, luftig, fröhlich, sympathisch provisorisch. Elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung, Klimaanlage wurden nicht vermisst. Und der kleine 1,1-l-Vierzylinder-Viertaktmotor war erstaunlich spritzig, das Fahrverhalten recht griffig.

Vermutlich nur eine Handvoll Überlebende

Wie viele der DDR-Gölfe 30 Jahre nach Mauerfall noch existieren, ist schwer zu eruieren. "Wir haben darüber keine Erkenntnisse. Es dürften nur noch eine Handvoll sein", sagte Dieter Landenberger, Leiter der Abteilung Heritage bei Volkswagen. Hier gibt es mehr als 1000 Golf-1-Klassiker!