Wir würden ja gern zur Zeitreise starten. Geht aber nicht. Nicht mal mit einem VW Käfer Cabriolet von 1955, das die fünfziger Jahre so typisch wiederaufleben lässt, wie seine Fans gern sagen. Doch Hamburgs Stadtverkehr ist an diesem Freitagnachmittag kein Hort der Nostalgie, sondern Realität in hochauflösender Echtzeit. Der Verkehr um uns herum dröhnt lauter als der Boxermotor, hinter uns drückt ein schuhschachteliger VW Up, und vor uns tänzelt ein Mercedes, der wie ein Hyundai aussieht. Wenigstens ist der Käfer auch als Cabrio das, was er ist: ehrlich, nein, anständig, ein Auto für jeden. Eines, das schon nach wenigen Metern klarmacht, dass es eigentlich in jede Garage gehört. Jeder Knopf, jede Chromleiste macht glücklich – schon weil man nichts anstellt, wenn man einfach mal dran dreht oder zieht. Im schlimmsten Fall können die Scheinwerfer aufleuchten oder die Scheibenwischer Rumba tanzen.
VW Käfer 1200 Cabriolet
Der Frischluft-Käfer lief beim Osnabrücker Großkarossier Karmann vom Band – bis 1955 ganze 25.800-mal.
Bild: C. Bittmann
Für sie errechnete VW 1953 stolz einen verbesserten Wischwinkel und erhöhte nebenbei auch noch das Drehmoment des Schweibenwischermotors. Große kleine Schritte, "um den Vorsprung in der Entwicklung zu halten und um Fahrleistung und Wirtschaftlichkeit immer weiter zu steigern", wie VW-Chef Heinrich Nordhoff 1953 erklärte. Ein Jahr später stieg die Motorleistung um 6 auf 30 PS. Mitten in der Verkehrs-Anarchie der Großstadt reichen die auch heute noch aus. Sagen wir einfach, dass sich nicht viel verändert hat, seit die Verkehrsplaner der 50er in romantischer Verklärung neue Parkraumsysteme und Mobilitätskonzepte studierten. Denn Parkplatznot und Käfer gibt es auch in Hamburg noch immer. Durch und durch bürgerlich und doch besonders sein – das will dieser VW, und er zeigt es offen: Ein Cabrio, das ist damals wie heute purer Luxus. In den frühen Fünfzigern kaufen es Leute, die sein wollen wie ihr Auto: gerade noch vernünftig, aber ein kleines bisschen luxuriös. Der offene Karmann-Ghia erschien erst 1957 und wurde nach und nach zum ersten Erfolg der Wolfsburger in der gehobenen Klasse. Dem Absatz des Käfer Cabrios schadet er dabei nicht.

Wirtschaftswunder-Wagen: Die deutschen Autos der 50er-Jahre  

VW Käfer 1200 Cabriolet
Die Eleganz des offenen Käfers liegt in seiner Eigenständigkeit: Auch den Scheibenrahmen baut Karmann selbst. Frischluft gibt es dahinter genug.
Bild: C. Bittmann
Lange sollte es Volkswagen nicht mehr so gut gehen. Denn noch gab es keine Zweifel an Nordhoffs Entscheidungen als VW-Chef, auch keine am einzigen Pkw des Hauses, dem Käfer, der mit ovalem Heckfenster seinen formalen Höhepunkt erreicht hat. "Es ist heute noch weit mehr als früher die objektiv großartigste Konzentration technischer Ideen und verbissener Arbeit, die sich je in 710 Kilogramm Metall und 1192 Kubikzentimeter Zylinderinhalt niedergeschlagen hat", meinte der ausnahmsweise mal milde gestimmte "Spiegel" 1955 in einem Sonderdruck aus Anlass des einmillionsten Käfers. Als Cabrio wäre der Käfer ebenfalls ein würdiger Millionär gewesen. Doch der Frischluft-Käfer lief nicht in Wolfsburg vom Band, sondern bei Osnabrücks Großkarossier Karmann – bis 1955 ganze 25.800-mal. Das scheint zwar wenig, doch mit 6500 Mark (gegenüber 4850 DM für eine Export-Limousine) war er nicht eben billig. Auch, weil er mehr als nur ein simpler Blech-Aufschnitt war. Die Karmann-Männer sprachen von 5000 Arbeitsstunden, die sie 1949 in seine Entwicklung gesteckt hatten. Nicht zu vergessen, dass 1950 die Korea-Krise auch Osnabrück erreichte und in ganz Europa kein Tiefziehblech mehr zu kriegen war. Wilhelm Karmann schrieb an Wohlstands-Minister Ludwig Erhard persönlich und drohte mit dem Verlust von 1100 Arbeitsplätzen. Erhard verhindert die Krise, Karmann lebte noch fast 60 Jahre weiter, der offene Käfer wurde zum Dauerauftrag bis 1980.
VW Käfer 1200 Cabriolet
Das Armaturenbrett hatte es 1953 noch kurzzeitig im Brezelkäfer gegeben, bevor der Ovali es zu einem seiner Gattungsmerkmale machte.
Bild: C. Bittmann
Wer 1955 in seinem Ovali-Cabrio fuhr, hört nicht nur, wie das Lüfterrad des 30-PS-Motors jault, wie der Einrohr-Auspuff die Straße ansäuselt und die Diagonalreifen übers Kopfsteinpflaster hüpfen. Zuweilen, wenn der Käfer-Eigner auch noch den immensen Aufpreis für ein Autoradio aufgebracht hatte, tönten auch mal deutscher Schlager aus der Mitte des Armaturenbretts, wie jenes Lied von Caterina Valente, dessen Titel diesem Artikel als Überschrift dient – passender geht's nicht. Doch nicht jeder reiste damals, Cabrio hin oder her, gleich an den Gardasee. Graubrot-Schnittchen und eine Autopartie zum Nordseestrand lagen vielen Deutschen näher. Am allernächsten waren Käfer-Fahrern die neu erbauten Kathedralen der Arbeitswelt, denn Feierabend war bis in die 60er-Jahre erst am Samstagmittag, und ein Jahresurlaub von zwölf Tagen galt ebenso wenig als skandalös wie 45 Wochenarbeitsstunden. Der Hamburger Großmarkt, der oben in unserem Titelbild als Kulisse dient, sieht mit seiner wellenförmigen Sichtbeton-Fassade neuzeitlich aus, ist aber ein Relikt dieser freizeitarmen Epoche. Gut, das Leben tobt hier morgens, am Freitagnachmittag ist kaum etwas los. Doch der Sichtbeton-Bau hat mit dem Käfer nicht nur den Kreis als stilistisches Leitmotiv gemeinsam. So markant das wellenförmige Markthallen-Dach wirkt, haben Tausende Glasscheiben doch einen Zweck: das bisschen Sonne reinzulassen, das über Hamburg scheint.

Der Dornröschen-Käfer: VW Käfer 1200 L

VW Käfer 1200 Cabriolet
1954 steigerte VW die Motorleistung um 6 auf 30 PS. Mitten in der Verkehrs-Anarchie der Großstadt reichen die auch heute noch aus.
Bild: C. Bittmann
Im Kern ist das so pragmatisch wie die Schmiernippel auf des Käfers Türscharnieren: Karmann baute sie ein, weil die Blechportale ein paar Kilo schwerer gerieten als bei VW sonst üblich. Höher sind sie übrigens auch. Lässig den Arm auf den Fensterschacht legen? Geht nicht. Der Käfer ist eben noch kein Lifestyle-Cabrio, sondern ein Wagen für – genau! – anständige Fahrer, die beide Hände am Zweispeichen-Lenkrad lassen. Wo sie, salopp betrachtet, nicht ständig sein müssten, denn zum Lenken des servofreien Wagens reicht eine Hand durchaus. Zumindest bei Tempo 50. Zurück auf die Straße. Die Plastik-Tachonadel kreucht halb glänzend, halb transparent in großer Ruhe bis auf 100 km/h. Und vielleicht bleibt sie auch dort, sofern nicht schon alles Glück beim Einparken verbraucht worden ist: Während es sich bei geschlossenem Verdeck nach hinten durch eine (ovale) Scheibe spitzeln lässt, türmt sich bei geöffnetem Deckel ein Stoffgebirge im Rückspiegel auf. Der lässt sich als Karmann-Eigenkonstrukt zwar nach oben verdrehen, doch drübergucken geht dann immer noch nicht. Sei’s drum – schon 1955 musste niemand die Lichthupen drängelnder Borgward und BMW V8 sehen, wenn über ihm die Sonne scheint. Die vielen Hutträger jener Zeit werden im geöffneten Käfer sowieso andere Sorgen gehabt haben. Vielleicht liegt die nächste Zeitreise doch nur eine anständige Autopartie entfernt.

Technische Daten

VW Käfer 1200 Cabriolet
Im Automobil von 1955 sind Zeituhr und Radio echter Luxus. Die Blumenvase hingegen vertritt dagegen bürgerliche Werte.
Bild: C. Bittmann
VW 1200 Cabriolet Motor: Vierzylinder-Boxer, hinten längs • eine zentrale Nockenwelle, über Stirnräder angetrieben • zwei Ventile pro Zylinder • ein Fallstromvergaser Solex 28 PCI • Hubraum 1192 ccm • Leistung 22 kW (30 PS) bei 3400/min • max. Drehmoment 75,5 Nm bei 2000/min • Antrieb/Fahrwerk: Viergang-Schaltgetriebe (erster Gang unsynchronisiert) • Hinterradantrieb • Kurbellenker-Drehstabachse vorn, Pendelachse mit Längslenkern und Drehstabfederung hinten • Reifen 5,60–15 • Maße: Länge/Breite/Höhe 4070/ 1540/1500 mm • Radstand 2400 mm • Leergewicht 800 kg • Fahrleistungen/Verbrauch: 0–100 km/h in 45 s • Spitze 110 km/h • Verbrauch 8 l Normal pro 100 km • Neupreis: 6500 Mark (1955).

Historie

Schon der zweite Käfer-Prototyp namens "V2" ist ein Cabrio. Klar, dass es auch vom fertigen KdF-Wagen offene Exemplare gibt: Eines nutzt Ferdinand Porsche selbst, ein anderes bekommt Adolf Hitler zu seinem 50. Geburtstag geschenkt. Dann gibt es Krieg und außer Kübel- und Schwimmwagen keine offenen VW mehr. Bis 1949. Da erhalten die Karossiers Karmann (aus Osnabrück) und Hebmüller (Wülfrath) den Auftrag zum Bau von Cabriolets auf Käfer-Basis: Karmann für einen Viersitzer, Hebmüller für einen Zweisitzer. Weil aber das Hebmüller-Werk noch im selben Jahr abbrennt, entstehen dort nur 696 Exemplare. Karmann füllt die Lücke und erledigt den VW-Auftrag so gut, dass den Osnabrückern schließlich der Dauer- und Alleinauftrag zur Cabriolet-Fertigung zufällt. Die Karmann-Blechschneider machen alle Entwicklungen der VW-Limousine mit, bauen außerdem als eigenständiges Modell den Karmann-Ghia als Coupé und Cabrio. Den 1303 stellte VW schon 1975 ein, als Cabriolet lebte er bei Karmann bis 1980 weiter. Sein Nachfolger: das Golf Cabrio mit Sicherheitsbügel – inzwischen auch ein Klassiker.

Plus/Minus

Gibt es gute Gründe gegen ein Ovali-Cabrio? VW-Fans sagen: nein. Neben der soliden Wertentwicklung verweisen sie sogar auf seine Alltagstauglichkeit: 30 PS, ein in den oberen drei Gängen synchronisiertes Getriebe und Platz für vier. Doch neben den üblichen VW-Rostherden wie Reserveradmulde, Endspitzen oder Rahmenkopf erwischt es den Karmann-Käfer auch noch an seinen Zusatz-Holmen und überall sonst. Und: Ein neues Verdeck kann bis zu 5000 Euro kosten. Restaurierte Cabrios bergen zudem ein hohes Pfuschrisiko, schließlich war nicht jeder, der vom offenen Käfer träumte, auch zum Schrauber-Gott geboren. Spezielle Teile wie Winker, Innenspiegel oder die Chromrahmen der Fenster sollten vorhanden sein: Sie zu beschaffen geht ins Geld!

Ersatzteile

Was die Technik betrifft, ist die Lage VW-typisch entspannt, schließlich teilen sich Limousine und Cabrio dieselbe Basis. Kurioserweise ist die VW-Szene an diversen Engpässen selbst schuld: Was besonders begehrt ist – etwa das emaillierte Wolfsburg-Wappen oder die blauen Karmann- Plaketten des Cabrios – , verschwindet allzu oft in Sammlervitrinen. Zahlreiche Nachfertigungen rücken dem Problem allmählich auf den Pelz: Motorhauben (traditionell beliebt bei Käfer-Tunern) und sogar die begehrten Herzchen-Rückleuchten (die mitunter auf VW-Treffen vom Käfer geklaut werden) sind wieder verfügbar. Ärgerlich bei Unfallschäden: Neue Seitenteile gibt es nicht.

Marktlage

Der Käfer ist so beliebt wie nie zuvor und das Cabrio neben dem Karmann-Ghia das Sahnehäubchen auf dem VW-Kuchen. Doch das Angebot hält sich angesichts der vergleichsweise geringen Stückzahlen in Grenzen, vernünftig aufgebaute oder gar völlig original erhaltene Autos sind selten – und mindestens 20.000 Euro teuer.

Empfehlung

Je mehr originale Substanz vorhanden ist, desto besser – ein guter Kontakt zur Szene hilft bei der Suche nach dem passenden Auto. Finger weg von Spachtelhöhlen und Bastelbuden: Ist die erste Euphorie über den offenen Wagen erst verflogen, stellt sich erfahrungsgemäß schnell Verdruss ein. Denn billig ist ein Käfer schon lange nicht mehr.