Wer Ende der 80er-Jahre sechsstellige Summen für ein eher unnützes Auto ausgeben konnte, hatte es geschafft. Mehr als zwei Jahrzehnte später gibt es den Luxus der Vorwende-Ära für ersparbare 20.000 Euro. Doch welcher Viersitzer bietet am meisten fürs Geld?
Der Mann mit der Mütze entscheidet darüber, wer nach oben darf oder unten bleiben muss. Mit entschiedenen Handbewegungen dirigiert er den Autostrom am Verladebahnhof des Sylt-Shuttles in Niebüll. Auf dem Oberdeck des Reisezugs genießen die Autoinsassen einen weiten Blick über Land, Salzwiesen und Watt; unten blickt man gegen Hecken, Weidezäune und Milchvieh. Uns im Jaguar XJ-S winkt der Bemützte nach oben, Mercedes 560 SEC und Porsche 928 S4 folgen. Selbst als gut abgehangene Youngtimer haben die Luxuscoupés der 80er genug von ihrer Autorität bewahrt, um in einem abgebrühten Einweiser eine gewisse Ehrfurcht hervorzurufen. Vielleicht liegt es aber nur daran, dass der XJ-S zuerst zur Rampe rollt.
Der Dünenparkplatz auf Sylt ist ein sehr passender Ort für Jaguar XJ-S, Mercedes 560 SEC und Porsche 928 S4 – das war schon vor 25 Jahren ihr Revier.
Auch fast 40 Jahre nach seiner Premiere ist der Auftritt des langen, flachen Jaguar beeindruckend. Er fährt beinahe lautlos mit flüsterndem Zwölfzylinder und schmatzenden 60er-Pneus vor; das tiefe metallicfreie Schwarz seines Lacks unterstreicht die zurückhaltende Noblesse der von Malcolm Sayer gezeichneten Linien. Es folgt der Mercedes 560 SEC, schlicht, technokratisch, aerodynamisch effizient und mit vernehmbar bollerndem Achtzylinder. Die Karosserie ist Bruno Saccos Meisterwerk. Jede Linie stimmt, keine heischenden Lichtkanten, kein Designer-Chichi. Seht her, Mercedes-Designer, ist man versucht zu rufen: So macht man das. Dann poltert der Porsche 928 S4 über die Rampe, die athletische, muskulöse Form noch so frisch und fit, dass der Wagen heute als zweitüriger Panamera in einen Porsche-Showroom passte. Anatole Lapine war eben ein Meister. Doch wie gut sind die drei Luxuscoupés heute, welches bietet am meisten fürs Geld? Reichen acht Zylinder oder sollten es schon zwölf sein?
Das überlegene Temperament und die souveränen Fahreigenschaften bringen den agilen Porsche 928 im Testvergleich nach vorn.
Wunderlicherweise erwarten fast alle aus der Testcrew auf dem Weg nach Sylt und zum Testgelände bei Schleswig einen haushohen Sieg des Mercedes 560 SEC. Doch es kommt anders. Der Porsche 928 S4 kann in fast allen Disziplinen überzeugen. Wenn ihm etwas vorzuwerfen ist, dann allenfalls das knappe Platzangebot und die schlechte Übersichtlichkeit. Aber Fahrwerk, Lenkung, Bremsen, Komfort, all das ist so gut, dass der 928 noch heute so frisch und spannend wirkt wie 1990. Da kommt der Mercedes 560 SEC nicht ganz mit. Sein Handling ist behäbiger, der Motor nicht so brillant wie der Porsche-V8, kurz: Er wirkt deutlich betagter als der flache Zuffenhausener, oder sollen wir sagen: gediegener? Dem Jaguar XJ-S haben wir vorher bestenfalls Außenseiter-Chancen eingeräumt. Er begeistert mit dem konkurrenzlos seidigen V12, dem feinen Fahrwerk und der eleganten Form. Was diese Luxuscoupés verbindet? Sie sind Charakterautos aus einer Zeit, in der ein Mercedes ein Mercedes war, ein Porsche ein Porsche und ein Jaguar ein Jaguar. Und: Keiner aus diesem Trio will mehr sein, als er ist. Übertriebene Sportlichkeit, undezentes Auftreten, protziges Gehabe ist diesen Coupés fremd. Es macht sie sympathisch und authentisch. Manches war früher eben doch besser.
Fazit
von
Heinrich Lingner
Vermutlich werden Sie jetzt von mir wissen wollen, welches dieser drei Coupés Sie kaufen sollten. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Nehmen Sie das, bei dem Ihr Herz schneller schlägt. Denn großes Potenzial haben alle drei. Der Jaguar XJ-S ist selten, der Mercedes 560 SEC wertbeständig und der Porsche 928 S4 schnell. Billiger wird keiner der drei.
Von
Heinrich Lingner
Luxus-Coupés der 80er
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Der Dünenparkplatz auf Sylt ist ein sehr passender Ort für Jaguar XJ-S, Mercedes 560 SEC und Porsche 928 S4 – das war schon vor 25 Jahren so.
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Doch wie gut sind die drei Luxuscoupés heute? Welches bietet am meisten fürs Geld? Reichen acht Zylinder oder sollten es schon zwölf sein?
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Checken wir zuerst den Jaguar. Sen Auftritt ist auch fast 40 Jahre nach seiner Premiere beeindruckend. Er fährt beinahe lautlos mit flüsterndem Zwölfzylinder und schmatzenden 60er-Pneus vor. Das tiefe, metallicfreie Schwarz seines Lacks unterstreicht die zurückhaltende Noblesse der von Malcolm Sayer gezeichneten Linien.
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Der Jaguar XJ-S schnürt mit einer Geschmeidigkeit über die Straße, die selbst heute in der Luxusklasse selten anzutreffen ist. Seine dicken Pirellis und die fein abgestimmten Federn bügeln Betonfugen und Frostaufbrüche weg.
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Selbst bei Tempo 180, zu Bauzeiten des XJ-S noch Autobahnschnitt der Schnelleren, stört nur das Pfeifen des Windes die Ruhe im Jaguar. Der Drehzahlmesser pendelt dann um die 4000er-Marke, zu hören ist der Motor nicht.
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Die überraschendste Seite des XJ-S offenbart sich auf dem Testgelände. Entspannt absolviert der Jaguar die Pylonenkurverei im Standardslalom und in der VDA-Wedelgasse. Zielsicher, mit leichtgängiger Lenkung und mit nur geringer Seitenneigung zeigt er sportliches Talent.
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Die eigenwillige Mischung aus Leyland-Großserienteilen, poliertem Holz und schwerem Leder macht den Reiz des XJ-S-Interieurs aus. Die Sitzposition ist bescheiden, das große Airbag-Lenkrad klemmt gern lange Beine ein. Übersichtlichkeit? Ich bitte Sie!
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Von britischer Instrumentenpracht ist im XJ-S nicht viel übrig geblieben, die Anzeigen für Kühlmitteltemperatur, Öldruck, Benzinstand und Bordspannung sehen eher nach Morris Marina als nach Jaguar-Zwölfzylinder aus.
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Die Dreistufen-Hydramatic von GM, einst verrufen wegen träger Schaltvorgänge und hohem Wandlerschlupf, wechselt die Planetenradsätze mit großer Gelassenheit und kaum merklichem Schaltrucken.
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Trotz einer Fahrzeuglänge von 4,75 Meter sind die hinteren Notsitzchen auf der Strecke geblieben und einer Gepäckablage gewichen. 430 Liter Kofferraumvolumen – das klingt nach viel, einen großen Teil nimmt jedoch das Reserverad ein.
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Der Motorraum wirkt, als hätten britische Arbeiter eher widerwillig einige laufende Meter Kabel und Schläuche reingestopft. Dem 5,3-Liter-Zwölfzylinder ist es ziemlich egal, welche Übersetzung die Hydramatic gerade für passend hält. Er lässt sich kaum dazu herab, bei hohen Drehzahlen in Aufregung zu verfallen.
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Der Jaguar XJ-S ist, das sei vorweggenommen, die eigentliche Überraschung dieses Vergleichs: Mit seinem genialen Zwölfzylinder, dem ausgewogenen Fahrwerk und dem eleganten Design ist er ein großartiges, feines Auto für Leute, die das Besondere lieben.
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Es folgt der Mercedes 560 SEC der Baureihe C 126, schlicht, technokratisch, aerodynamisch effizient und mit vernehmbar bollerndem Achtzylinder. Die Karosserie ist Bruno Saccos Meisterwerk. Jede Linie stimmt, keine heischenden Lichtkanten, kein Designer-Chichi.
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Zur Zeit des Mauerfalls war der 560 SEC mit einem Listenpreis von 150.765 Mark der teuerste Mercedes, fast 35.000 Mark teurer als das um lediglich 27 PS schwächere 500er-Coupé.
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Mit 279 PS waren Coupé-Genießer ganz vorn dabei, mehr Power gab es allenfalls bei den Sportausstattern Porsche und Ferrari. Wobei der SEC trotz seiner zeitlos schlichten Eleganz weniger ein Coupé als eine zweitürige Limousine mit rahmenlosen Seitenscheiben ist.
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Tadellos sind der Federungskomfort und die gelassene Ruhe bei gleichmäßiger Fahrt. Sportlicher Betätigung widersetzt sich die ziellose Servolenkung – „verreißsicher“ hieß das früher im Mercedes-Jargon – und der in schnellen Kurven dahinschaukelnde Aufbau.
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Auch in diesem Auto reist man vorn am besten: auf feinem Leder und hinter einem schmucklosen Volant, das tatsächlich nur zum Lenken und Hupen dient.
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Airbags und Kassettenradio haben 1990 zusammen rund 9000 Mark Aufpreis gekostet, der Tempomat ist jedoch Serie beim 560. Die Vierstufenbox deutet mit fühlbaren Schaltpausen an, warum sie früher Ruckomatik genannt wurde. Sie sucht bei schneller Fahrt immer noch eine Spur zu hektisch nach dem passenden Gang.
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Liebe zum Detail und Perfektionismus pur: Elektrische Gurtbringer stehen für schwäbischen Ingenieurgeist.
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Der Aufenthalt im Fond ist fast so kommod wie in einem viertürigen 126er, die Sitze sind sogar besser. Weshalb sich findige W 126-Eigner die Coupé-Sitzanlage in ihre S-Klassen montieren ließen.
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Das dekorative Anrichten der Antriebseinheit zählte auch für die C 126-Entwickler nicht zu den vordringlichsten Aufgaben im Lastenheft. Der Alu-Achtzylinder leistet 279 PS.
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Ein Sportwagen ist das große Mercedes-Coupé nicht, dafür jedoch ein hervorragender Reisewagen mit sehr guten Fahrleistungen, feinem Komfort und überschaubarem Verbrauch. Auch muss man kein großer Prophet sein, um einem gut erhaltenen, üppig ausgestatteten C 126 eine hervorragende Preisprognose zu stellen.
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Kommen wir zum Porsche 928. Seine athletische, muskulöse Form wirkt noch heute so frisch und fit, dass der Wagen als zweitüriger Panamera in einen Porsche-Showroom passen würde.
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Weil er nun mal kein 911 ist, muss sich der 928 seit seinem Debüt 1977 mit allerlei Missverständnissen herumschlagen. Doch daran sind andere schuld, diejenigen etwa, die bei Porsche ernsthaft dachten, das frontmotorige Achtzylinder-Geschoss könnte den luftgekühlten Elfer ersetzen.
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Groß ist er und unübersichtlich, der 928. Und wer ihn vom Autoreisezug auf die Rampe in Westerland chauffieren will, tut gut daran, die Scheinwerfer als Peilhilfen auszufahren. Doch einmal in Fahrt, sind Größe und Gewicht vergessen. Zumal der Achtzylinder-Porsche nach heutigen Normen beinahe ein zartgliedriges Leichtgewicht ist.
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Beschleunigung und Höchsttempo sind immer noch beeindruckend, ebenso die Leichtigkeit, mit der dieser flache, breite Wagen dahinprescht. Lenkung, Gaspedal, Bremse, Schalter: jeder Handgriff vermittelt hohe Präzision.
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Anders als im 911 sitzt der 928-Lenker tief unten im Auto, nur ausgesprochene Sitzriesen können mühelos über den verstellbaren Instrumententräger nach vorn lugen. Die breite Mittelkonsole trennt Fahrer und Passagier und sorgt für mehr Seitenhalt im breiten Cockpit.
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Der Wählhebel für die Dreistufenautomatik hätte auch in ein Flugzeug-Cockpit gepasst. Ursprünglich geplant war eine modifizierte Vierstufenautomatik von Mercedes. Porsche-untypisch sitzt das Zündschloss rechts, die Handbremse links. Daneben finden sich die Knöpfe für Heckklappe und Scheinwerfereinstellung.
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Die Sitznischen sollten besser nicht zum Transport von Menschen oder Tieren genutzt werden. Umgeklappt taugen sie dagegen hervorragend als Gepäckablage. So wird der 928 zum Urlaubsmobil.
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Der Gepäckraum reicht locker für die große Reise zu zweit. Wegen des hinten liegenden Getriebes ist er aber sehr flach.
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Sollten Sie mal mit Detailwissen brillieren wollen: Das ist ein Open-Deck-V8, im Niedriggussverfahren aus übereutektischer Aluminiumlegierung gegossen. Dank 320 PS hat er keinerlei Mühe mit dem 1,6 Tonnen schwerem 2+2-Sitzer.
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Mit seinem kräftigen Motor, dem exakten Fahrverhalten, den standfesten Bremsen und der sensiblen Lenkung ist der Porsche 928 auch im heutigen Verkehr ein schneller, vollwertiger Sportwagen mit überragenden Langzeitqualitäten.
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Alle drei sind Charakterautos aus einer Zeit, in der ein Mercedes ein Mercedes war, ein Porsche ein Porsche und ein Jaguar ein Jaguar. Keiner aus diesem Trio will mehr sein als er ist. Übertriebene Sportlichkeit, undezentes Auftreten, protziges Gehabe ist diesen Coupés fremd. Es macht sie sympathisch und authentisch.
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Das überlegene Temperament und die souveränen Fahreigenschaften bringen den agilen Porsche nicht nur auf diesem Foto nach vorn, er kann in fast allen Disziplinen überzeugen.
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Vorzuwerfen kann man ihm allenfalls das knappe Platzangebot und die schlechte Übersichtlichkeit. Aber Fahrwerk, Lenkung, Bremsen, Komfort, all das ist so gut, dass der 928 noch heute so frisch und spannend wirkt wie 1990. So avanciert er zum Sieger unseres Luxuscoupé-Vergleichstest. Interessant ist übrigens ein Vergleich mit den getesteten Sportcoupés der Sechziger.