Nein, wir reden jetzt nicht auch noch vom "gallischen Mercedes". Viel zu oft gehört, den Spruch. Außerdem zählen Klischees sowieso zu den größten Gegnern französischer Autos. Dieses etwa: Ente und R4 fahren Studenten, übrige Renault sind für Arbeiter gedacht, große Citroën für Avantgardisten. Und Peugeot für den großen, konservativen Rest. Fest steht aber: An einem Peugeot 404 müssen beständige Typen ihre Freude haben. Bodennah, elegant, aber nicht exaltiert wirkte die Flossen-Limousine schon in den 60ern, und im Grunde hat sich daran nichts geändert. Das gilt auch für die inneren Werte. Der 404 ist in seiner Anspruchslosigkeit eine Ausnahmeerscheinung, in Sachen Langlebigkeit legendär – fragen Sie mal Taxifahrer in Tunesien oder Marokko.

Gallische Gottheit: Citroën DS

Peugeot 404
Dabei kam Peugeots sachliche Sänfte keineswegs als Langweiler zur Welt. Als Nachfolger des pontonförmigen 403 profilierte sich der 404 als echter Trendsetter der angesagten Trapezform-Welle. Die Italiener hatten sie erfunden, und aus Italien kommt auch der geradlinige Auftritt des neuen Peugeot. Sein Design entstammt dem Atelier von Battista "Pinin" Farina, der mit seinem Sohn Sergio seit den 50ern das Markendesign der Löwenmarke prägte. Die Liaison zwischen französischer Sanftheit und italienischem Stilempfinden sicherte Peugeot einen echten Coup. Selbst die Creme der damaligen Mittelklasse, Modelle wie Mercedes Ponton oder Borgward Isabella, sahen in ihrer Rundlichkeit plötzlich gestrig aus.

Praktischer Franzose: Renault 16

Technisch blieb der 404 dagegen beim Althergebrachten. Das Grundkonzept seines 1,6-Liter-Motors stammte noch von 203/403. Und die galten beide als Langzeit-Autos ihrer Epoche. Aber ein bisschen avantgardistisch durfte der 404 trotzdem sein. Das gilt weniger für seine Lenkradschaltung oder die frühe Leistungsspitze von 65 PS, sondern vor allem für sein formidables Fahrwerk, das mit vier McPherson-Federbeinen komfortables Fortkommen garantiert. Und dann kam 1961 der 404 Grand Tourisme Super luxe – eine Verwöhnversion, die mit moderner Kugelfischer-Einspritzung sowie 80 PS aufwartete und mit unentschlossenen DS-Interessenten flirtete.

Familie 404

Daneben sorgte Peugeot mit attraktiv-sportlichen Cabriolet- und Coupé-Varianten für reizvolles Wachstum in der 404-Familie. Mit den praktischen Kombiversionen Commerciale (Standardversion) und Familiale (Siebensitzer) war sie schließlich komplett. Alle 404 haben eines gemeinsam: Dank ausgereifter Technik und über 15-jähriger Bauzeit sind sie heute ein guter Kauf für alle, die einen bezahlbaren Alltags-Oldie mit Charme und viel 60er-Jahre-Flair suchen. Nur wählen die hierzulande meist doch lieber einen Benz. Das macht den 404 zum Geheimtipp, der nicht nur konservative Typen glücklich macht.

Technische Daten

Peugeot 404 Limousine: Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, wassergekühlt • unten liegende, über Doppelkette angetriebene Nockenwelle • schräg hängende, über Stoßstangen und Kipphebel gesteuerte Ventile • drei- bzw. (ab 1963) fünffach gelagerte Kurbelwelle • Bohrung x Hub 80x73 mm bzw. 84x73 mm • Hubraum 1468 bzw. 1618 ccm • 53 PS bei 5000/min bis 88 PS bei 5700/min (Einspritzer) • Viergang, ab 1965 für Vergasermodelle: Dreistufenautomatik • L/B/H 4418/1625/1450 mm • Radstand 2650 mm • Leergewicht 1020 kg • V/max ca. 145 km/h

Historie

Vorstellung des 404 im Frühjahr 1960; anfangs wird der Neue noch parallel zum 403 produziert. Die Cabrio- und Coupé-Varianten erhalten von Pininfarina ein eigenständiges Blechkleid. Der offene 404 bleibt mit 10.387 Exemplaren ein Exot, das Coupé findet sogar nur 6837 Käufer. Ganz anders die Limousine: In 15 Jahren Bauzeit wird sie nur sanft modellgepflegt, läuft bis 1975 und lässt sich 2,7 Millionen Mal verkaufen – kein Peugeot zuvor war populärer.

Plus/Minus

Peugeot 404
Französischer Chic, beste Langläufer-Qualitäten und bürgerliche Preise – drei Argumente, die den Peugeot 404 besonders für Einsteiger attraktiv machen. Sein dickes Plus: Was noch gestern als zu gewöhnlich galt, ist längst begehrt – Lenkradschaltung, weiche Sessel, softes Fahrwerk. Sein Platzangebot macht den 404 zudem zum idealen Familien-Klassiker. Der haltbaren Mechanik steht allerdings die zeittypische Rostanfälligkeit des 404 gegenüber. Besonders betroffen sind Autos, die ihr Leben jenseits von Südfrankreich verbracht haben. Bei der Suche zählt vor allem die solide Substanz des 404-Blechs: Eine Restaurierung übersteigt rasch den Marktwert.

Marktlage

Der Blick in die Online-Börsen beweist es: Ein Peugeot 404 ist nicht schwer zu finden. Es gibt ihn sogar häufiger als manchen seiner Marken-Kollegen aus den 70er- und 80er-Jahren. Die Angebotsskala reicht dabei von der hoffnungslosen Hütte (unter 1000 Euro) bis hin zum Edel-404 mit Einspritzung und Leder (bis 10.000 Euro). Selten sind nicht nur Cabrio/Coupé, sondern auch die Kombi-Varianten Commerciale, Familiale und Break SL (Super Luxe). Am häufigsten zu finden: Basis-Limousinen, die auch in ausgezeichnetem Zustand selten über 6000 Euro kosten.

Ersatzteile

Solide Technik und die Verwandtschaft zum Vorgänger 403 sorgen für eine entspannte Ersatzteillage. Das gilt aber nur für die Technik. Trotz 15-jähriger Modell-Laufzeit (1960–75) gibt es Engpässe, etwa bei Türdichtungen, Reparaturblechen und Zierrat. Bei der Suche helfen Peugeot-Klubs oder spezialisierte Händler weiter. Selbst in Frankreich sind manche Teile knapp – so suchen neuerdings französische Sammler verstärkt auf dem deutschen Markt.

Empfehlung

Die Entscheidung für einen Peugeot 404 fällt meist aus zwei Gründen: Entweder ist der Käufer ein markentreuer Überzeugungstäter oder ein Einsteiger, der möglichst viel Oldie fürs Geld haben will. Letzterem ist die Wahl eines gepflegten (Südfrankreich-)Exemplars zu empfehlen; leichte Patina schadet im Alltag nicht. Peugeot-Maniacs suchen mehr nach dem makellosen und seltenen Stück – Einspritzer, Coupés und Cabriolets sind ihre Favoriten.

Von

Jochen Perrey