Ach ja, der Käfer. Jeder hatte einen: Opa (er fuhr ihn bis zum Schluss), der Postbote, der Studienrat. Später, mit den Jahren und dem üblichen Kantenrost, auch der Student, die Putze, der Volo. Der Käfer bewegte Deutschland. Zuverlässig und gut drei Jahrzehnte lang transportierte er uns zur Schule, ins Büro, nach Norddeich, nach Rimini, gelegentlich um die ganze Welt. Grenzenlos war auch unser Vertrauen in seine robuste Technik– unvorstellbar, dass sie nicht mehr laufen könnte. Selbst 1978, am Ende der Produktion bei uns in Deutschland und vier Jahre nach diesem italienisch gestylten Golf, wollten wir einfach nicht wahrhaben, dass es mit dem Wolfsburger Rundstück mal vorbei sein würde.

Im Klassik-Test: VW 1200/Ford Taunus 12M P4 /Opel Kadett A

VW Käfer 1200 Export
Keine fünf Jahre hat es gedauert, da war der Erfolgswagen, Millionenseller und Love-Bug komplett aus dem Straßenbild westdeutscher Städte verschwunden. Zwar wurde er in Mittelamerika weitergebaut, doch die Importware aus Mexiko erreichte offiziell nur bis 1985 den Emdener Hafen. Was danach rüberkam, war eher Format Käfer-Souvenir. An dem freilich nur wenige ihre Freude hatten. Die Modellpflege Marke Mexiko bestand überwiegend aus der Kunst des Weglassens und vermischte Originales mit dem Teile-Rest aus dem Konzern-Regal. Erst die letzte Version, die 3000 Einheiten umfassende Última Edición (UE), trägt wieder Chrom und eine Wolfsburg-Plakette auf der Fronthaube.

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Eine neue Fangemeinde formiert sich schnell, ebenso der Wunsch nach einem flotten Käferlein zum Abi der just volljährigen Tochter. Alte Käfer-Treter hingegen winken nur ab: das dicke Blech, das präzise Fugenbild, den klassischen Klang – all das haben nur die Exemplare bis 1978. Wobei sich, typisch für den Typ 1, dieser Volkswagen ebenso entwickelt hat wie unsere Gesellschaft. Was früher Masse war, ist heute Individualität, häufig eine gewöhnungsbedürftige. Insbesondere die Tuning-Szene mixt, was das Zeug des Boxers so gerade noch aushält. Die originalbelassenen Käfer, die perfekt restaurierten, sie sind heute Gold – fast wie 1955 der Einmillionste.

Käfer-Tugend: Einfachheit

Und alles vor der Modellpflege im August 1967, am besten noch mit liegenden Scheinwerfern und Golde-Schiebedach, bleibt in keiner Gebrauchtwagenbörse lange stehen. Nicht einmal dann, wenn die Forderung üppig fünfstellig gerät. Genau in diesen Momenten läuft die Mutter aller Volkswagen wieder zu Hochform auf. Vor allem mit jenen unverwüstlichen 30 PS im Heck, mit denen Marathon-Schlachten zu gewinnen sind. Fast ist es so, als wolle der Weltmeister aller Klassen uns damit sagen: Seht her, ihr überdrehten Möchtegern-Millionäre, die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind einfach. Sie überdauern jedes Komplizierte. Im Käfer ist es eben immer so, als ob Opa erzählt.

Historie

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Erste Prototypen 1935, Vorserie VW 38, Mai 1938 Grundsteinlegung VW-Werk, Nähe Fallersleben (heute Wolfsburg), für den Bau des KdF-Wagens (Kraft durch Freude). Dezember 1945: Wiederaufnahme der Produktion. Oktober 1946: 10.000 Käfer, 1947: Export Holland. August 1955: eine Million VW Typ 1. Dezember 1972: mit 15.007.034 Einheiten Weltmeister, Januar 1978: letzter Käfer aus Deutschland. 30.Juli 2003: Finale in Puebla/Mexiko nach 21.529.464 Einheiten.

Technische Details

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Vierzylinder, Boxer • zentrale Nockenwelle • Hubraum 1192 ccm • 22 kW (30 PS) bei 3400/min • max. Drehmoment 76 Nm bei 2000/min • Vierganggetriebe • Hinterradantrieb • Zentralrohr-Plattformrahmen • Luftkühlung • Trommelbremsen vorn/hinten • Reifen 165/80 R 15 S • L/B/H 4070/1540/1500 mm • Radstand 2400 mm • Pendelachse, Längslenker • Leergewicht 740 kg • Beschleunigung 0–100 km/h in 38 s • Spitze 112 km/h • Verbrauch 8 l Normal/100 km • Tankinhalt 40 l • Neupreis (1958) 4600 Mark

Plus/Minus

Er läuft und läuft – auch in Zukunft. Hinter dem Käfer steht eine treue Fangemeinde, die auch im fünften Jahr nach Produktionsstopp eher größer als kleiner wird. Sie besorgt den Nachschub, kümmert sich um Teile, experimentiert wie kaum eine andere. Ein Käfer ist technisch einfach gestrickt, also reparaturfreundlich, zudem belastbar und erträgt selbst Extremtuning. Sein größtes Plus: Die Welt blickt völlig neidfrei auf ihn, selbst wenn es sich um ein locker 25.000 Euro teures Memminger-Cabrio handelt. Dort, aber nicht nur dort, weiß man mit seinen Schwachstellen umzugehen: Vorderachskörper, Endspitzen, Schweller und natürlich Karosserie-Rost.

Marktlage

Es gibt nicht nur reichlich Teile, es gibt auch viele Autos. Ausnahme: intakte Brezel (bis 3/1953) und Ovali (bis 8/1957). Auch die sogenannten "Dickholmer" (bis 8/1964) werden knapp und damit teuer, vor allem, wenn sie originalbelassen sind bzw. professionell instandgesetzt wurden. Angebotspreise für Käfer mit liegenden Scheinwerfern (bis 8/1967) im fünfstelligen Bereich finden sich in jeder Börse. Weit billiger, aber häufig verbastelt sind die Modelle bis 1978 (Ausnahme: aus Damenhand mit Halbautomatik). Eher originell als original: die zahlreichen Mexikaner (Tipp: bis 1985).

Ersatzteile

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Die Lage ist gut, was nicht vorhanden ist, wird nachgefertigt: z. B. Interieur-Teile für Modelle bis 8/1967 oder Chrom, das wieder aus heimischen Landen kommt. "Allerdings", so Björn Schewe von VW-Classicparts, "steigen langsam die Preise, weil nur Kleinserien produziert werden." Originale US-Stoßfänger kosten bis 600 Euro, korrosionsfreudige Südamerika-Bumper 60 Euro. Nicht mehr zu bekommen sind original Vorder-Kotflügel für den 1303.

Empfehlung

Wer nicht bereit ist, für einen klassischen Käfer Mercedes-Preise zu zahlen, sollte sich jetzt ein Exemplar von 1968 bis 1971 oder einen Standard 1200 A sichern. Keinen trinkfreudigen 50-PS-1303, keinen schwerfälligen 1302, sondern den normalen 1300er mit 40 PS oder auch 34 PS in der Sparversion. Solche Typen sind in vernünftigem Zustand derzeit für maximal 4500 Euro am Markt. Das original Beetle-Feeling und Wertsteigerung sind garantiert.

Von

Karl-August Almstadt