100.000-km-Dauertest Mercedes ML 270 CDI
Deutsche Wertarbeit – made in USA?

—
Deutsche Wurzeln, amerikanische Herkunft und österreichische Jugend: Ein Globetrotter zog durch Europa, um zu beweisen, dass Mercedes in jedem Gelände zu Hause ist. Ein Dauertest.
Minuspunkte bei der Detail-Qualität
An Selbstbewusstsein hat es Amerikanern nie gemangelt. Den Machern der M-Klasse im US-Bundesstaat Alabama erst recht nicht: "Wir wollen nichts weiter als den besten Geländewagen der Welt bauen", verkündete Produktionschef Bill Taylor kühn, noch bevor der erste ML vom Band lief, "schließlich sind wir ja Mercedes." Das war 1997. Heute wissen wir: Von dem Versprechen ist nicht viel geblieben. Die Führungsmannschaft in Tuscaloosa ist mittlerweile fast komplett ausgetauscht, der ML ebenfalls.
Schnell wurde deutlich, dass dem Gipfelstürmer aus der Neuen Welt das solide Basislager fehlte. Wegen Pannen und schlechter Verarbeitung gab es selbst im Hauptmarkt USA ordentlich was an die Ohren. Und das Publikum dort gilt ja nicht gerade als besonders schmerzempfindlich, wenn es um Qualität geht. Amerikas größte Verbraucher-Zeitschrift, Consumer Reports, kürte den ML gar zum "schlechtesten Luxus-Geländewagen des Jahres", und das US-Autofachblatt Automotive News lästerte: "Fast so gut wie ein Mercedes."
Zweifellos hat das 700-Millionen-Dollar-Experiment Amerika Schrammen im Mercedes-Lack hinterlassen. Aber auch ein dickes Plus auf dem Konto. Denn trotz aller Kritik wurde die M-Klasse ein Mega-Seller. Mittlerweile über 400.000-mal verkauft und als Gebrauchter eine gesuchte Rarität. Ganz nebenbei ist der ML die erste Mercedes-Neuentwicklung, die bereits im ersten Modellzyklus schwarze Zahlen schreibt.
Schnell wurde deutlich, dass dem Gipfelstürmer aus der Neuen Welt das solide Basislager fehlte. Wegen Pannen und schlechter Verarbeitung gab es selbst im Hauptmarkt USA ordentlich was an die Ohren. Und das Publikum dort gilt ja nicht gerade als besonders schmerzempfindlich, wenn es um Qualität geht. Amerikas größte Verbraucher-Zeitschrift, Consumer Reports, kürte den ML gar zum "schlechtesten Luxus-Geländewagen des Jahres", und das US-Autofachblatt Automotive News lästerte: "Fast so gut wie ein Mercedes."
Zweifellos hat das 700-Millionen-Dollar-Experiment Amerika Schrammen im Mercedes-Lack hinterlassen. Aber auch ein dickes Plus auf dem Konto. Denn trotz aller Kritik wurde die M-Klasse ein Mega-Seller. Mittlerweile über 400.000-mal verkauft und als Gebrauchter eine gesuchte Rarität. Ganz nebenbei ist der ML die erste Mercedes-Neuentwicklung, die bereits im ersten Modellzyklus schwarze Zahlen schreibt.
Sehr zuverlässig beim Test
Trotz mehrfacher teurer Rückrufe und obwohl die Stuttgarter für jede M-Klasse im Schnitt rund 2430 Euro an Garantie- und Kulanzleistungen aufwenden müssen. Mehr als für jedes andere Modell im Konzern, munkelt man. Die kontroversen Diskussionen um den ersten komplett im Ausland gebauten Mercedes (seit Juni 99 auch in Graz/Österreich) decken sich mit unseren Dauertest-Erfahrungen. Selten zuvor wurde ein Auto von Redakteuren so massiv kritisiert und doch immer wieder für Dienstfahrten eingefordert.
So umrundete unser metallic-silberner ML 270 CDI in eineinhalb Jahren zweieinhalbmal den Erdball - 100.000 Kilometer in knapp 550 Tagen. Dieses Pensum kann nur gelingen, wenn die Zuverlässigkeit stimmt. Und die stimmte. Zu fast 100 Prozent. Nicht einmal machte der Offroader während des Marathons schlapp. Lediglich drei kleinere Zwischenfälle zwangen zu Werkstattaufenthalten: 1. defekter Stellmotor der Einlasskanal-Abschaltung. 2. defektes Blinkerrelais. 3. Austausch des Katalysators. Alle drei Garantiefälle. Unsere Erfahrungen mit der Zuverlässigkeit stimmen im Übrigen mit den meisten Leserzuschriften überein. Der Tenor: Tolles Konzept, ordentliche Technik, aber die Qualität ...
So klagten viele ML-Besitzer der ersten Stunde über massiven Rostansatz am Rahmen. Eine Jugendsünde der frühen US-Produktion. Man erzählt sich, die in Tuscaloosa von einem Zulieferer produzierten, nur durch Lack geschützten Rahmen hätten oft Wochen unter freiem Himmel gelagert, bevor sie verbaut wurden. Mercedes erkannte das Problem und reagierte mit einer weltweiten Rückrufaktion. Die Rahmen wurden per Sandstrahlverfahren entrostet und anschließend neu versiegelt. Betroffen waren alle Fahrzeuge bis August 1999, insgesamt 135.000. Als unser ML (Baujahr 2000) zum Dauertest antrat, galt diese Kinderkrankheit schon als kuriert.
So umrundete unser metallic-silberner ML 270 CDI in eineinhalb Jahren zweieinhalbmal den Erdball - 100.000 Kilometer in knapp 550 Tagen. Dieses Pensum kann nur gelingen, wenn die Zuverlässigkeit stimmt. Und die stimmte. Zu fast 100 Prozent. Nicht einmal machte der Offroader während des Marathons schlapp. Lediglich drei kleinere Zwischenfälle zwangen zu Werkstattaufenthalten: 1. defekter Stellmotor der Einlasskanal-Abschaltung. 2. defektes Blinkerrelais. 3. Austausch des Katalysators. Alle drei Garantiefälle. Unsere Erfahrungen mit der Zuverlässigkeit stimmen im Übrigen mit den meisten Leserzuschriften überein. Der Tenor: Tolles Konzept, ordentliche Technik, aber die Qualität ...
So klagten viele ML-Besitzer der ersten Stunde über massiven Rostansatz am Rahmen. Eine Jugendsünde der frühen US-Produktion. Man erzählt sich, die in Tuscaloosa von einem Zulieferer produzierten, nur durch Lack geschützten Rahmen hätten oft Wochen unter freiem Himmel gelagert, bevor sie verbaut wurden. Mercedes erkannte das Problem und reagierte mit einer weltweiten Rückrufaktion. Die Rahmen wurden per Sandstrahlverfahren entrostet und anschließend neu versiegelt. Betroffen waren alle Fahrzeuge bis August 1999, insgesamt 135.000. Als unser ML (Baujahr 2000) zum Dauertest antrat, galt diese Kinderkrankheit schon als kuriert.
Von der schweren Erblast befreit
Zwar entdeckten auch wir leichten Rostansatz am Rahmen und im Hinterachsträger, doch bei einer Materialstärke von rund vier Millimetern würde es Jahrzehnte dauern, bis es zu ernsthaften Durchrostungen kommt. Trotzdem raten wir ML-Besitzern, die viel in Streusalzgebieten unterwegs sind, zu einer nachträglichen Konservierung. Viel schlimmer waren die Sparmaßnahmen, die täglich ins Auge fallen; denn an den teilweise erschreckend billigen Materialien im Innenraum lässt sich im Nachhinein nichts mehr ändern – und auch nichts beschönigen."Der Motor ist Mercedes, der Rest nicht", urteilte ein Kollege harsch im Fahrtenbuch. Und traf damit den Nerv vieler.
Gerade am Kunststoff, aber auch an Details wie den klobigen Blinkerhebeln aus dem Vito oder den extrem kratzanfälligen Verkleidungen im Laderaum wird deutlich, dass Mercedes seinen Geländewagen einst zum Kampfpreis vor allem in den US-Markt drücken wollte. Um den Einstieg von 35.000 Dollar zu realisieren, wurde auf manches verzichtet, was sonst für Mercedes steht. Schon damals warnten sogar Mercedes- Ingenieure davor, das Auto so nach Europa zu bringen – die Kritiker behielten Recht. Eine Handschuhklappe auf unterstem Lada-Niveau, einfache Türdichtungen - mittlerweile doppelt -, miese Reifen und Plastik, das bei niedrigen Temperaturen übelst knarzt, sind eines Mercedes einfach nicht würdig.
Von dieser Erblast hat sich Mercedes mittlerweile Stück für Stück befreit. Und mit dem Facelift im September 2001 zog dann endlich die Klasse in den ML ein, die viele von Anfang an erwartet hatten. Auch ein Resultat des neuen Denkens bei Mercedes. Erst kürzlich räumte der oberste Entwicklungschef, Hans Joachim Schöpf, selbstkritisch Fehler ein: "Richtig, es gab Probleme. Doch die Zeiten, in denen unsere Ingenieure entschieden haben, was die Kunden wollen, sind ein für allemal vorbei." Endlich, denn die Bremsen unseres Dauertest–ML wirkten schwach und schwer dosierbar.
Gerade am Kunststoff, aber auch an Details wie den klobigen Blinkerhebeln aus dem Vito oder den extrem kratzanfälligen Verkleidungen im Laderaum wird deutlich, dass Mercedes seinen Geländewagen einst zum Kampfpreis vor allem in den US-Markt drücken wollte. Um den Einstieg von 35.000 Dollar zu realisieren, wurde auf manches verzichtet, was sonst für Mercedes steht. Schon damals warnten sogar Mercedes- Ingenieure davor, das Auto so nach Europa zu bringen – die Kritiker behielten Recht. Eine Handschuhklappe auf unterstem Lada-Niveau, einfache Türdichtungen - mittlerweile doppelt -, miese Reifen und Plastik, das bei niedrigen Temperaturen übelst knarzt, sind eines Mercedes einfach nicht würdig.
Von dieser Erblast hat sich Mercedes mittlerweile Stück für Stück befreit. Und mit dem Facelift im September 2001 zog dann endlich die Klasse in den ML ein, die viele von Anfang an erwartet hatten. Auch ein Resultat des neuen Denkens bei Mercedes. Erst kürzlich räumte der oberste Entwicklungschef, Hans Joachim Schöpf, selbstkritisch Fehler ein: "Richtig, es gab Probleme. Doch die Zeiten, in denen unsere Ingenieure entschieden haben, was die Kunden wollen, sind ein für allemal vorbei." Endlich, denn die Bremsen unseres Dauertest–ML wirkten schwach und schwer dosierbar.
Beliebt als Reisemobil
Auch die Abstimmung des Fahrwerks geriet eindeutig zu weich, ohne wirklich komfortabel zu wirken ( Frage eines Kollegen: "Hat der etwa noch Starrachsen?"). Wegen der indirekten, gefühllosen Lenkung und der spürbaren Seitenneigung der Karosserie war jede flotte Kurve eine Herausforderung an den Fahrer. Klagen, die heute nahezu ausgemerzt sind. Mit über 1100 Detailverbesserungen reagierte Mercedes auf die Kritik am ML.
Am liebsten fuhr man mit dem Burschen ohnehin geradeaus. Wenn es sein musste, stundenlang. Als Reisemobil stand der Geländewagen enorm hoch im Kurs. Schon wegen der Übersicht und des großen, variablen Laderaums. Mit Anhängekupplung aber war der ML die absolute Zugnummer der Redaktion: 3365 Kilo Anhängelast – theoretisch war nichts Ziehbares vor ihm sicher. Praktisch sah das am Anfang anders aus. Schuld war die Erstbereifung Dunlop Grand Tek. Sie brachte bei feuchter oder glatter Straße selbst geübte Hänger-Profis zum Durchdrehen.
"Absolut lachhaft", notierte Redakteur Dirk Branke im Testbuch, "schon auf feuchter Wiese mit nur minimaler Steigung geht nichts mehr." Und Kollege Andreas Borchmann jammerte nach einer Schneetour: "Wie auf Schmierseife. Ich musste Ketten aufziehen. Alle anderen ohne Allrad konnten darauf verzichten." Mittlerweile wurden die Dunlop deutlich verbessert, zudem baut Mercedes jetzt serienmäßig breitere Reifen und größere Räder ein. Ein deutliches Zeichen zur Klimaverbesserung zwischen Kunden und Auto setzte Mercedes mit der neuen automatischen Klimatisierungsanlage.
Am liebsten fuhr man mit dem Burschen ohnehin geradeaus. Wenn es sein musste, stundenlang. Als Reisemobil stand der Geländewagen enorm hoch im Kurs. Schon wegen der Übersicht und des großen, variablen Laderaums. Mit Anhängekupplung aber war der ML die absolute Zugnummer der Redaktion: 3365 Kilo Anhängelast – theoretisch war nichts Ziehbares vor ihm sicher. Praktisch sah das am Anfang anders aus. Schuld war die Erstbereifung Dunlop Grand Tek. Sie brachte bei feuchter oder glatter Straße selbst geübte Hänger-Profis zum Durchdrehen.
"Absolut lachhaft", notierte Redakteur Dirk Branke im Testbuch, "schon auf feuchter Wiese mit nur minimaler Steigung geht nichts mehr." Und Kollege Andreas Borchmann jammerte nach einer Schneetour: "Wie auf Schmierseife. Ich musste Ketten aufziehen. Alle anderen ohne Allrad konnten darauf verzichten." Mittlerweile wurden die Dunlop deutlich verbessert, zudem baut Mercedes jetzt serienmäßig breitere Reifen und größere Räder ein. Ein deutliches Zeichen zur Klimaverbesserung zwischen Kunden und Auto setzte Mercedes mit der neuen automatischen Klimatisierungsanlage.
Kraftwerk unter der Haube
Das war auch bitter nötig. Oder besser gesagt wärmstens zu empfehlen. Denn die Heizung in unserem ML war eine Frechheit. Sie ließ sich nie richtig einstellen. Während die Füße in der Arktis froren, steckte der Kopf in den Tropen. "Wechseljahre können nicht schlimmer sein", notierte der junge Kollege Nikolaus Eickmann. Mercedes erklärt uns am Ende etwas von "falscher Bedienung". Dann müssten 48 unterschiedliche Testfahrer der Redaktion die Bedienungsanleitung missverstanden haben.
Für keine Missverständnisse sorgte der Motor. Der 163 PS starke Fünfzylinder-Diesel war das, was man gemeinhin einen Pfundskerl nennt. Morgens noch etwas übellaunig, verstummte sein Nörgel-Nageln mit jedem Meter mehr. Was blieb, war ein ungemein sympathischer, kräftiger Antrieb, der sich hervorragend mit der Fünfgangautomatik verstand und den 2180-Kilo-Koloss scheinbar mühelos auf Tacho 200 beschleunigte (echte 183 km/h). Ein Tempo, das offensichtlich viele Kollegen für sich als "ganz normale Reisegeschwindigkeit" entdeckten, daher den Verbrauch entsprechend nach oben trieben.
Doch selbst die gemessenen elf Liter unterstreichen noch eindrucksvoll das Sparpotenzial dieses Motors. Werte unter zehn Litern sind mit dem ML 270 CDI keine geschönten Prospektangaben, sondern durchaus realistisch. Fazit: Mercedes hat mit dem ML Neuland betreten und Lehrgeld bezahlt. Vom Konzept super, standfest und äußerst beliebt, in vielen Details aber billig gemacht und eines über 45.000 Euro teuren Autos nicht würdig. Schon gar nicht, wenn es Mercedes heißt. Die Kritik hat gewirkt - Stuttgart reagierte. Doch verspieltes Vertrauen lässt sich oft nur schwer reparieren.
Für keine Missverständnisse sorgte der Motor. Der 163 PS starke Fünfzylinder-Diesel war das, was man gemeinhin einen Pfundskerl nennt. Morgens noch etwas übellaunig, verstummte sein Nörgel-Nageln mit jedem Meter mehr. Was blieb, war ein ungemein sympathischer, kräftiger Antrieb, der sich hervorragend mit der Fünfgangautomatik verstand und den 2180-Kilo-Koloss scheinbar mühelos auf Tacho 200 beschleunigte (echte 183 km/h). Ein Tempo, das offensichtlich viele Kollegen für sich als "ganz normale Reisegeschwindigkeit" entdeckten, daher den Verbrauch entsprechend nach oben trieben.
Doch selbst die gemessenen elf Liter unterstreichen noch eindrucksvoll das Sparpotenzial dieses Motors. Werte unter zehn Litern sind mit dem ML 270 CDI keine geschönten Prospektangaben, sondern durchaus realistisch. Fazit: Mercedes hat mit dem ML Neuland betreten und Lehrgeld bezahlt. Vom Konzept super, standfest und äußerst beliebt, in vielen Details aber billig gemacht und eines über 45.000 Euro teuren Autos nicht würdig. Schon gar nicht, wenn es Mercedes heißt. Die Kritik hat gewirkt - Stuttgart reagierte. Doch verspieltes Vertrauen lässt sich oft nur schwer reparieren.
Technische Daten und Wertung
Technisch war die M-Klasse bis zum Modelljahr 2002 so zwiespältig wie der Fahreindruck: Hier die geräumige, solide Karosserie, dort der zuerst mangelhaft gegen Rost geschützte Rahmen. Hier Einzelradaufhängung rundum mit Drehstäben vorn (Wendekreis!), dort die unzureichende Abstimmung von Lenkung, Dämpfern und ESP. Hier hoher Sicherheitsanspruch mit gutem Crashergebnis, dort die schwachen Bremsen. Hier gute Geländeeignung und Untersetzung, dort das anfangs bockige ETS. Fazit: Erst seit dem Facelift erfüllt Mercedes mit dem ML den eigenen technischen Anspruch.
Preise und Kosten
Offiziell spricht Mercedes von der M-Klasse. Doch die Fahrzeuge heißen ML - Konkurrent BMW hatte Einspruch gegen das M-Kürzel erhoben, das den Sport-Modellen der Bayern vorbehalten ist.
Service-Links