Na schön, dann also Shooting Brake. Der Name klingt edel, nach 60er-Jahren und "Mann trägt wieder schmale Krawatten". Das Marketing-Geklingel sei erlaubt, schließlich hat ausgerechnet Mercedes die konservativen Business-Limousinen aufgemischt: erst 2004 mit dem Trendsetter CLS, jetzt mit dem CLS Shooting Brake. Nennen wir ihn einfach "Kombi-Coupé" – und verraten, wo er steht zwischen dem Kombi BMW 535i Touring und dem Coupé Audi A7. Genau mittendrin. Genauso lang, genauso imposant. Und trotzdem anders. Das Auge bleibt hängen, in der Tiefgarage zerreißen Kollegen sich die Mäuler. Und wir dachten, es gäbe keine Nische zwischen dem A7, der glatten Reinstform des modernen Coupés, und dem Touring mit seinem Dach wie ein durchgedrückter Rücken. Von hinten betrachtet wirkt sein Kombiheck geradlinig kastig im Vergleich zum Diät-Laster von Mercedes. Ist der nun Kombichen oder XL-Coupé? Nein, Shooting Brake.

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Video: BMW 5er, Audi A7, CLS Shooting Brake

Kombi, Coupé oder Kombi-Coupé?

Bild: AUTO BILD
Selbstverständlich werden diese Autos wegen ihrer Optik gekauft. Doch wer mit großer Klappe vorfährt, muss sich auch auf den Nutzwert schauen lassen. Beim Audi drückt das elegant auslaufende Flachdach nicht nur den Kofferraum auf 1390 Liter zusammen, sondern fällt hinten auch den Passagieren auf den Kopf. Gemessen hat der A7 mehr Platz als gefühlt: Die hohe Gürtellinie und die kleinen flachen Seitenfenster mauern die Passagiere ein wie im Souterrain. Ganz anders der BMW, der sich vom Nerz-Rucksack zum Vollwert-Kombi entwickelt hat. Nur im Touring sitzt und sieht man hinten gut genug für die Urlaubsreise. Der BMW hat den größten Kofferraum (bis zu 1670 Liter), keine Ladekante, eine Durchreiche serienmäßig. Fürs kleine Gepäck öffnet die Heckscheibe separat. Ach, hier geht Praxis noch vor Prestige. Problemlos schluckt der Touring das Normmaß für den ernsthaften Umzugshelfer – eine ausgewachsene Waschmaschine. Bei der gleichen Übung steht im Mercedes die schräge Hecktür noch weit offen, vom Audi ganz zu schweigen. Deren flacher Kofferraum bemisst sich eher in weichen Kleidersäcken und Golftaschen, die jedoch über eine Ladekante gewuchtet werden wollen.

Überblick: Alle News und Tests zum Mercedes CLS Shooting Brake

Mercedes CLS Shooting Brake
Mutig: Mit dem Shooting Brake traut sich Mercedes an eine durchaus diskussionswürdige Karosserie.
Genug gemäkelt, immerhin hat der Shooting Brake deutlich mehr Gepäckraum als der "normale" CLS, im Fond steht das Dach ein paar wichtige Zentimeter höher. Schade, dass man beim Einstieg weiterhin unterm tiefen Dachholm durchtauchen muss. Die Sicht nach schräg hinten bleibt eine Katastrophe, der Parkpiepser (879 Euro extra) ein Muss! Wer sich in den beiden Coupés auch beim Ein- und Aussteigen nicht lächerlich machen will, sollte vorher seinen Rücken fragen – es geht tiefer hinunter als im Touring. Drinnen bietet der Mercedes gute alte Autotechnik. Es gibt noch einen Zündschlüssel, dicke Zeiger in Rundinstrumenten, weniger Knöpfe und Menüs, dafür einen Knie-Airbag serienmäßig! Der Audi spielt das feine Design-Theater, in dem zur Ouvertüre jedes Mal der Monitor aus dem Armaturenträger fährt. Jeder Platz wird individuell belüftet dank Vier-Zonen-Klimatisierung. Das Cockpit von morgen wartet im BMW: Tacho und Drehzahlmesser werden im neuen Anzeigendisplay nur projiziert, für jedes Fahrprogramm wechselt die Farbe: Blau für sparsame Efficiency, Rot für Sport. In Comfort wird die Tempo-Überschreitung als rote Fahne angezeigt – muss es immer so genau sein?
Drehzahlmesser, die bis 7000 gehen – wir vergleichen Benziner der 300-PS-Liga. Mit einem wichtigen Unterschied: Audi und BMW laden ihre sechs Zylinder unterschiedlich auf, bei Mercedes saugen größere 3,5 Liter Hubraum frei und obenheraus mit kernigem Klang. Reizvoll, doch die Konkurrenz hat nicht nur mehr Newtonmeter und dickere Waden, sondern zieht dem CLS aus jeder Lage spürbar davon. Der Audi untermalt das dickste Drehmoment (440 Nm) und seine hellwache Drehfreude mit dezentem Pfeifen des Kompressors – der Traummotor trinkt auch am meisten: 11,2 Liter Testverbrauch. Diesen A7 möchte man mit den Schaltwippen zwirbeln, zumal unser Testwagen mit Sportdifferenzial und 19-Zoll-Rädern auf Sportler getrimmt ist.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi A7

Audi A7
Sportliche Härte: Die verstellbare Federung des Audi A7 kennt nur die Stufen "straff" und "sehr straff".
Das Schwergewicht (1924 Kilogramm) scheint unterwegs ein paar Zentner abzuwerfen, nimmt die Kurven mit seinem Allradantrieb zackig und leichtfüßig: ein Auto, um auf der Landstraße seine wilden fünf Minuten auszukosten. Die verstellbare Federung lässt eine herzlich enge Wahl: straff oder ganz straff. Da bietet der Fahrerlebnisschalter von BMW die größere Bandbreite – zwischen Wolke sieben auf "Comfort plus" und "Holla die Waldfee" in Sport plus. Dem Touring lastet das meiste Gewicht auf der Hinterachse, trotz seiner Integrallenkung (die Hinterräder schlagen mit ein) geht er Kurven etwas träger an. Sein Reihenmotor verwöhnt mit bester Laufruhe, aber wo ist der verführerische Klang von früher geblieben? Untergegangen im Turbokonzert. Schade, denn die tolle Achtstufensportautomatik (2350 Euro Aufpreis) hätte ein bisschen Fanfare verdient. Im sportlichen Fach fühlt der Mercedes sich unwohl. Schiebt beim schnellen Richtungswechsel über die Vorderräder, zappelt im manuellen Modus der 7G-Tronic gelegentlich hektisch herum. Aber der CLS zeigt uns, dass nur zwei Stellungen der Luftfederung Airmatic (1345 Euro) ausreichen, um dort zu brillieren, wo der Shooting Brake zu Hause ist: schlechte Strecken, lange Wellen und fiese Schläge steckt keiner so gut weg.
Je länger die Fahrt, desto mehr holt der Mercedes auf. Muss er auch, weil die Stuttgarter beim Grundpreis über 10.000 Euro mehr verlangen als BMW. Selbstbewusst, zumal der CLS schneller an Wert verliert als der Kombi. Auch aufpreisbereinigt trennen die beiden noch 8047 Euro. Theoretisch, da die Preislisten genug Verführungen bereithalten, um die monatlichen Leasingraten in Richtung 800 Euro hochzujagen. Wie wär’s mit Luftfederung, Massagesitzen oder der automatischen Sesam-öffne-dich-Funktion der Heckklappe? Ein Fuß unters Heck, und die Tür geht auf. Gibt es bei BMW (im Paket für 1700 Euro) und bei Audi für 750 Euro und heißt in Ingolstadt "sensorgesteuerte Gepäckraumentriegelung". Na bitte, es geht also auch ohne Marketing-Blabla.

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Fazit

von

Joachim Staat
Wir dachten, es gäbe schon alles – da bringt der Shooting Brake neuen Pfeffer in die Boom-Nische namens "Bloß keine Limousine". Der CLS ist so reizvoll wie ein A7, aber deutlich nützlicher im Alltag. Gegen den ausgereiften 5er Touring hat der Mercedes keine Chance – auch deshalb, weil die Preise von großem Selbstbewusstsein zeugen. Wird der Shooting Brake sich trotzdem gut verkaufen, könnte er ähnliche Trends setzen wie zuvor das CLS Coupé.