Wer seinen Geländewagen für Hightech hält, sollte sich diesen Bergfex aus der Schweiz mal ansehen: Der Aebi VT 450 Vario kann fast alles.
Diese Landschaft mit ihren ausladenden, teils aus Holz aufgebauten Bauernhöfen könnte der Fantasie eines Modelleisenbahners entsprungen sein. Wir sind hier auf dem Hof von Bergbauer Heinz Iseli (46) im Emmental nahe Bern – ein Idyll. Acht hellbraune Limousin-Rinder nennt er sein eigen, jedes mit Namen. Vor dem Hof parkt ein bei uns seltener, schon wegen der Doppelbereifung optisch spektakulärer Allrad-Transporter: der Aebi VT 450 Vario, heftige 2,80 Meter breit.
Für den Tausendsassa gibt es kaum Geländegrenzen
Eierlegende Wollmilchsau: Der extrem geländegängige Aebi ist für jede landwirtschaftliche Arbeit gut.
Heinz verfügt über eine Doppelqualifikation und hat auch Mechaniker gelernt, leitet eine lokale Werkstatt für landwirtschaftliches Nutzgerät und zeigt mir, wie man den Aebi fährt. Und der hat es in sich: Joystick-Steuerung, hydropneumatische Federung, eine optionale Allradlenkung, drei auf Knopfdruck elektrohydraulisch sperrbare Differenziale, Zentralrohrrahmen mit um bis zu 30 Grad verdrehbarem Hinterwagen, Einzelradaufhängung ringsum und die auch bei Unimogs üblichen Kraftabnahmen und Hydraulikanschlüsse für allerlei landwirtschaftliches Gerät – eine eierlegende Wollmilchsau: Wenn Heinz mäht, Heu macht, Mist streut, mit dem Kran-Aufbau Holzstämme lädt oder Schnee räumt, sitzt er stets im gleichen Fahrzeug, dem Aebi eben. Für Kommunen, die bevorzugt die Version mit kurzem Radstand ordern, gibt's auch Müllabfuhr- und Feuerwehr-Aufbauten. Der Hersteller sitzt in Burgdorf bei Bern; hier konstruieren und bauen 300 Beschäftigte diese Unimog-artigen Alleskönner.
Fahren per Hand: Der Aebi wird per Joystick gesteuert – nach vorne geht's vorwärts, nach hinten rückwärts.
Auf der Straße schafft das von uns gefahrene Spitzenmodell VT450 Vario 50 km/h. Beeindruckender sind seine Kletterkünste. Ich starte den Dreiliter-Turbodiesel von VM ganz konventionell per Schlüsseldreh; die restliche Bedienung erinnert eher an Pistenbullys oder Motorboote. Für Vorwärtsfahrt Joystick nach vorn, für Rückwärtsfahrt nach hinten. Joystick in der Mitte heißt: Anhalten und nicht zurückrollen! Das stufenlose Getriebe stammt vom österreichischen Spezialisten VDS. Es kombiniert ein stufenloses Hydrostat-Getriebe, wie man es etwa in Gabelstaplern findet (Nachteile: träge bei Minusgraden, keine große Spreizung der Gänge möglich) mit einem mechanischen Planetenrad-Automatikgetriebe. Vorteil dieser Kombination: Das Auto macht stets genau das, was der Fahrer will. Gehe ich vom Gas, steht der Aebi sofort still. Die Wechsel zwischen Vor- und Rückwärtsfahrt vollzieht die Technik butterweich – ideal zum Freischaukeln in Matsch oder Schnee.
Steilhangauf- oder abfahrten lassen sich jederzeit stoppen und wieder fortsetzen, ohne Überschlagrisiko – ideal für heikle Einsätze, bei denen sich der Fahrer konzentrieren muss. Ich drehe hier mit größter Selbstverständlichkeit Kreise auf einer schaurig abschüssigen Bergwiese, auf der sich kurze Geländewagen so gern überschlagen. Der Aebi aber klebt förmlich am Hang – schon deshalb, weil das verdrehbare Heck wie ein Gecko der Landschaft folgen kann.
In den Bergen ist der Aebi in seinem Element
Klettermax auf Rädern: Steilstücke sind für den VT 450 kein Problem – bergauf wie bergab.
Beim Bergauffahren bremst mich keine Zugkraftunterbrechung aus, und bei den haarsträubendsten Bergabfahrten fühle ich mich sicher dank der enormen Bremswirkung über alle vier Räder. Vor allem bei Langsamfahrt im rein hydrostatischen Betrieb (bis 7,3 km/h) bremst der Antrieb so stark, dass ich hier kontrolliert Passagen bergab krieche, die mich beim Wandern ängstigen würden. Mit dem gelben Knopf auf dem Joystick sperre ich das Längsdifferenzial, mit dem roten beide Achssperren – alles elektrohydraulisch. Mit dem blauen Knopf zappe ich zwischen Front-, Heck- und Allradlenkung hin- und her. Mit Letzterer schrumpft der Wendekreis fast auf Aufsitzmäher-Niveau: 8,80 Meter – und das hier ist die Version mit langem Radstand! Es gibt auch eine 40 Zentimeter kürzere; sie braucht nur 8,20 Meter. Der weiße Knopf aktiviert einen Spritspar-Modus, der graue ist ein Tempomat – viel mehr muss ich nicht wissen, um das Ding fahren zu können. Die spektakulären Doppelreifen dienen der Bodenschonung durch minimierte Verdichtung und schaffen Zusatz-Traktion.
Die Lenkung beherrscht drei verschiedene Modi
Variabel: Seine Allradlenkung macht den Aebi wendig, und er beherrscht auch den "Hundegang".
Ein ganz neues Fahrgefühl verschafft der "Hundegang", für den sich der Fahrer erst durch ein Menü klicken muss. Die Räder der Allradlenkung drehen sich dann nicht entgegengesetzt, sondern in die gleiche Richtung. Der Aebi bewegt sich dann seitwärts wie ein Krebs – realitätsverzerrend, man wird richtig duselig davon! Er brauche diese Funktion selten, sagt Heinz. Habe man sich aber auf engem Raum festgefahren, könne sie sich als praktisch erweisen: Die Fuhre fährt einfach seitwärts aus dem Schlamassel. Wie eine moderne Oberklasse-Limousine denkt der Schweizer Extremkletterer ständig für seinen Fahrer mit: Über 25 km/h schaltet er die Allradlenkung ab, lässt nur noch Lenken mit den Vorderrädern zu. Die Luftfederung senkt das Fahrzeug ab einer gewissen Beladungshöhe automatisch um bis zu fünf Zentimeter ab, um sich für Geländezwecke fünf Zentimeter höher fahren zu lassen. Von einer derben Landmaschine ist der Aebi ganz, ganz weit entfernt. Allein die Federung mit geschwindigkeitsabhängiger Niveauregulierung erinnert eher an Range Rover und Co. – der Preis um 130.000 Euro ebenso.