Einsame Nächte in der Schlafkabine

Eine Woche schon sitzt er in seinem Truck. Eine Woche in dieser gottverlassenen Ecke des Hamburger Freihafens, zwischen verstaubten Laderampen, geparkten Aufliegern und achtlos entsorgten Holzpaletten. Gewiss, dies ist kein Platz für einen Familienvater, auf den zu Hause zwei Schulkinder und eine Ehefrau warten. Aber Virginijius Rimklis hat keine Wahl. Der Mann aus Akmenes in Litauen sitzt fest.

Die deutschen Behörden haben seinen alten Volvo stillgelegt. Zwangsweise, wegen diverser technischer Mängel. So ganz sieht der Fernfahrer noch immer nicht ein, weshalb man ihn mit maroden Bremsleitungen und angegammelten Achsen nicht auf die deutsche Autobahn lässt. "Schließlich sollte es seine letzte Fahrt werden", erzählt Rimklis. "Danach wollten wir den Wagen auseinander schrauben und in Teilen verkaufen." Dumm nur, das Wrack auf seiner finalen Tour ausgerechnet ins pingelige Deutschland zu lotsen.

Sein Chef im fernen Litauen will einen neuen Laster schicken. Also wartet Rimklis geduldig in seinem 38-Tonner. Geld hat er keines mehr. Wozu auch? Bis die Ablösung kommt, darf er die Ladung, sechs gebrauchte Gabelstapler für die Heimat, nicht aus den Augen lassen. Virginijius Rimklis ist ein stolzer Mann. Einer, der sich nicht beklagt über die einsamen Nächte in seiner Schlafkabine. Oder darüber, dass es weder Fernseher noch Zeitung gibt, um die Zeit totzuschlagen.

Eine Köstlichkeit nach der anderen

So war es ihm fast ein bisschen peinlich, als er vor einigen Tagen plötzlich Besuch bekam von zwei jungen, gut gelaunten Hamburgern. Sie parkten ihren weißen Sprinter neben Rimklis’ Wrack, öffneten die Hecktür und holten eine Köstlichkeit nach der anderen aus dem Laderaum: Brot, Eier, Milch, Kaffee, Joghurt, Käse, Aufschnitt, Kekse. Und Schokolade, tafelweise Milka-Schokolade. Der Trucker machte große Augen. Dass sich hier jemand um ihn kümmert, ihn mit Lebensmitteln versorgt, damit hatte er nicht gerechnet.

Die guten Geister kamen fortan jeden Tag. Ihr Verein ist die "Hamburger Tafel". Ihr Job, überschüssige Lebensmittel einzusammeln und dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden. Dabei geht es nicht um Essensreste oder überalterte Waren mit abgelaufenem Verfallsdatum, sondern meist um Überproduktionen namhafter Lebensmittelhersteller. 80 Tonnen Frischwaren sammeln die Helfer jeden Monat ein, verteilen sie an Hilfsorganisationen und Armenküchen, an gestrandete Seeleute oder eben zwangsgestoppte Trucker.

"Es ist ein Wahnsinn, mit welcher Dynamik sich das alles entwickelt hat", sagt Annemarie Dose. Die 75-Jährige ist so etwas wie die Mutter Theresa der Organisation: energisch, zupackend, warmherzig – und agil wie eine 35-Jährige. Als vor zehn Jahren ihr Mann starb, suchte sie nach einer sinnvollen Beschäftigung – und erfand die Tafel-Idee. Mit einem alten VW Bus ging sie auf Tour. Heute hat die "Hamburger Tafel" sechs Lieferwagen und 120 Helfer. Denen unsere 5000 Euro Prämie schmecken dürfte ... Guten Appetit!

Lohn für die gute Tat

Unserem "Helfer des Monats" winken 5000 Euro in bar. Auch wer uns den richtigen Tipp für den Schutzengel des Monats Mai gibt, wird belohnt: Ihm flattern 1000 Euro ins Haus. Ende 2003 wird dann aus allen Monatssiegern der "Helfer des Jahres" gekürt. Sein Preis: ein neuer Opel Meriva im Wert von knapp 18.000 Euro.

Kennen Sie einen Helfer? Schreiben Sie eine E-Mail an: helfer@autobild.de, Stichwort: "Helfen – ja sicher!". Einsendeschluss: der letzte Kalendertag des jeweiligen Monats.