Alfa dringt mit der Giulia Quadrifoglio in neue Leistungsklassen vor. Das ist selbst für den Audi RS 5 ein zu harter Brocken, wie unser Rennstrecken-Test zeigt.
Audi gegen Alfa. Jetzt lehnen wir automobilen Leckerschmecker uns mal kurz zurück und genießen. Erst recht, weil diese Kisten hier richtig was unter der Haube haben. Denn wenn wir Audi gegen Alfa sagen, dann meinen wir: 450 gegen 510 PS. Es wird heiß! Sie ahnen es schon: Wir lassen die Top-Athleten ihrer Baureihen antreten. Auch das Terrain ist verheißungsvoll. Wir befinden uns im südfranzösischen Mireval, wo sich auf dem Handlingparcours von Reifenhersteller Goodyear Audi RS 5 und Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio um die beste Zeit und das überzeugendere Konzept der Mittelklasse-Sportler duellieren.
Audi und Alfa setzen auf einen Biturbo-V6
Wie Audi setzt auch Alfa auf einen 2,9-Liter-V6, aber in der Giulia traben 60 PS mehr von der Kurbelwelle.
Zugegeben: Viele Gemeinsamkeiten haben unsere Kontrahenten nicht. Ihre Kraft holen beide aus einem V6-Biturbo mit 2,9 Litern. Ansonsten treffen hier reichlich Gegensätze aufeinander. Umso spannender die Frage: Welcher Charaktertyp setzt sich auf der Rennstrecke durch: Die rassige Italienerin oder der perfektionistische Deutsche? Audi und Alfa kommen im vollen Ornat daher, in die Preiswertung fließen jedoch nur die fahrdynamischen Gimmicks ein. Beim RS 5 unter anderem das RS-Dynamikpaket (5900 Euro) mit Sportdifferenzial und Sportfahrwerk, inklusive Dynamic Ride Control. Für ein paar Kilo weniger und einen besseren Schwerpunkt besteht das Dach aus Carbon (3500 Euro). Mit zusätzlichen 6000 Euro reißt die Keramikbremse noch ein dickes Loch in die Kasse. Schon beim Anlassen bollert das Audi-Triebwerk mit einer akustischen Präsenz, als wolle es unmissverständlich klar machen, dass der Verzicht auf den frei saugenden V8 seines Vorgängers nicht zu bedauern ist.
Der Audi hat immer noch viel Gewicht auf der Vorderachse
Grundsätzlich gutmütig: Der Audi RS 5 schiebt wie eh und je völlig berechenbar über die Vorderräder.
Der "Wie-auf-Schienen-quattro" verleiht bereits auf der Aufwärmrunde eine Extraportion Vertrauen. Bestens unterstützt wird der Antrieb von der präzisen Lenkung. An welcher Stelle du am Kurvenausgang wieder voll aufs Gas gehst, musst du dir im RS nicht zweimal überlegen. Das Coupé hat zum Vorgänger über 100 Kilo abgespeckt. Verteilt die Masse aber nach wie vor frontlastig und schiebt wie eh und je völlig berechenbar über die Vorderräder. Experimentelle Eingriffe in den Lenkradius sind auch in schnellen Kehren jederzeit möglich, ohne dass böse Überraschungen lauern. So ist es keine Herausforderung, sich den Audi für die schnelle Runde zurechtzulegen. Wir schalten um auf Kampflinie. Mit der Reifentemperatur erhöhen sich auch die Kurventempi. Willig, aber vollkommen neutral lenkt der RS durch die Kurven und prescht mit viel Schmackes wieder heraus.
Beim ambitionierten Hochschalten fällt aber auf, dass nach dem Zupfen an der rechten Schaltwippe der nächste Gang mit leichter Verzögerung einschnappt. Statt einer Doppelkupplung arbeitet im aktuellen RS 5 die softere Wandlerautomatik. Bei der Zeitenhatz ein Nachteil. Dennoch ist es atemberaubend, wie der RS 5 auf die schnellen Abschnitte hin beschleunigt.
Beim Anbremsen der Schikane wird das RS 5-Heck unruhig
Das kostet Zeit: Bei der Vollbremsung auf der Gegengeraden gerät das Audi-Heck ins Schlingern.
Zeit kostet allerdings das schlingernde Heck bei der deftigen Vollbremsung auf der Gegengeraden. Vor der anschließenden Rechts-links-Kombi müssen wir die Linie korrigieren. Kein Drama, denn ansonsten arbeitet der Audi vollkommen präzise die Strecke ab – Dienst nach Vorschrift. Der Puls ist schon längst wieder abgeflacht, als die Stoppuhr bei 1:36,60 Minuten stehen bleibt. Ab in den Alfa. Hier treffen 60 PS mehr Leistung auf 50 kg weniger Masse, dazu nur eine angetriebene Achse, die mit dem Motor über eine Kardanwelle aus Kohlefaser verbunden ist. Für einen niedrigeren Schwerpunkt sind Dach und Motorhaube aus dem gleichen Material, übrigens alles Serie. Extra kosten dagegen die hervorragenden Sparco-Schalen: 3800 Euro. Knapp doppelt so viel geht für die Brembo-Anlage aus Keramik drauf. Im Gegensatz zum Audi schnarrt der Alfa-V6 authentisch, scheint vollkommen frei von künstlichem Sound – recht so. Absolut baff macht der phänomenale Durchzug. Wenn das rechte Pedal fällt, rennt das Alfa-Tier los. Nicht ungestüm, aber mit gaaanz viel Druck.
Auf der Rennstrecke lässt der Alfa dem Audi keine Chance
Klare Sache: Auf dem Goodyear-Handlingkurs nimmt die Giulia dem RS 5 eine halbe Sekunde ab.
Bei warmer Bremse ankert die Giulia noch eine Spur heftiger als der RS 5, hat dabei aber einen ziemlich weichen Druckpunkt. Doch das Pedalgefühl bleibt konstant und absolut berechenbar, wenn auch nicht so gut dosierbar wie im Audi. Ab geht es auf die schnelle Runde, die Uhr tickt. Der Alfa katapultiert sich regelrecht aus jeder Kurve, beim Einlenken arbeitet das Heck mit. Im Race-Modus der Fahrdynamik-Regelung halten sich ESP-Eingriffe vornehm zurück. In der langen Rechtskurve vor der Zielgeraden lässt sich lässig das Heck raushängen. Beinahe flauschig fühlt sich das an, wie der Alfa hier durch den Kurs tanzt. Jetzt letzte Rille, alles rausholen für die Rundenzeit. Immer wieder setzt der süchtig machende Schub ein. Und mit etwas Routine geht es fast schon spielerisch durch die engen Kehren und langen Kurven. Der Alfa fühlt sich nicht nur deutlich schneller an, er ist es auch. Mit 1:36,07 Minuten nimmt er dem RS 5 über eine halbe Sekunde ab. Gefühlt ist es sogar mehr. Im Vergleich zum Alfa wirkt der Audi regelrecht zäh. An Traktion hat es beiden nicht gefehlt, doch Audis Allrad kostet Pfunde und Fahrspaß. Und so stellen wir fest: Audi ist glatt, Alfa ist geil. Und zwar so richtig.
Fazit
von
Stefan Novitski
Der RS 5 steht sich in diesem Vergleich mit seinem Perfektionismus selbst im Weg. Die Giulia geht nicht nur schneller um den Kurs. Sie elektrisiert uns förmlich mit ihrem sportlichen Können. Die verdiente Belohnung für die Rückbesinnung zu den Markenwurzeln.