Es gibt wieder einen 1750 Spider! Nicht, dass dies Alfa Romeo groß aufgefallen wäre. Den Neuen haben die Italiener humorlos Spider 1.8 TBi 16V getauft. Dabei wäre er mit seinen 1742 Kubik prädestiniert für die berühmte Nummer. Schon 1929 baute Alfa Romeo den sechszylindrigen 6C 1750 als Limousine und später auch als offenen Sportwagen. Eine Zahl mit glanzvoller Historie, 1968 wiederentdeckt für die vorläufige Topversion des legendären Doppelnockenwellen-Vierzylinders. Damals reichten 115 PS für große Begehrlichkeiten. Da war der zugehörige Spider schon weltbekannt: Im Jahr zuvor röhrte der liebestrunkene Benjamin Braddock (Dustin Hoffman) damit zur Musik von Simon & Garfunkel durch den Film "Die Reifeprüfung" – bis ihm der Sprit ausging.

Das Heck des Ur-Spider erinnerte seine Erbauer an einen Tintenfisch-Knochen

Alfa Spider 1750 Duetto
Eines der erfolgreichsten Product-Placements der Filmgeschichte – damals strickte die Marke ihre Legenden viel geschickter. Der Spider besaß da noch das klassische Rundheck, das – wie die Arbeiter der Fabrik meinten – wie ein "Osso di Sepia" aussah. Das ist ein Tintenfisch-Knochen, zu Deutsch Kalkschulp, was der wachsenden Popularität des Italieners nicht schadete. Spider bedeutet Spinne, ist also auch nicht besser als Kalkschulp, hat sich aber inzwischen als Synonym für den offenen Alfa verselbstständigt. Spinne deswegen, weil die Gestänge der Klappverdecke in der Urzeit des Automobils an Spinnenbeine erinnerten. Beim 68er Alfa 1750 Spider Veloce ist das nachvollziehbar, denn das Verdeck zeigt ungeniert die von Hand zu bedienende Mechanik. Benutzer des neuen Spider bleiben vom Anblick nackter Technik verschont. Er zieht sich seine dick gefütterte Stoffhaube spektakulär elektrisch aus dem Kofferraum.

Der aktuelle Downsizing-Trend bringt den legendären 1750er zurück

Alfa Spider 1.9 TBi 16V
Dieses Cabriolet auf Brera-Basis bekam bereits viel Kritik um die Ohren. Zu schwer, zu hoher Verbrauch, zu unsportlich, zu groß. Der Neuzeit-Spider ist kein asketisches Sportgerät, sondern ein typisches Wohlstandsauto mit reichlich Hüftgold. Top-Motor ist ein V6 aus einem australischen Holden, den die lustige Mamma Fiat aus einer ihrer zahlreichen Affären mit anderen Autokonzernen heimschleppte. Geopfert hat sie den sonoren, kratzbürstig klingenden Alfa-Sechszylinder. Wir stellen uns die Körperhaltung des Alfa-Motorenchefs vor, wie er aus der Sitzung schlich, in der die Finanzleute das GM-Implantat beschlossen. Ein gebeugter Mann. Vielleicht ist er deswegen gegangen. Inzwischen ist Paolo Martinelli dafür im Fiat-Konzern zu ständig, der Ingenieur, der bis 2006 die Ferrari-Formel-1-Triebwerke von Michael Schumacher entwarf. Mit dem 1.8 TBi 16V gelang ihm das Hightech-Triebwerk des Downsizing-Trends: kleiner Hubraum plus Turbo mit Pulse Converter (Düse zur Druckerhöhung), Direkteinspritzung und Nockenwellenverstellung.
Heraus kam ein williger 200-PS-Motor mit 320 Nm (zum Vergleich: Golf GTI mit zwei Litern nur 280 Nm) – wobei der Drehmoment-Gipfel schon bei 1400 Umdrehungen bestiegen wird (GTI: 1700), also knapp über Leerlaufdrehzahl. Heißt: Kaum rollt die Fuhre, beißen die Vorderräder grimmig in den Asphalt. Allerdings muss er erst mal rollen, der Spider, denn beim Anfahren verhebt sich der kleine Vierzylinder ganz gern am hohen Gewicht (1565 kg) des Wagens und erstirbt. Dafür soll der Verbrauch nicht mehr so hoch sein. Alfa war immer die Sportkanone im Konzern. Der Duft von heißem Gummi steckt in unserer Witterung für die Marke, aber wo ist der hin? Der Spider verkümmerte zu einem angenehmen GT, was Gran Turismo bedeutet, große Reise. Er läuft 235, beschleunigt in 7,8 Sekunden auf 100, die Federung ist kommod, die Lenkung leichtgängig, die Bremse ein bisschen weich, aber wirksam, und das Instrumentarium zwar vollständig, aber nur vage ablesbar, wenn es unterm geschlossenen Dach dunkel wird.

Beide Cabrios spielen auf ihre Art die Rolle des Latin Lovers

Alfa Spider
Dazu klingt der TBi 16V, nun ja, irgendwie brummend, aber nicht aufreizend. Nein, der Spider ist nicht perfekt, aber das sind die üblichen Alfa-Delikte. Sein Fahrer muss ein charakterfester Typ und wahrhaft Liebender sein. Wie schafft es der Spider dann, so geliebt zu werden? Er putzt sich fein heraus. Strammer Po, hübsche Augen, kantiges Kinn. Als romantisch veranlagter, mediterraner Dandy in schicker Schale hat es bei ihm immer funktioniert. "Cabrio of the Year" wurde er 2006 bei der Präsentation, und damit ist sein Kleid gemeint, das von Pininfarina stammt, dem Meister sinnlicher Karosserieschnitte – genau wie damals beim Duetto. Der Alfa Spider spielt als echter Romeo damit wie gehabt die Latin-Lover-Rolle. Das Chassis ist nicht frei von Erschütterungen, das war es allerdings beim Duetto auch nicht. Der erinnert an eine Hängebrücke im Orkan, wenn er so über die Bodenwellen schlingert. Entschädigt wird man dafür von dem wundervollen 1750er-Motor mit seinem röchelnden, kehligen Klang und einer Offenheit, bei der man noch spürt, was Fahren im Freien bedeutet. Die ganz große Oper – wenn der Neue wenigstens röhren dürfte wie ein 1750er ...
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