Ampel wird 100 Jahre alt
Glückwunsch, Ampel!

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Sie wird verflucht, sie wird missachtet – aber ohne sie geht es nicht. Jetzt wird die Ampel 100 Jahre alt. Doch wer hat sie erfunden? Was kann sie? Und wird sie gar irgendwann zu uns sprechen?
(dpa) Alle hassen es. Dennoch verbringt jeder in Deutschland – rein statistisch – zwei Wochen seines Lebens mit dem Warten an einer roten Ampel. Die "Wechsellichtzeichenanlage", wie sie im Behörden-Deutsch heißt, steuert weltweit das Leben von Milliarden Menschen, ist ein Stück Hightech mit drei Lichtern und längst auch Symbol für den Nährwert von Lebensmitteln oder politische Koalitionen. Man kann ihr nicht entgehen. Am 5. August 2014 wird die Ampel 100 Jahre alt.
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Nach 20 Jahren: Grüner Pfeil auf dem Rückzug
Erste Ampel leuchtete in Ohio
Eigentlich ist das Prinzip Ampel älter, älter als das Auto gar. Schon 1868 gab es in London eine Gaslaterne mit rotem und grünem Licht, die ein Polizist nachts bediente. Doch nach drei Wochen explodierte sie und verletzte den Polizisten schwer. So dauerte es noch 46 Jahre, bis in Cleveland, Ohio, die erste Ampel leuchtete, wie wir sie im Grundsatz heute noch kennen. Die Idee hat mehrere Väter. Zu ihnen gehören Lester Wire, ein Polizist aus Salt Lake City, und Garrett Morgan, der Sohn eines früheren Sklaven, der noch so unterschiedliche Dinge erfand wie die Gasmaske und ein Haarglättungsmittel. Heute gibt es in Deutschland nach Angaben des Ampelherstellers Siemens 1,5 Millionen Lichtsignalanlagen. Würde man alle abfahren und an jeder eine Minute rot haben, wäre das allein eine Wartezeit von etwa drei Jahren.
Taktung ist eine hohe Kunst
Auch wenn sich jeder mal über Ampeln ärgert, wird ihren Sinn kaum jemand infrage stellen. Höchstens ihre Taktung. "Das ist eine hohe Kunst", sagt Wilke Reints. Der Ingenieur ist bei Siemens für "Intelligente Verkehrssysteme" zuständig und träumt nachts manchmal sogar von Ampeln. "Es gibt faszinierende Algorithmen, um den Verkehr zu beeinflussen. Und man kann wahnsinnig viel gestalten" – nicht immer zur Freude der Autofahrer. "Einige Kommunen lassen den Verkehr fließen, aber andere stören ihn künstlich. Damit sollen die Autofahrer zu Bus und Bahn gedrängt werden."
Polizei und Retter können Vorfahrt pachten

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Ampelmännchen und grüne Blechpfeile

Ost- oder West-Version? Nach der Wiedervereinigung brach ein Streit über das Aussehen der Ampelmännchen aus.
Welt ohne Ampeln bleibt ein Traum
Ist die Ampel bedroht? Als modern gilt inzwischen die Lenkung über einen Kreisverkehr, der den Autofluss flotter machen soll. "Das funktioniert aber kaum in der Innenstadt", sagt Reints. "Und außerdem stellen einige Kommunen am Kreisverkehr Ampeln auf – und nehmen ihm damit den ganzen Witz." Ausgerechnet Ampelexperte Reints träumt von einer Welt ohne Ampeln. "Weil alle Autos miteinander kommunizieren und selbst den idealen Verkehrsfluss errechnen. Aber es gibt ja noch Radfahrer und Fußgänger. Deshalb bleibt das auf absehbare Zeit wirklich nur ein Traum", sagt Reints.
Sagt die Ampel zum Autofahrer: "Wir müssen reden!"
Schon in wenigen Jahren wird die Ampel zum Autofahrer sagen: "Wir müssen reden!" Zum Beispiel über die Zeit, die noch rot ist. "Dann könnte Ihnen die Ampel sagen: 'Mach' den Motor aus!'" Eines wird bleiben: "Oben rot, dann gelb und grün – das hat sich einfach bewährt, praktisch auf der ganzen Welt." In China sollte zwar mal alles umgedreht werden, damit die Farbe des Kommunismus für freie Fahrt steht, das endete aber im Chaos.
Wartezeit ist Flirtzeit

71 Prozent aller Autofahrer und Autofahrerinnen haben nach eigenen Angaben schon mal an einer Ampel geflirtet.
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