Audi RS 4 Avant/Alpina B3 S Touring: Kombis im Test
Kombis mit über 400 PS: Qual der Wahl!
—
Audi RS 4 Avant und BMW Alpina B3 S Touring sind aktuell das Maß der Dinge bei den Power-Kombis der Mittelklasse. Welcher ist die bessere Wahl?
Der neue Audi RS 4 Avant begleitet uns schon durch das ganze Jahr 2018: Auf ersten Fahrtermin im Januar folgte der große Supertest im April, bei dem der Kombi mit einer deutlich schnelleren Rundenzeit als sein Coupé-Bruder RS 5 am Sachsenring für großes Erstaunen sorgte. Und jetzt steht der Vergleich mit einem würdigen Gegner an: dem Alpina B3 S Touring auf Basis des BMW 340i.
Buchloer Edelware: Alpina macht aus dem BMW 340i Touring den gediegenen Sportkombi B3 S.
In Sachen Leistung muss sich der Alpina keineswegs hinter den 450 PS und 600 Nm des Audi RS 4 verstecken: Der Dreiliter-Reihensechszylinder erhält die hauseigene Biturbo-Aufrüstung mit Schmiedekurbelwelle und optimierter Kühlung und stemmt damit 440 PS und 660 Nm Drehmoment in die Achtstufen-Automatik. Als Hecktriebler rennt der Touring 303, mit Allrad immer noch 298 km/h. Noch Fragen? Optisch geben die Buchloer gewohnt dezente Hinweise auf das Potenzial ihres Power-Kombis: Der große Alpina-Schriftzug im Frontspoiler hat genauso Tradition wie die vielspeichigen 20-Zöller im klassischen Design. Erst am Heck wirkt der B3 S mit der schmucken Vierrohr-Abgasanlage von Zulieferer Akrapovic betont sportlicher als die 340i-Basis aus München. Feiner Luxus ohne jede Effekthascherei.
Der RS 4 kehrt sein Potenzial deutlicher nach außen
Trägt etwas dicker auf: Audi schminkt seinen RS 4 Avant etwas expliziter in Richtung Sport als Alpina.
Nicht ganz so subtil wie das Exterieur des Alpina, aber im Auftritt weniger pausbackig und machohaft als sein direkter Vorgänger, gibt der neue RS 4 Avant seinen Status als Topmodell der A4-Baureihe preis: Die großen Lufteinlässe und breiten Kotflügel gefallen genauso wie die gefrästen Aluräder (3000 Euro). Die Blindkanäle neben den Scheinwerfen und Rückleuchten wären dagegen verzichtbar gewesen. Im Interieur fällt die RS-eigene Schminke leider kaum nennenswert auf: Chic und zeitgemäß digitalisiert fächert sich das aus dem A4 bestens vertraute Hochwert-Cockpit hinter dem abgeflachten RS-Sportlenkrad auf. Bedienung und Verarbeitung dürfen als perfekt bezeichnet werden. Die Individualisierung des Topmodells findet jedoch einzig über die zahlreichen RS 4-Logos als sichtbare Abgrenzung zu den schwächeren Avant-Modellen statt. Hier dürfte Audis Sportabteilung durchaus etwas kreativer sein, um mehr Eigenständigkeit zu schaffen.Welchen Unterschied schon kleine Detailveränderungen bewirken können, zeigt Alpina: Das BMW-Großserienlenkrad wird um zwei Millimeter aufgepolstert und mit weichem Lavalina-Leder umnäht. So wird jede Berührung zum haptischen Hochgenuss für die Fingerspitzen. Wer will, kann sich den gesamten Innenraum mit dem soften Glattleder auskleiden lassen. Das kaschmirbeige Leder des Testwagens stammt allerdings von BMW Individual.
Die samtige Laufruhe des Reihensechsers begeistert
Sahne-Motor: Im Bug des Alpina steckt der BMW-R6, der in Sachen Kultiviertheit keinen Gegner kennt.
Weitere Details? Bis auf blaue Instrumentenskalen, Alpina-Logos und die Nummerierungsplakette in der Mittelkonsole verbleibt das Interieur im Serienzustand. Das fahrerorientierte Cockpit des 3er-BMW wirkt ohne digitale Instrumentierung zwar etwas angejahrt, dafür strahlen die analogen Uhren eine angenehme Unaufgeregtheit aus, die bestens zum gediegen-sportlichen Alpina-Charakter passt. Eine charmante Aura, die der Motor mit seiner sonoren, unverfälschten Reihensechser-Klaviatur und der ungemein souveränen Kraftentfaltung erst so richtig zu beflügeln weiß: Seidenweich schmiegt er seine Kraft in den Wandler, lässt den Touring wie auf Samtpfoten anrollen, um aus der Drehzahlmitte mit der vollen Kraft seiner 660 Nm auf sein Leistungsplateau zu stürmen. Kultiviert, athletisch im Ausdrehen und ohne spürbares Turboloch. Ein wahrer Gentleman von einem Motor.
Bei den Fahrleistungen liegt der Audi leicht vorne
Rakete: Mit der Traktion zweier angetriebener Achsen schießt der RS 4 in 3,7 Sekunden auf 100 km/h.
Mit so viel Charisma kann der V6 des RS 4 nicht mithalten. Das liegt zum einen an seinem Klang, der ihn unter gedämpftem Auspuffrauschen mit rauer, aber einsilbiger Note auf seine Nennleistung pumpt und mit seinem ewig gleichen Trommeln beim Lupfen akustisch vollkommen digitalisiert wirken lässt. Zum anderen ist es die glattgebügelte Kraftentfaltung, die weniger Emotionen weckt als der feinnervige Alpina- Reihensechser. Schade – denn an sich ist das, was Audi hier entwickelt hat, ziemlich großes Kino: Das volle Drehmoment steht quasi aus dem Stand zur Verfügung und lässt den RS 4 aus tiefen Drehzahlen spürbar kraftvoller anreißen als der Alpina. Selbst bei Autobahntempo 200 mit knapp über 3000/min im achten Gang reicht der Schub locker aus, um große Steigungen mühelos emporzubeschleunigen. Bis 5000 Touren regiert das Drehmoment, dann übernimmt die volle Leistung bis knapp vor den Begrenzer das Zepter. Ecken und Kanten kennt die Leistungskurve des V6 dabei nicht. Er motorisiert mit beeindruckender Effizienz, ohne dies in irgendeiner Form aufreizend zu zelebrieren.
Das gilt in gleichem Maße für die Beschleunigung aus dem Stand, die auch ohne eine Launch-Control ein echtes Gewaltspektakel ist: Bremse halten, etwa 3000 Touren in den Wandler stauen, Bremse lösen – und schon schießt der RS 4 in gemessenen 3,7 Sekunden auf Tempo 100.
Alle Details zum Vergleich der beiden Sport-Kombis finden Sie in der Bildergalerie.
Fazit
von
Guido Komp
Mit dem Herz hätten wir uns für den gediegenen Alpina entschieden. Nach objektiver Bewertung ist der Audi RS 4 Avant aber der schnellere und modernere Power-Frachter und gewinnt diesen Vergleich knapp.