Dem geht einfach nicht die Puste aus. Der seit Ende 2014 dezent geliftete Audi RS 6 hängt auch noch bei 280 km/h mit seinen 700 Newtonmeter Drehmoment so satt am Gas, als wolle er erst richtig durchstarten. Und so ist die 300-km/h-Marke schnell geknackt. Audi sagt bei Tempo 305 "jetzt reicht's", doch die Nadel will noch etwas weiter Richtung Tachoende bei 320 km/h. Okay, das Heck des 4,98 langen Kombi wird jetzt selbst in den langgezogenen Kurven auf der Autobahn eine Spur zu leicht. Vielleicht hätten mehr Gepäck und zwei Kinder noch etwas auf die Hinterachse gedrückt? Als verantwortungsvoller Familienvater will man das nicht ausprobieren. Also, Zeit, zu verlangsamen. Kurzer Blick in den mit Karbon verzierten Seitenrückspiegel – keiner hinter uns, wie zu erwarten. Dann mit den fest zupackenden Keramikbremsen (Dynamikpaket Plus für 14.000 Euro) wieder in normale Geschwindigkeits-Regionen. Aber was ist bei einem RS 6 schon normal?
Alles zum Super-Kombi Audi RS 6 Avant

Familienkutsche? Vergiss es!

Audi RS 6 Avant Facelift
Bei 305 km/h macht nur der Begrenzer Schluss, der Motor hätte noch Luft nach oben.
Zum Facelift bekamen Front und Heck etwas Schminke, zudem hielten viele Assistenssyteme, wie z.B. der Spurwechselassistent, Einzug. Für manche ist der Audi RS 6 einer der begehrtesten Sportwagen, für andere nur ein dicker Kombi. Doch spätestens hinter dem Steuer vergeht auch den meisten Skeptikern das Zweifeln. Beim Anlassen des vier Liter großen und 560 PS starken V8 knallt es aus den zwei ovalen Endrohren wie bei einer Rennmaschine. Stets ist das dumpfe Grollen des Motors zugegen. Fast ist man versucht, sich in den Kofferraum zu legen, nur um noch näher an den Brülltüten zu lauschen. Soll es infernaler Brabbeln, reicht ein Gasstoß und die Abgasanlage dreht so richtig auf. In 3,9 Sekunden soll es auf Tempo 100 gehen – wer hat da nochmal etwas von Familienkutsche gesagt? Die Lenkung reagiert so präzise auf die Steuerbefehle am Volant, dass man lieber stets mit zwei Händen das perforierte Leder des Lenkrads im Griff behält.

Gebaut für die linke Spur

Audi RS 6 Avant Facelift
Bei der Heckansicht des RS 6 denkt man mehr an Familienkutsche als an Sportwagen.
Nicht nur über die Fahrbahn knallen, sondern auch entspannt cruisen kann der RS 6. Das Fahrwerk ist straff, schluckt Unebenheiten nicht übertrieben hart und wirkt Wankbewegungen in Kurven entgegen. Im Komfort-Modus, dürfen die adaptiven Dämpfer den Kombi nach Querfugen noch einen ganz kurzen Moment nachschwingen lassen, was die Insassen als minimal komfortabler gegenüber dem Dynamic-Mode empfinden. Wenn er nicht mindestens 9,6 Liter Super Plus auf 100 Kilometer fressen würde, wenn es nicht so wunderbar wäre, immer wieder zu beschleunigen, um den Motor bollern zu hören, ja, dann könnte man wahrscheinlich lange Strecken ohne Rast auf der Autobahn abreißen. So ist der RS 6 aber ein häufiger Gast an der Tanke. Immerhin haben die anderen Verkehrsteilnehmer dort die Möglichkeit, den Power-Kombi in Ruhe zu begutachten und Handyfotos zu machen, bevor er dann wieder im Sauseschritt über die Fahrbahn brüllt.
Technische Daten Audi RS 6 Avant Facelift: 4,0 Liter V8; 560 PS bei 5700 – 6600 U/min; 700 Nm bei 1750 – 5500 U/min; Höchstgeschwindigkeit 250 (Option: 280 / 305) km/h; Beschleunigung 0-100 km/h in 3,9 s; Verbrauch 9,6 l SP; CO2-Massenemission 223 g/km; Preis: ab 110.000 Euro
Robin Hornig

Fazit

Ein Kombi-Fan bin ich nicht. Fühle mich dann immer genötigt, ganz schnell Nachwuchs zu zeugen. Daran denkt man beim Audi RS 6 aber zum Glück auf dem Fahrersitz nie. Allerdings ist der Preis ab 110.000 Euro (schnell sind aber auch 160.000 Euro und mehr erreicht) eine verdammt heftige Ansage. Dafür könnte man beim sogenannten Haptik-Weltmeister Audi zumindest Schaltpaddles aus Aluminium und nicht aus Plastik erwarten.