Touristik und Transport – dafür stand das T beim Debüt des ersten offiziellen Mercedes-Kombis vor 40 Jahren. Das 123er-T-Modell gilt heute als Urvater der deutschen Lifestyle-Kombis. Seither hat sich viel getan: Beim neuen Topmodell Mercedes-AMG E 63 S 4Matic+ T-Modell ist nicht nur die – arg kryptische – Typenbezeichnung mindestens dreimal so lang, es hat auch mehr als die dreifache Leistung der damaligen Spitzenversion 280 TE. Da ist der Audi RS 6 Avant ein idealer Gegner, um herauszufinden, wo der Mercedes heutzutage steht.

Beim Kofferraumvolumen liegt der Benz vor dem Audi

Mercedes-AMG E63 S 4Matic+ T-Modell
Geschrumpft: Aktuell passen in den E-Klasse-Kombi nur noch 1820 Liter – beim AMG ist das egal.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Seinem Transportauftrag ist der Benz über die Jahre stets treu geblieben, wenngleich ein AMG-Kombi jetzt nicht direkt für die Baustelle gedacht ist und das T-Modell im Übrigen auch nicht mehr der Platzhirsch unter den Kombis ist. Trotz gewachsener Außenmaße verschwinden nur noch maximal 1820 Liter im Heck des S 213 – 130 Liter weniger, als ein Skoda Superb Combi wegsteckt. Doch für den Audi RS 6 Avant, hier und heute in der 605 PS starken Performance-Version, reicht es noch: Er packt lediglich kompaktklassige 1680 Liter. Doch das Ladevolumen soll natürlich nicht Dreh- und Angelpunkt dieses Vergleichstests sein, viel eher schon – Vorsicht, Kalauer! – das Ladervolumen. Dieses addiert sich hier wie da aus je zwei Turbos, die zwischen den Zylinderbänken positioniert sind. Auch im Hubraum von vier Litern und dem Output von über 600 PS ist man sich in Baden-Württemberg und Bayern einig. Ferner auch darüber, dass man solche Urgewalten am besten über ein Automatikgetriebe auf alle vier Räder loslässt. Zumindest grundsätzlich, der AMG hat jedoch eine nasse Anfahrkupplung und einen Gang mehr als der achtstufig wandelnde Audi.
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Der Allradantrieb des AMG hat einen Driftmodus

Mercedes-AMG E63 S 4Matic+ T-Modell
Querverkehr: Im Driftmodus wird die Vorderachse vom Antrieb entkoppelt – ein verzichtbares Feature.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
Zudem kann der Schwabe im Driftmodus die Vorderachse abkuppeln, was die Sache mit dem Querfahren natürlich ungemein erleichtert; die elektronisch geregelte Hinterachssperre trägt dazu ebenfalls ihr Scherflein bei. Wie oft – und vor allem wo – man dieses Feature dann wohl tatsächlich nutzen wird, nachdem man es ein-, zweimal ausprobiert hat? Wie auch immer, in allen übrigen Modi wird die Vorderachse von einer elektromechanischen Kupplung im Verteilergetriebe je nach Traktionsverhältnissen mit bis zu 50 Prozent der Antriebskraft beaufschlagt. Auch und gerade beim vollen Beschleunigen aus dem Stand: Per Race-Start-Funktion springt der mit Fahrer über 2,1 Tonnen schwere Kombi quasi schlupffrei unter bassigem Bollern und ploppenden Schaltsalven in gerade mal 3,4 Sekunden auf Landstraßentempo, die 200-km/h-Marke ist nach 11,4 Sekunden abgehakt. Das ist eine respektive sind fünf Zehntelsekunden mehr, als sich die 57 Kilogramm leichtere E 63 S-Limousine in unserem Supertest vom August nahm – angesichts des höheren Nutzwerts des Kombis dürfte das im Alltag zu verschmerzen ein.
Auch jenseits der 200 km/h lässt der Vorwärtsdrang kaum nach, die per Driver's Package von 250 auf 290 km/h angehobene Höchstgeschwindigkeit wird ruck, zuck erreicht. An der Gummiwand des Begrenzers schließlich scheint sich der AMG dann zu langweilen; man spürt, dass das Chassis noch wesentlich mehr vertragen könnte, wenn es denn dürfte.

Der Ringträger sprintet nur hauchdünn hinterher

Audi RS 6 Avant Performance
Hält Schritt: Längsdynamisch ist der RS 6 mit dem E 63 S fast auf Augenhöhe – und fühlt sich gewaltiger an.
Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD
In der Längsdynamik lässt sich der Ingolstädter jedoch keine Nase drehen: Sein Launch-Start vollzieht sich nicht weniger dramatisch als beim AMG, fauchend zieht er den Asphalt unter sich durch, um nach 3,5 und 11,8 Sekunden die 100er- und 200er-Marke zu durchbrechen. Auch wenn er ein paar Wimpernschläge langsamer ist, so fühlt er sich doch gewalttätiger an, vielleicht auch wegen seines unverschnittenen V8-Gewitters, gegen das der AMG-Sound leicht geflavourt wirkt. Das Allradsystem des Audi arbeitet mit grundsätzlich heckbetonter Momentenverteilung (40:60) und mittlerem Sperrdifferenzial. Das aktive hintere "Sportdifferenzial", Teil des 14.000 Euro teuren Dynamikpakets Plus, beschleunigt das kurvenäußere Hinterrad überproportional und hebelt so spürbar einer Untersteuertendenz entgegen. Das Paket umfasst ferner eine Vmax-Anhebung von 250 km/h auf wiederum abgeregelte 305 km/h, Keramikbremsen, Dynamiklenkung mit variierender Übersetzung und das schlaue Dämpfersystem Dynamic Ride Control.DRC reduziert Aufbaubewegungen, indem je zwei sich diagonal gegenüberliegende Stoßdämpfer über Ölleitungen miteinander verbunden sind und von je einem zentralen Ventil gesteuert werden. Bremst man beispielsweise in einer Linkskurve, bewirkt DRC eine stärkere Abstützung vorn rechts, was das Eintauchen und die Seitenneigung reduziert. Neben der für Größe und Gewicht sehr ausgeprägten Handlichkeit federt der RS 6 Avant auch recht manierlich. Nur die mächtigen 21-Zoll-Räder beeinträchtigen etwas den Langsamfahrkomfort, wohingegen lange, schnelle Autobahnetappen geschmeidig absolviert werden.
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Weitere Details zu den beiden Sport-Kombis finden Sie in der Bildergalerie.

Fazit

Der Audi RS 6 Avant Performance gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Er geht wie die Angst, handelt sich neutral und spielerisch und ist absolut fahrsicher. Doch das neue AMG E 63 S T-Modell hat einen Entwicklungsvorsprung und macht alles noch ein klein wenig besser: noch mehr Kraft, ein noch lebendigeres Handling bei noch besserem Federungskomfort. Und: Die AMG-Keramikbremse hält, was Mercedes verspricht, während die des Audi nach zwei Runden Sachsenring rauchend um eine Pause bittet.