Bio-Kettenöle für Fahrräder und E-Bikes im Labortest
Nachhaltiger Verschleißschutz: 8 Bio-Kettenschmiermittel im Test
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Ohne Schmiermittel läuft keine Fahrradkette. Doch bei der
Performance und der Nachhaltigkeit der Chemikalien gibt es erhebliche Unterschiede. Wir haben 8 Bio-Kettenschmiermittel für Sie im Labor unter die Lupe genommen.
Performance und der Nachhaltigkeit der Chemikalien gibt es erhebliche Unterschiede. Wir haben 8 Bio-Kettenschmiermittel für Sie im Labor unter die Lupe genommen.
Bild: Jozef Kubica
Inhaltsverzeichnis
Mineralöl ist out! Bioschmierstoffe, zum Beispiel aus Pflanzenölen, bieten teilweise sogar bessere Schmiereigenschaften als Mineralöl – wenn man der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe glauben darf. Wie gut ist „bio“ wirklich? Die Performance – also die Schmierwirkung und den Verschleißschutz – von Schmiermitteln zu vergleichen, ist schwieriger als angenommen. In Gesprächen mit Marktteilnehmern und bei Besuchen in Laboren zeigt sich: Zwar gibt es genormte Tests, doch darüber, welcher nun der beste sei, herrscht große Uneinigkeit.
8 Bio-Kettenschmiermittel im Test
# | Getestete Produkte | Preis | Testnote | Zum Angebot |
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1.
Testsieger
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15,99 EUR
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1,9
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2.
Preis-Leistungs-Sieger
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12,99 EUR
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2,3
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2.
Preis-Leistungs-Sieger
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12,99 EUR
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2,3
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4.
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15,49 EUR
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2,3
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5.
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8,95 EUR
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2,4
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6.
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10,90 EUR
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2,6
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7.
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9,90 EUR
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3,2
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8.
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5,99 EUR
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3,3
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Fazit: Bei diesem Ergebnis bleibt nur eine Frage: Warum bietet Dr. Wack überhaupt noch ein herkömmliches Kettenschmiermittel an? Das Bioschmiermittel nach OECD-Norm performt praktisch auf Augenhöhe mit Dr. Wacks klassischem Produkt (haben wir auch getestet), die Nachhaltigkeit sollte den Aufpreis wert sein.
Fazit: Antidot gehört zu den Firmen, die es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen. Die Flasche besteht aus Recycling-Plastik, das Öl selbst zu 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Für die Performance setzt Antidot auf den SRV-Test; auf dem Brugger-Prüfstand reicht es nicht für einen Spitzenplatz. Leider ist die Flasche recht klein.
Fazit: Dynamic hat im besten Sinne seine Hausaufgaben gemacht und wird mit dem zweiten Platz belohnt. Das Produkt kommt ohne böse Überraschungen beim Biofaktor aus. Der Hersteller wirbt sogar mit einer guten Brugger-Performance, dementsprechend schmiert das Bio All Round Lube auch auf diesem Prüfstand hervorragend.
Fazit: Überraschung! Mesh, ein kleines Start-up aus Bremen, teilt sich den zweiten Platz und mischt bei den Großen der Branche mit. Tolle Performance im Brugger-Test, die Flasche aus recyceltem Plastik und das Schmiermittel biologisch abbaubar nach OEDC-Norm 301 B – nicht schlecht für den ersten Auftritt, weiter so!
Bei Dr. Wack, wo wir unseren ersten Testlauf durchgeführt haben, setzt man auf das Verfahren nach Brugger, ein „Modelltest unter kontinuierlicher Gleitreibung zur Untersuchung der Hochdruckwirkung von Hydraulik- und Getriebeölen“. Dieser lässt sich mit einem entsprechenden Gerät nach DIN mit relativ wenig Zeitaufwand durchführen und liefert reproduzierbare Ergebnisse.
Bio-Kettenschmiermittel im Brugger-Test
Produkt
F100 Bio Kettenöl
Dynamic Bio All round lube
Mesh Bioschmierstoff
Muc-Off Kettenöl für Nässe
Antidot Kettenöl
Joe's No Flats Eco Nano Wet Lube
Biochem Antriebsöl
Hanseline Bio MTB Öl
Verschleißschutz
Schmierverhalten
Korrosion
Kriechfähigkeit
Schmutzanhaftung
Anwendung
Summe
Preis
Milliliter
Preis pro Liter
Schulnote
Bei einigen Mitbewerbern steht das Brugger-Verfahren in der Kritik: Eine rotierende Bewegung sei nicht mit dem Verhalten einer Fahrradkette vergleichbar, zudem lasse der Testzeitraum von gerade mal 30 Sekunden wenig Rückschlüsse auf Langzeitwirkung zu.
An diesem Gerät wird der Brugger-Test durchgeführt: Ein mit dem Schmiermittel benetzter Ring rotiert 30 Sekunden unter einem festgelegten Druck gegen einen zylindrischen Prüfkörper. Die abgeriebene Fläche am Prüfkörper gibt Aufschluss darüber, wie gut das Öl schmiert.
Bild: Lennart Klocke
Jan Gessert von Hanseline gibt zwar zu, dass man objektive Laborverfahren brauche, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, ergänzt jedoch, dass es ein Leichtes sei, ein Produkt auf die Anforderungen des Bruggertests hin zu entwickeln, da dieses Testverfahren auf bestimmte chemische Additive (Wirkstoffe) sehr gut anspreche. Hanseline setze darum auf langjährige praktische Erfahrung und die Zusammenarbeit mit Radfahrenden.
Markus Gottschlich von Antidot ergänzt, dass zum Beispiel Pfirsichnektar einen guten Wert im Bruggertest liefere, dennoch mitnichten zum Schmieren einer Fahrradkette geeignet sei. Als praxisnahe Methode sei dieser nicht geeignet, weswegen man bei Antidot auf den SRV-Test setze. Der Schwing-Reißverschleiß-Test (ebenfalls ein DIN-Test) könne mit einer oszillierenden Bewegung die Belastung einer Fahrradkette besser nachstellen. Grund genug für uns, nach Duisburg zu fahren und uns auch den SRV-Test zeigen zu lassen.
Bio-Kettenschmiermittel im SRV-Test
Produkt
Antidot Kettenöl
Mesh Bioschmierstoff
Muc-Off Kettenöl für Nässe
F100 Bio Kettenöl
Joe's No Flats Eco Nano Wet Lube
Biochem Antriebsöl
Verschleißschutz
Schmierverhalten
Korrosion
Summe
Doch auch diese Methode ist nicht unangefochten: Bei Dr. Wack betont man die Notwendigkeit, den SRV-Test genau nach DIN über den Zeitraum von zwei Stunden laufen zu lassen, bei Ausschlägen auf dem Reibungsprüfstand müsse der Test überdies wiederholt werden – beides führe dazu, dass der Test nicht praktikabel sei. Kurzum: Wen man in der Branche der Schmiermittelhersteller auch fragt, ohne Kritik am Verfahren der Mitbewerber kommt kein Gespräch aus.
Beim SRV-Test schwingt eine Kugel mit einer hohen Frequenz über eine mit dem Schmiermittel benetzte Fläche. Auch hier wird die abgeriebene Fläche gemessen, um Schmierleistung und Verschleißschutz zu beurteilen.
Bild: Lennart Klocke
Welches Testverfahren liefert die besten Ergebnisse? Anruf bei einem, der es wissen muss: Dr. Markus Grebe ist Wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums Tribologie (Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung) in Mannheim – die Institution, auf die sich auch die Produktprüfer von Dr. Wack berufen. Egal ob Brugger-, SRV- oder ein anderer Test, alle Verfahren seien, so Grebe, „stark abstrahierend“. Die Modelltests seien nicht ideal und beide weit weg von der Realkette, also der Praxis. Ergebnisse aus Labortests, egal ob oszillierend oder rotierend, seien nicht automatisch auf die Wirklichkeit übertragbar.
Fazit: Muc-Off liefert eine solide Performance auf dem Prüfstand. Beim Thema Bio gibt es indes Nachholbedarf: Unnötige Farb- und Aromastoffe sollen das Produkt anscheinend sexy machen. Dass das Produkt als „biologisch abbaubar“ deklariert ist, rechtfertig noch kein grünes Label auf der Verpackung.
Fazit: Die Kernkompetenz von Joe’s No Flats liegt, wie der Name andeutet, bei Reifendichtmitteln. Auf dem Prüfstand ist das Eco-Nano Wet Lube zwar kein Totalausfall, dafür hat das PTFE-haltige Wachs (PTFE = Kunststoff) den Namenszusatz Eco nach unserer Einschätzung nicht wirklich verdient. Es gibt bessere Alternativen.
Fazit: Schade, wir haben Bio-Chem im Bereich der (Fahrrad-) Reiniger als nachhaltig orientiertes Unternehmen kennengelernt. Dieses medizinische Weißöl indes ist laut eigenem Datenblatt nicht leicht biologisch abbaubar (nach OECD-Kriterien). Leider liefert uns auch die Schmierwirkung keinen echten Kaufgrund.
Fazit: „Mit Hanseline saust die Maschine!“ – der Werbespruch gilt leider nicht auf unserem Prüfstand. Das Antriebsöl mit Graphit läuft, das können wir bestätigen, in der Praxis längst nicht so schlecht, wie die Daten vermuten lassen (übrigens nicht nur an MTBs). Immerhin leicht abbaubar nach OECD-Norm 301 B.
In Kooperation mit Dr. Wack haben wir acht Kettenschmiermittel in deren Labor getestet. Um die Unabhängigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wurden alle Prüfungen unter den Augen unseres Redakteurs und eines Produktexperten von KÜS durchgeführt. Verschleißschutz und Schmierverhalten wurden nach dem Brugger-Verfahren getestet: Ein mit dem Testprodukt geschmierter Ring rotiert für 30 Sekunden über einen Zylinder. Nach Ablauf der Prüfung beziehungsweise währenddessen werden die abgeriebene Fläche (Verschleiß) und der Reibungskoeffizient (Schmierung) gemessen.
Beim Korrosionstest müssen mit dem jeweiligen Schmiermittel benetzte Prüfkörper 24 Stunden in Wasser stehen. Anschließend wird der Grad der Korrosion optisch beurteilt.
Bild: Lennart Klocke
Der Korrosionstest dauert mit 24 Stunden länger: Prüfkörper werden mit dem jeweiligen Produkt geschmiert und dann für 24 Stunden in Wasser gelegt. Nach Ablauf der Zeit wird per Sichtung entschieden, wie groß der Grad der Korrosion ist.
Simpel aber effektiv: Wie gut es um die Kriechfähigkeit bestellt ist, misst man, indem man das Schmiermittel zwischen zwei Glasscheiben laufen lässt und die zurückgelegte Fläche misst.
Bild: Lennart Klocke
Den Test der Kriechfähigkeit haben alle Kandidaten mit Bravour bestanden, denn auf einer Fahrradkette müssen Öle nicht besonders weit laufen. Dafür haben wir alle Mittel zwischen zwei Glasflächen kriechen lassen und die geschmierte Fläche gemessen. Um die Schmutzanhaftung zu testen, haben wir Prüfkörper mit dem jeweiligen Öl benetzt und in eine Schale mit genormtem Sand gelegt. Je nachdem, wie viel Sand im Anschluss an dem Prüfkörper haftete (gemessen mit einer Waage), haben wir die Schmutzanhaftung beurteilt.
Der "Prüfs(t)and" ist selbstverständlich genormt, so kann die Schmutzanhaftung objektiv ermittelt werden.
Bild: Lennart Klocke
Nicht unerheblich ist auch die Anwendung: Wie viel danebengeht, wie gut sich das Mittel dosieren lässt und wie sicher der Verschluss ist, haben wir in diesem Punkt bewertet. Der Biofaktor eines Produkts lässt sich indes nicht so eindeutig quantifizieren. Hierbei sind nicht nur die Herkunft der Rohstoffe, sondern auch Verpackung und Transport entscheidend sowie Faktoren wie die Ergiebigkeit und die Möglichkeit, Nachfüllpackungen zu kaufen. Für unsere Einschätzung zur Nachhaltigkeit haben wir Experten um eine Einschätzung gebeten und die Sicherheitsdatenblätter zu Hilfe genommen. Wichtig: Die Tatsache, dass ein chemisches Produkt biologisch abbaubar ist, sagt nur wenig über die Nachhaltigkeit aus. Schließlich ist auch Mineralöl grundsätzlich (über einen sehr langen Zeitraum) abbaubar.
Die wichtigsten Fragen zu Fahrrad-Kettenölen
Woran erkennt man ein gutes Kettenöl fürs Fahrrad?
In erster Linie muss ein Kettenschmiermittel sicherstellen, dass zwischen den beweglichen Teilen der Kette so wenig Reibung wie möglich entsteht, die Schmierwirkung. Darüber hinaus sollte es die Kette vor Verschleiß schützen. Pflicht für ein Kettenöl, -wachs oder -fett ist auch, dass die Metallteile der Kette vor Korrosion ("Rost") geschützt werden. Das beste Öl nützt nichts, wenn es nicht in den Laschen, Bolzen und Gliedern der Kette ankommt, deswegen sollte ein Mindestmaß an Kriechfähigkeit vorhanden sein. Ungünstig ist auch, wenn von den edlen Tropfen viel daneben geht, deswegen sollte das Mittel leicht aufzutragen und zu dosieren sein ("Anwendung"). Ganz wichtig zuletzt: Die Chemikalie darf nicht gesundheitsgefährdend sein.
Was ist der Unterschied zwischen Bio- und herkömmlichen Kettenöl?
Üblicherweise gilt für Bio-Kettenöle, dass diese zu einem großen Teil aus nachwachsenden und nicht (bzw. weniger) schädlichen Rohstoffen bestehen. Darüber hinaus interpretieren viele Hersteller die Bio-Eigenschaft auch so, dass die Verpackung aus nachwachsenden Rohstoffen oder Recycling-Plastik bestehen sollte. Achtung: Dass ein Produkt "biologisch abbaubar" ist, qualifiziert es nicht als Bio-Produkt.
Gibt es ein Bio-Siegel für Fahrradketten-Öle?
Nein, was im Bereich der Kettenschmiermittel für Labels wie "bio", "eco" oder "nachhaltig" gilt, ist nicht einheitlich geregelt. Auch ein grünes Siegel oder die Kennzeichnung als "vegan" bedeuten noch nicht, dass ein Produkt ungefährlich für Mensch und Natur ist.
Wie trage ich Fahrradketten-Öl richtig auf?
Generell gilt: Weniger ist mehr. Halten Sie die Öffnung der Flasche auf die untere Seite der Kette (die Innenseite) und geben Sie genau einen Tropfen auf jedes Kettenglied. Mehr ist nicht nötig. Drehen Sie die Kette im Anschluss ein paar Mal und wischen Sie überschüssiges Schmiermittel mit einem Lappen ab. Idealerweise geben Sie dem Mittel noch ein paar Minuten vor der ersten Fahrt, um überall hin zu kriechen.
Wie oft muss ich die Fahrradkette neu ölen?
Spätestens wenn die Fahrradkette Geräusche macht, ist es Zeit für neues Schmiermittel. Nach längeren Regenfahrten oder während Nässeperioden sollten Sie häufig nachschmieren. Bei Trockenheit indes reicht es, die Kette alle paar Wochen neu zu ölen. Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht, zu viele Faktoren wie Nässe und Temperatur, Kilometerleistung und Schaltverhalten sowie die Art von Kette und Schmiermittel spielen in die Rechnung mit ein.
Braucht man spezielles Kettenöl für E-Bikes?
Eigentlich nicht. Je leistungsfähiger ein (Bio-) Kettenöl ist, desto besser ist es für alle Arten von Fahrrädern geeignet. Egal ob Citybikes, Lastenräder, MTBs, Trekkingräder oder Rennräder mit und ohne Motor.
Brauche ich spezielle Kettenöle für Trockenheit und Nässe?
Für die meisten Anwender reichen die Allrounder, die in der Regel für den Einsatz bei Nässe und Trockenheit ausgelegt sind. Alltagsfahrer, die sich unsicher sind, sollten eher zu einem Kettenöl für Nässe (Wet Lube) greifen, damit ist man auf der sicheren Seite. Trockenschmiermittel (Dry Lube) ist nur für Radsportler interessant, die bei gutem Wetter das absolute Minimum an Reibung in der Kette haben möchten.
Disclaimer
Dieser Produkttest wurde unterstützt von Antidot, Dr. Wack, Mesh, Bio-Chem, Dynamic und Hanseline. Unsere Standards zu Transparenz und journalistischer Unabhängigkeit finden Sie hier.
Fazit
Praxiserfahrungen und Laborwerte haben gezeigt, dass die untersuchten Schmiermittel allesamt ordentlich funktionieren und ihren Job erfüllen. Fest steht schon jetzt: Es gibt keinen Grund mehr, auf Bio bei Schmiermitteln zu verzichten.