Cannabis, Autofahren, Studie, Unfallzahlen
Bekifft über den High-Way rauschen

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Deutschland plant die Cannabis-Freigabe. Die Zahl berauschter Autofahrer wird dadurch steigen, ebenso die Unfallgefahr. Das legen neue Studien aus den USA und Kanada nahe.
Bild: dpa
Bei der Umsetzung ihrer Themen zeigt die Ampel der Bundesregierung öfter Rot als Grün. So einigte man sich im Koalitionsvertrag zwar auf die straffreie Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Doch obwohl ein Gesetzentwurf in der Schublade liegt, diskutieren Politiker und Wissenschaftler weiterhin über Grenzwerte des Hanfwirkstoffs THC (Tetrahydrocannabinol), die Eigenbesitzmenge und das Unfallrisiko im Straßenverkehr. Denn neue Studien über kiffende Autofahrer sind alarmierend.
"Es gibt erste Erkenntnisse aus den USA, dass nach der Legalisierung die Verkehrsunfälle angestiegen sind", sagt Dieter Müller, Professor an der Hochschule der Sächsischen Polizei. So erlaubte etwa der Bundesstaat Washington den freien Handel mit Cannabis. „Dort stieg der Fahreranteil an tödlichen Verkehrsunfällen mit THC im Blut von 9,3 vor der Legalisierung auf 19,1 Prozent“, so Müller. Für Deutschland will er keine Prognose abgeben, denn "andere Studien zeigen das Gegenteil".
Null-Toleranz-Grenze für Kiffer
Etwa vier Millionen Deutsche konsumieren gelegentlich Cannabis. Während Autofahrer mit einem Feierabendbier berauscht bis zur 0,5-Promille-Grenze fahren dürfen, gilt nach einem Feierabendjoint für Kiffer die Null-Toleranz-Grenze: Schon ein Nanogramm THC je Milliliter (ng/ml) Blut führt zu einer Mitteilung an die Straßenverkehrsbehörde, es drohen Führerscheinentzug und eine teure MPU ("Idiotentest").

„Die Forschungs- und Erkenntnis- lage zum Einfluss von Cannabis im deutschen Straßenverkehr ist dünn.“
Prof. Dr. Dieter Müller, Hochschule der Sächsischen Polizei
Prof. Dr. Dieter Müller, Hochschule der Sächsischen Polizei
Bild: Robert Michalk
Wie sich illegale Kiffer im Verkehr verhalten, zeigt eine Studie am Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Düsseldorf. Dort wurden 4350 Verkehrskontrollen von bekifften Autofahrern ausgewertet. Haupterkenntnis der Mediziner: Der Abbau des THC-Wirkstoffs und seiner Nebenprodukte erfolgt weniger vorhersehbar als bei Alkohol, kritische Zustände seien noch viele Stunden nach dem Cannabiskonsum zu erwarten. Fahrsimulatorstudien zeigten: Wer sich gleich nach einem Joint ans Steuer setzt, macht diverse Fahrfehler. Nach drei Stunden ist der Rausch verflogen, nach sechs Stunden steigt die Fehlerquote aber wieder.
Erfahrung scheint cannabisbedingte Defizite auszugleichen
Gerade die Gruppe junger Menschen mit ihrem ohnehin erhöhten Unfallrisiko und der größeren Offenheit für Drogen bereitet Anlass zur Sorge. Für unter 25-Jährige sollte unabhängig aller Grenzwertdiskussionen eine Null-Toleranz-Lösung gelten, fordern die Mediziner. Interessant: Von den bei Kontrollen ertappten Bekifften fuhr mehr als die Hälfte der über 35-Jährigen unauffällig. Erfahrung scheint cannabisbedingte Defizite ausgleichen zu können.
Schon ein THC-Gehalt von 3 bis 4 ng/ml im Blut soll der 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol entsprechen. Eine weitere, ganz aktuelle Studie über bekiffte Fahrer, die Verkehrsunfälle mit Verletzten verursachten, stammt aus Kanada. Demnach verdreifachte sich nach der Legalisierung von Cannabis die Zahl der Autofahrer, die mehr als 5 ng/ml THC im Blut hatten. Verkehrsjurist Müller fordert weitere Forschung: "Sonst sind die möglichen Folgen für die Verkehrssicherheit unkalkulierbar."
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