"Die Elektroautos der Zukunft werden Carbazol statt Strom tanken!" Der Satz ist erst wenige Tage alt und stammt von Professor Wolfgang Arlt, Verfahrenstechniker an der Uni Erlangen. Es ist ein Satz, der die Auto-Welt aus den Angeln heben könnte. Bislang müssen E-Mobile zum Nachladen entweder an die Steckdose oder zur Wasserstoff-Tankstelle. Große, schwere und teure Akkus, lange Ladezeiten bei Batterieautos und der gefährliche Umgang mit dem flüchtigen und hochexplosiven Wasserstoff bei E-Autos mit Brennstoffzelle sind die wichtigsten Gründe dafür, dass sich der Elektroantrieb gegenüber dem Verbrenner noch nicht durchsetzen konnte.
Das elektrische Benzin
Professor Wolfgang Arlt, Uni Erlangen: "Carbazol ist der ideale Energieträger."
Dies könnte sich bald ändern, denn Forscher Arlt hat eine Methode entwickelt, um in der Flüssigkeit Carbazol große Mengen Wasserstoff chemisch zu speichern und ihn später wieder zurückzugewinnen. Im Auto würde mit diesem Wasserstoff eine Brennstoffzelle zur Stromerzeugung betrieben werden. Zurück in den Tank fließt das "entladene", energiearme Carbazol, das an der Tankstelle wieder gegen die mit Wasserstoff "aufgeladene", energiereiche Variante getauscht wird.

"Die Atmosphäre wird nicht belastet"

Das elektrische Benzin
Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium: "Das ist die Zukunft im Automobilbau."
Die Wiederaufarbeitung des energiearmen Carbazols in das energiereiche könnte dezentral direkt an Orten erfolgen, wo Strom produziert wird, also in Windparks in der Nordsee oder sogar mit Solarenergie in der Sahara. Carbazol lässt sich nämlich – anders als Wasserstoff – ungefährlich und ohne Verluste über weite Strecken in Pipelines transportieren oder in Tanks lagern. Entscheidender Vorteil gegenüber allen anderen Energieträgern ist für Arlt der Kreislauf: "Carbazol ist als energietragende Substanz deswegen so gut, weil es sich um einen geschlossenen Kreislauf handelt. Die Atmosphäre wird nicht belastet, anders als bei der Nutzung fossiler Brennstoffe."

Brennstoffzelle in Großserie

Auch im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sieht man Arlts Arbeit mit großem Interesse. "Das ist die Zukunft im Automobilbau!", jubelt Staatssekretär Rainer Bomba im Gespräch mit AUTO BILD. "Hier müssen wir massiv investieren, hier können wir Weltmarktführer wer- den." Zurzeit läuft ein Forschungsantrag des Erlanger Instituts für Verfahrenstechnik, das BMVBS will das Projekt mit zunächst 400.000 Euro unterstützen. Die Unternehmen BMW, MAN und Siemens sind bereits mit im Boot, Daimler bestätigte gegenüber AUTO BILD, dass man sich intensiv mit dem Thema befasse. Bis wir mit Carbazol Auto fahren, werden laut Arlt allerdings weitere acht bis zehn Jahre Entwicklungszeit vergehen. Das klingt lang, aber, so der Professor: "Schließlich geht es hier um die Umstellung einer kompletten Infrastruktur von fossilen Brennstoffen auf ein neues System. Und das muss sorgfältig geplant werden."

Fazit

von

Frank Rosin
Nur mit viel Energie ließ sich der hochexplosive Wasserstoff bisher handhaben – was seine Ökobilanz zerstörte. Dank Carbazol kann es sich nun endlich lohnen, mit kanadischer Wasserkraft oder afrikanischer Sonne erzeugten Wasserstoff überallhin zu transportieren. In Tankschiffen oder Pipelines. Und für Deutschlands Autoindustrie wäre das E-Benzin nicht nur Durchbruch, sondern nach verschlafener Hybrid-Technikauchspäte Genugtuung.