Mit optischen Anleihen bei den Urahnen wagte Chevrolet 2009 einen Neuaufguss des legendären Muscle Cars. Ein heißer Tipp – oder wird der junge Wilde gebraucht zum Albtraum?
Ist der schon an? Nach dem Anlassen stellt sich die erste Ernüchterung ein. Leise und kaum vernehmbar brabbelt der V8 unter der gestreiften Haube vor sich hin. Ein Mercedes CL 500 kann es kaum dezenter. Nicht gerade die Show, die man von einem Muscle Car erwartet. Und nichts anderes will die ab 2009 vorgestellte fünfte Generation des Chevrolet Camaro doch sein. Optisch eng angelehnt an die Urversion soll er mit seinem bösen Blick die runden Cab-Forward-Vorgänger-Flops vergessen machen.
AUTO BILD Gebrauchtwagenmarkt
39.950 €
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* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung klappte das auch ganz gut, auch wenn die Zulassungszahlen hierzulande immer exklusiv blieben. Die leistungsaffinen Käufer werden nicht enttäuscht, schon das Einstiegsmodell leistet 305 PS aus 3,6 Litern. Die nächste Eskalationsstufe zündet mit 322 PS. Nicht schlecht, aber eben nur Sechszylinder. In einem potenten Power-Ami ist das ungefähr so begehrt, als würde VW den Golf GTI mit Dreizylinder anbieten.
Das Schaltverhalten der Automatik grenzt an Arbeitsverweigerung
Der 6,2-Liter wuchtet 405 PS und 566 Nm auf die Straße. Dort ist er schneller, aber auch leiser, als man denken könnte.
Also her mit dem fetten 6,2-Liter-V8. Er ist mit seinen 405 PS die Antworten auf alle Fragen jenseits der Klimadebatten. Oder sogar diesseits? Immerhin bietet das Ungetüm eine Zylinderabschaltung. Theoretisch sollen so 13 Liter reichen. Praktisch geht das auch, aber eben nur, wenn das Tier über die Straßen getragen wird. Lässig und ohne mit der Drehzahlnadel zu zucken, schubst der leise Riese den Camaro dann durch die Gegend, fällt von allein immer wieder in ein sanftes Cruisen. An Arbeitsverweigerung grenzt das bei so ruhiger Fahrweise schon provozierend langsame Schaltverhalten der Sechsstufen-Automatik. Der Wandler gibt sich zäh und unwillig, die 556 Nm Drehmoment werden es schon richten. Schade, immerhin liefert die Lenkung für einen Ami erstaunlich viel Rückmeldung, auch das Fahrwerk (Vorderachse mit Doppelquerlenkern und Vierlenker-Hinterachse) geriet in Verbindung mit den 20-Zöllern erstaunlich präzise. Wer es aber übertreibt, sieht sein Heck beim Überholansatz, bevor recht spät das ESP radikal eingreift. Wer ungetrübten Fahrspaß erleben möchte und den dafür notwendigen Platz hat, kann die Spaßbremse auch komplett abschalten und das Schauspiel erleben, wenn 405 PS die Hinterreifen vernaschen.
Bei ordentlicher Pflege ist der Camaro ein dankbarer Freund
Die Antriebswellenmanschetten sind von der rissigen Sorte, müssen immer wieder getauscht werden.
Dieses Entweder-oder sollte auch für Gebrauchtkäufer zum Hauptkriterium werden: Wer war der Vorbesitzer? Vincent Walzberg vom Bremer US-Spezialisten Classic-Cars in Bremen: "Unsere Kunden teilen sich auf in absolute Liebhaber, die ihr Schätzchen nur an wolkenlosen Sonntagen aus der beheizten Garage holen, oder eben die, die einfach viel Power fürs Geld wollen." Deren Fahrzeuge sind es am Ende auch, die für die Werkstattauslastung sorgen, denn bei ordentlicher Pflege ist so ein Camaro ein dankbarer Freund. Wenn etwas kaputtgeht, sind es oft die Antriebswellenmanschetten, die bei starker Belastung den Geist aufgeben. In Schaltfahrzeugen hat das Ausrücklager der Kupplung schwer mit der Leistung zu kämpfen und schreit je nach Fahrweise nach 10- bis 20.000 Kilometern nach Erneuerung. Verschlissene Gummis an den Koppelstangen machen mit lautem Klappern auf sich aufmerksam. Nur einige Fahrzeuge aus 2009 hatten mit starken Vibrationen zu kämpfen. Im Zuge eines Rückrufs wurde das Problem behoben. Der Kauf des großen V8 lässt sich im Familienrat mit den chronischen Kettenspannerproblemen der Sechszylinder rechtfertigen. Bei einigen Modellen aus 2012 streikten die Wärmetauscher. Ein teurer Spaß, da hierfür der komplette Armaturenträger ausgebaut werden muss. Auf Garantie wurde dagegen den paar Fahrzeugen geholfen, deren Differenziale sich wegen Ölmangels spektakulär zerlegten.
Die Rostvorsorge hat ihren Namen endlich verdient
Breite, bequeme Sitze, grobschlächtiges, aber leicht verständliches Cockpit. Speziell im Bereich um die Automatikkulisse fallen die Materialien sehr billig aus.
Serienmäßig ist die etwas rustikale Verarbeitung. So gleicht der Ritt mit dem wabbeligen Wählhebel durch die grobschlächtige Gasse des Automatikgetriebes einem Zufallsgenerator, Verschalten ist Ehrensache. Die rustikalen Drehregler der Klimaanlage kennen wir vom bunten 90er-Jahre-Sony-Kassettenrecorder der Kinder, und der Klang der Türen vermittelt die Solidität einer verrosteten Cola-Dose. Ami-Käufer kennen das – und stören sich daran genauso wenig wie an den etwas dünn lackierten Stoßfängern. Dem grundsoliden Wesen des Camaro tut das keinen Abbruch. Zumal auch die Rostvorsorge endlich ihren Namen verdient.Selbst an frühen, mittlerweile elf Jahre alten Fahrzeugen beißt sich die braune Pest die Zähne aus. Auch die Auspuffanlage gilt als überaus standfest. In Anbetracht der 2000 Euro für ein Neuteil mit Einbau ein großes Glück für die Besitzer. Alle 40- bis 50.000 Kilometer werden faire 800 Euro für einen neuen Satz 245er- respektive 275er-Mischpellen von Pirelli fällig, die Jahreswartung verschlingt 350 bis 650 Euro. Alle, die mehr als Cruisen auf der To-do-Liste stehen haben, nutzen den ersten Bremsentausch für ein kleines Update auf gelochte Scheiben und sagen damit dem Fading den Kampf an. Auch Stahlflexbremsleitungen für 400 Euro und ein Sportfahrwerk (z. B. KW-Suspension Phase 1 für rund 1900 Euro) sind lohnende Investitionen.
EU-Modelle sind die bessere Wahl
Camaro-Kenner schließen mindestens eine Teilkaskoversicherung ab, die auch den Scheibentausch übernimmt. Aufgrund des integrierten Fernstartsensors fällt der Wechsel mit rund 2000 Euro sonst ungemütlich teuer aus. Immerhin gilt das nicht für den Kaufpreis. Sechszylinder locken schon mit Kursen deutlich unter 20.000 Euro, solide V8 starten bei rund 25.000 Euro. Wer die Wahl hat, greift zum EU-Modell, erkennbar an den größeren Seitenspiegeln mit integriertem Blinker, LED-Rückleuchten und – mit Blick auf die deutsche Geschichte – fehlenden SS-Schriftzügen. Unser Testwagen von Friesoyther-Automobile zeigte sich auch nach sechs Jahren und 60.000 Kilometern noch taufrisch und wie geleckt. Die geforderten 24.950 Euro erscheinen da nur fair. Zumal der Verkäufer noch Spielraum signalisiert. Vor allem aber ist der Ami original und unverbastelt und damit auch in Zukunft wertstabil. Und das, obwohl er für ein Muscle Car so leise ist.
Bildergalerie
Gebrauchtwagen-Test Chevrolet Camaro
Fazit von Malte Büttner: Mit fettem V8 und ausladender Karosserie ist der Chevrolet Camaro ein klassischer Ami. Umso mehr überrascht er mit ziemlich viel Sportsgeist und grundsolidem Wesen. Ein Traum, der auch im Alltag bezahlbar bleibt. Urteil: vier von fünf Punkten.
2009 wagte Chevrolet den Neuaufguss des legendären Muscle Cars. Klar ist: Auch die fünfte Generation des Camaro ist ein klassischer Ami. Aber ist er auch ein heißer Tipp – oder wird er gebraucht zum Albtraum?
Bild: Roman Raetzke
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Nach dem Anlassen stellt sich die erste Ernüchterung ein. Leise und kaum vernehmbar brabbelt der V8 unter der gestreiften Haube vor sich hin. Ein Mercedes CL 500 kann es kaum dezenter. Nicht gerade die Show, die man von einem Muscle Car erwartet.
Optisch eng angelehnt an die Urversion soll er mit seinem bösen Blick die runden Cab-Forward-Vorgänger-Flops vergessen machen. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung klappte das auch ganz gut, auch wenn die Zulassungszahlen hierzulande immer exklusiv blieben.
Bild: Roman Raetzke
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Die leistungsaffinen Käufer werden nicht enttäuscht, schon das Einstiegsmodell leistet 305 PS aus 3,6 Litern. Die nächste Eskalationsstufe zündet mit 322 PS. Nicht schlecht, aber eben nur Sechszylinder.
Also her mit dem fetten 6,2-Liter-V8. Er ist mit seinen 405 PS die Antworten auf alle Fragen jenseits der Klimadebatten. Oder sogar diesseits? Immerhin bietet das Ungetüm eine Zylinderabschaltung. Theoretisch sollen so 13 Liter reichen. Praktisch geht das auch, aber eben nur, wenn das Tier über die Straßen getragen wird.
Bild: Roman Raetzke
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Ohne mit der Drehzahlnadel zu zucken, schubst der leise Riese den Camaro dann durch die Gegend, fällt von allein immer wieder in ein sanftes Cruisen. An Arbeitsverweigerung grenzt das bei so ruhiger Fahrweise langsame Schaltverhalten der Sechsstufen-Automatik.
Bild: Roman Raetzke
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Immerhin liefert die Lenkung für einen Ami erstaunlich viel Rückmeldung, auch das Fahrwerk (Vorderachse mit Doppelquerlenkern und Vierlenker-Hinterachse) geriet in Verbindung mit den 20-Zöllern erstaunlich präzise.
Wer es aber übertreibt, sieht sein Heck beim Überholansatz, bevor recht spät das ESP radikal eingreift. Wer ungetrübten Fahrspaß erleben möchte und den dafür notwendigen Platz hat, kann die Spaßbremse auch komplett abschalten und das Schauspiel erleben, wenn 405 PS die Hinterreifen vernaschen.
Bild: Roman Raetzke
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Vincent Walzberg vom Bremer US-Spezialisten Classic-Cars in Bremen: "Unsere Kunden teilen sich auf in Liebhaber, die ihr Schätzchen nur an wolkenlosen Sonntagen aus der Garage holen, oder die, die einfach viel Power fürs Geld wollen." Deren Fahrzeuge sorgen für die Werkstattauslastung, denn bei ordentlicher Pflege ist so ein Camaro ein dankbarer Freund.
Bild: Roman Raetzke
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Wenn etwas kaputtgeht, sind es oft die Antriebswellenmanschetten, die bei starker Belastung den Geist aufgeben.
In Schaltfahrzeugen hat das Ausrücklager der Kupplung schwer mit der Leistung zu kämpfen und schreit je nach Fahrweise nach 10- bis 20.000 Kilometern nach Erneuerung.
Verschlissene Gummis an den Koppelstangen machen mit lautem Klappern auf sich aufmerksam. Nur einige Fahrzeuge aus 2009 hatten mit starken Vibrationen zu kämpfen. Im Zuge eines Rückrufs wurde das Problem behoben.
Der Kauf des großen V8 lässt sich im Familienrat mit den chronischen Kettenspannerproblemen der Sechszylinder rechtfertigen. Bei einigen Modellen aus 2012 streikten die Wärmetauscher. Ein teurer Spaß, da hierfür der komplette Armaturenträger ausgebaut werden muss.
Bild: Roman Raetzke
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Auf Garantie wurde dagegen den paar Fahrzeugen geholfen, deren Differenziale sich wegen Ölmangels spektakulär zerlegte.
Serienmäßig ist die etwas rustikale Verarbeitung. So gleicht der Ritt mit dem wabbeligen Wählhebel durch die grobschlächtige Gasse des Automatikgetriebes einem Zufallsgenerator, Verschalten ist Ehrensache. Die rustikalen Drehregler der Klimaanlage kennen wir vom bunten 90er-Jahre-Sony-Kassettenrecorder der Kinder, ...
Bild: Roman Raetzke
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... und der Klang der Türen vermittelt die Solidität einer verrosteten Cola-Dose.
Ami-Käufer kennen das – und stören sich daran genauso wenig wie an den etwas dünn lackierten Stoßfängern. Vor allem die Stoßfänger bekamen im Werk nur einen Hauch Lack ab. Der sucht dann bei ersten Steinschlägen gern das Weite.
Dem grundsoliden Wesen des Camaro tut das keinen Abbruch. Zumal auch die Rostvorsorge endlich ihren Namen verdient. Selbst an frühen, mittlerweile elf Jahre alten Fahrzeugen beißt sich die braune Pest die Zähne aus.
Alle 40- bis 50.000 Kilometer werden faire 800 Euro für einen neuen Satz 245er- respektive 275er-Mischpellen von Pirelli fällig, die Jahreswartung verschlingt 350 bis 650 Euro. Alle, die mehr als Cruisen auf der To-do-Liste stehen haben, nutzen den ersten Bremsentausch für ein kleines Update auf gelochte Scheiben und sagen damit dem Fading den Kampf an.
Bild: Roman Raetzke
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Camaro-Kenner schließen mindestens eine Teilkaskoversicherung ab, die auch den Scheibentausch übernimmt. Aufgrund des integrierten Fernstartsensors fällt der Wechsel mit rund 2000 Euro sonst ungemütlich teuer aus. Immerhin gilt das nicht für den Kaufpreis. Sechszylinder gibt es deutlich unter 20.000 Euro, solide V8 starten bei rund 25.000 Euro.
Bild: Roman Raetzke
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Wer die Wahl hat, greift zum EU-Modell, erkennbar an den größeren Seitenspiegeln mit integriertem Blinker, LED-Rückleuchten und – mit Blick auf die deutsche Geschichte – fehlenden SS-Schriftzügen.
Fazit von Malte Büttner: Mit fettem V8 und ausladender Karosserie ist der Chevrolet Camaro ein klassischer Ami. Umso mehr überrascht er mit ziemlich viel Sportsgeist und grundsolidem Wesen. Ein Traum, der auch im Alltag bezahlbar bleibt. Urteil: vier von fünf Punkten.