Sachsenring in einem echten Rennwagen? Das muss noch mal eine ganz andere Welt sein. So ein leichter GT3 mit Slicks und heftigem Abtrieb, wie groß sind da wohl die Unterschiede zum Serienauto? Die Rundenzeiten aus der ADAC GT Masters sind bekannt; wenn das Wetter passt, schaffen die Boliden locker 1:18er-Zeiten. Das ist noch einmal acht Sekunden schneller als unser neuer Rekordhalter Porsche 911 GT2 RS. Bisher blieb es beim Zuschauen übers TV oder an der Strecke. Doch dann rief Patrick Hermann von Chevrolet Europe an: "Willst du die GT3-Corvette am Sachsenring fahren?" "Na klar!" Und um den Unterschied zwischen Straßen- und Rennauto noch besser zu checken, bringt Hermann auch noch eine Z06 mit.

Der Tracktest-Kandidat ist echte Rennsport-Prominenz

Corvette GT3-R
Originales Meisterauto: Jules Gounon gewann 2017 mit dieser Corvette GT3-R die ADAC GT Masters.
Das Callaway-Team hat nicht etwa einen ausrangierten GT3 dabei, nein, es ist das 2017er-Original-Meisterauto von Jules Gounon. Die C7 GT3-R debütierte 2016 in der Rennserie ADAC GT Masters und holte auf Anhieb den dritten Platz in der Meisterschaft. Dazu wurde das Auto nicht wie bei der Konkurrenz von Audi, BMW und Porsche direkt von der Serie abgeleitet und als Kundenfahrzeug frei zum Kauf angeboten. Chevrolet konzentrierte sich von jeher auf die C7.R, die in Le Mans und in der amerikanischen IMSA-Rennserie zum Einsatz kommt. Einen werkseigenen GT3-Kundensportler gab und gibt es nicht. Aus diesem Grund setzte sich das in Leingarten ansässige Callaway-Team Anfang 2014 an einen Tisch, um einen eigenen GT3-Racer auf die Räder zu stellen. Der damalige technische Direktor und heutige Teamchef Mike Gramke und sein Team fingen bei null an. Vom Straßenauto stammt nur das Chassis, dazu der untere Querlenker in umgebauter Form, die obere Hälfte des Fahrzeughecks und die Rückleuchten. Alle anderen Teile wurden entweder neu entwickelt, gebaut oder gefräst. Hier stecken also jede Menge Handarbeit und Herzblut drin.

Nach der Papierform liegt das Serienauto vorne

Corvette Z06
Die Z06 bläst den 6,2-Liter-V8 mittels Kompressor auf 659 PS auf – rund 80 PS mehr als das Rennauto.

Den Motor übernahm das Team, mit kleinen Veränderungen, vom Vorgänger C6 GT3: 6,2-Liter-V8, 580 PS stark – im Vergleich zur aktuellen Straßen-Z06 ein Manko von rund 80 PS. Warum? Zum einen verzichtete Callaway auf die im Serienauto eingesetzte Kompressoraufladung, zum anderen tritt die sogenannte BoP (Balance of Performance) auf die Power-Bremse; sie soll Leistungsunterschiede der antretenden Rennautos weitgehend nivellieren. Auch das Serienauto ist inzwischen zusammen mit Patrick Hermann an der Rennstrecke eingetroffen: eine aktuelle Corvette Z06 mit Z07-Track-Paket und den klebrigen Michelin-Semislicks mit ZP-Kennung. Die Pellen messen vorn 19 und hinten 20 Zoll, der Rennwagen begnügt sich mit 18-Zöllern von Pirelli rundum. Dahinter rotieren geschlitzte Stahlscheiben, die Z06 verzögert mit noch größeren Keramikstoppern. Das Fahrwerk des Straßenautos ist per Drehregler elektrisch einstellbar, von Tour bis Track ändert man hier die Kennlinien. Auch das Fahrwerk der GT3-Corvette ist einstellbar, nur eben manuell und von außen. Dabei handelt es sich um ein Zweiwege-MDS-Rennsport-Gewindefahrwerk von Bilstein.Getriebe? Rennwagen wie üblich sequenziell mit sechs Gängen über Schaltwippen am Lenkrad, Serie in diesem Fall manuell mit sieben Gängen. Dazu die Rev-Mode-Wippen am Lenkrad für Zwischengas beim Runterschalten. Genug der Theorie und Technik. Es ist 14 Uhr, der Sachsenring inzwischen abgetrocknet. Der amtierende ADAC GT Masters-Sieger Jules Gounon sitzt im GT3-Renner und fährt den Ami drei Runden warm. Anschließend muss ich zur Sitzprobe und Fahrschule.
Wie es AUTO BILD SPORTSCARS-Fahrer Guido Naumann ergangen ist, erfahren Sie in der Bildergalerie.
Guido Naumann

Fazit

Das Wichtigste nach diesem Tracktest: Das Meisterauto steht ohne Kratzer wieder in der Box. Und der Gastpilot hat wieder einen annehmbaren Ruhepuls. Erkenntnisse? Die Z06 flasht in der Beschleunigung viel mehr als der GT3, dafür sind die Kurvengeschwindigkeiten im Rennwagen gefühlt doppelt so schnell.