Nichts für schwache Nerven, so eine Fahrt mit der Achterbahn. Wenn die Wagen steil vornüberkippen oder sich zum Looping Richtung Himmel schrauben, ist das Geschrei groß, das Vergnügen ebenso. Auf eine Fahrt voller Höhen und Tiefen nahm uns auch der Alfa 159 Sportwagon während seines Marathons über 100.000 Kilometer mit. Große Gefühle sind ja eine Spezialität der Italiener und der Alfa macht da keine Ausnahme. Im Februar 2007 ging es los: Der Alfa 159 2.4 JTDM in Champagnesilver-metallic weckte pure Begeisterung. Lag es an der Farbe? Noch mal: Champagnesilver-metallic, sie heißt wirklich so. "Es ist jeden Morgen eine Freude, dieses bildschöne Auto zu sehen", schwärmten die Kollegen Alex Cohrs und Kersten Weichbrodt natürlich nicht nur von der Farbe.

Einhellige Meinung der Redaktion: Was für ein schönes Auto!

Alfa Romeo 159 Sportwagon 2.4 JTDM 20V Distinctive
"Großartiges Cockpit, viel echtes Alu, so etwas gibt es heutzutage eher selten", lobte Kersten Weichbrodt, der bei AUTO BILD zuständig ist für schöne Bilder. Dass im Alfa nicht unbedingt die Funktion der Form folgt, störte offensichtlich niemanden. Die Übersicht zum Beispiel ist mies und der Kofferraum mit einer Größe von 445 Litern für einen Kombi ziemlich mickrig. Typisch auch die Taste zur Heckklappen-Entriegelung, die Alfa verwegen am Dachhimmel platziert hat. Also dort, wo man sie garantiert nicht vermutet. Aber schon gut, wahre Alfisti nehmen solche Details sowieso nur am Rande wahr. Sie interessieren sich eher für den Motor.

Fünfzylinder-Diesel mit sattem Schub und heiserem Sound

Und dieser kräftige 2,4-Liter-Diesel mit 200 PS konnte auch unsere Herzen durchweg erwärmen. Beim Start zwar etwas rappelig, danach aber mit schönem, heiserem Fünfzylinder-Sound, starkem Antritt und ausgeprägter Drehfreude. "Angenehmes Aggregat, spritzig, zügig und auf der Bahn mit mächtigem Schub, nur bei hohem Tempo laut", befand Tester Uli Holzwarth. Alles paletti also? Bis hierher schon. Doch nachdem sich bei Kilometerstand 11.060 die Kennzeichen-Beleuchtung verabschiedet hatte, tauchten erste Zweifel auf: Geht es jetzt etwa los mit dem italienischen Schlendrian? Kilometerstand 13.390 gab die Antwort: ABS, ASR und VDC ausgefallen.

Alfa im Notlauf-Programm

1358 Kilometer später wurde es ernst: Unser Alfa fiel ins Notlauf-Programm, schaffte es gerade noch bis in die Werkstatt. Diagnose dort: Mechanik der Abgasrückführungsregelung defekt. Abhilfe: eine neue Ansaugbrücke. Gleichzeitig tauschten die gut informierten Mechaniker Spannrolle und Zahnriemen gegen bessere Qualitätsteile, da die ursprünglich verbauten als Ursache für Motorschäden ausgemacht worden waren. Den Fehler mit der Mechanik der Klappensteuerung kennen wir übrigens auch aus dem Opel-Astra-Dauertest – was Wunder: Das Aggregat stammt schließlich aus der gleichen Motorenfamilie.

Motorschaden nach knapp 20.000 Kilometern

Alfa Romeo 159 Sportwagon 2.4 JTDM 20V Distinctive
Immerhin: Unser Dauertest-Alfa lief die folgenden 6000 Kilometer bestens. Doch dann kam es dicke. Bei schneller Fahrt auf der A 7 drangen plötzlich heftige Geräusche aus dem Motorraum, die Leistung fiel schlagartig ab. Der Alfa musste in die nächste Werkstatt geschleppt werden. Um es kurz zu machen: Der 159 brauchte ein neues Triebwerk, und das nach gerade mal 20.000 Kilometern. Na klar, ein Alfa, werden Spötter lästern, aber so einfach ist das in diesem Fall nicht. Grund für den Totalausfall war offenbar ein Metallpartikel in der Kraftstoff-Hochdruckleitung. Fakt ist: Anders als bei der defekten Klappensteuerung oder den Zahnriemen, von denen durchaus einige Fälle bekannt sind, handelt es sich beim Schaden an unserem Alfa um ein Einzelschicksal, das zudem gnädig von der Garantie aufgefangen wird.

80.000 Kilometer spult der Alfa tadellos ab

Alfa Romeo 159 Sportwagon 2.4 JTDM 20V Distinctive
Der neue Motor jedenfalls lief die restlichen 80.000 Kilometer tadellos – und damit genauso wie das gesamte Auto. Der Alfa zickte praktisch nie wieder und zeigte nur im Detail Schwächen. Die nachlässig verarbeitete Fahrer-Fußmatte ist so ein Fall. Deren Halterungen lösten sich schnell, die Matte verrutschte und verklemmte sich wechselweise unter dem Gas- oder Kupplungspedal. Weitere Kritik gab es für die zunehmend kratzige Schaltung, die schon fast traditionell ungenaue Tankanzeige und die Klimaautomatik. Sie lässt sich zum einen nur fummelig bedienen und hält zum anderen die vorgegebene Temperatur äußerst unwillig. Mal bläst sie etwa bei eingestellten 21 Grad bitterkalte Arktis-Luft in den Innenraum, mal einen heißen Sahara-Sturm.

Angemessen: Durchschnittsverbrauch 9,3 Liter

Alfa Romeo 159 Sportwagon 2.4 JTDM 20V Distinctive
Zum Testende quietschten dann die Bremsen wie bei einem Güterzug. Wenigstens mussten die Bremsscheiben während der 100.000 Kilometer-Tour nur einmal, die Beläge hingegen zweimal gewechselt werden. Angesichts des Temperaments und der Fahrleistungen des Italieners geht das in Ordnung. Genauso wie der Durchschnitts-Verbrauch von 9,3 Litern über die gesamte Strecke, besonders geizige Fahrer schafften sogar 6,4 Liter. Spurlos ging die Marathon-Distanz am 159 Sportwagon allerdings nicht vorbei – das Leder hat attraktive Patina aufgelegt, und die Karosserie zeigt angegriffenen Lack.

Nach 100.000 Kilometern: rostfrei und bestens verarbeitet

Alfa Romeo 159 Sportwagon 2.4 JTDM 20V Distinctive
Unter seiner schönen Hülle jedoch präsentiert dieser Italiener eine neue Qualität: rostfreie Schweller, Holme und Endspitzen dank ordentlicher Konservierung. Überhaupt scheint Alfa die Dinge fest im Griff zu haben. Trotz 100.000 Kilometer auf dem Tacho klappert, knistert und knarzt zum Testende nichts. Das war mal anders ... Heute lernen wir: Alfa hat seine Hausaufgaben gemacht und Fehler der Vergangenheit mit Konsequenz getilgt. Herausgekommen ist im Fall von F-PR 7276 ein bildschöner Typ mit Ecken und Kanten. Aufregend, mit so einem zu leben – wie eine Fahrt auf der Achterbahn. Na ja, fast.

Ein durch und durch solider Alfa

Alle Italiener rosten? Lang ist’s her, und nebenbei: Es waren längst nicht alle. Hier und heute nun ein völlig anderes Bild. Ein Bild, das bestätigt: Alfa hat offenbar seine Hausaufgaben gemacht. Der Testwagen präsentiert sich nach 100.000 Kilometer Dauerstress in bemerkenswert guter Verfassung. Trotz des Verzichts auf Schutzwachs ist die Karosserie rundum gut geschützt. Ebenso die Elektrik: Die leichte Korrosion an Anschlüssen von Lichtmaschine und Anlasser fällt nicht ins Gewicht, da nur die Oberflächen angegriffen sind. Stecker, Leitungen und Masseanschlüsse sind einwandfrei ausgeführt. 

Zu beanstanden: undichter Ladeluftschlauch und schlecht sitzende Schellen

Motor und Getriebe: Die Untersuchung des Fünfzylinders ergibt, dass der Verschleiß an Kolben und Zylindern locker innerhalb der Toleranzgrenze liegt. Auch das Getriebe präsentiert sich fast neuwertig. Auffällig ist lediglich die raue Oberfläche aller Synchronringe. Nach dem Urteil des Sachverständigen kein Verschleiß, sondern bauartbedingt. Der dadurch verminderte Schaltkomfort wird angesichts der bulligen 400 Newtonmeter Drehmoment in Kauf genommen. Die weitere Diagnose betrifft eher Kleinigkeiten: beispielsweise Schlauchleitungen, die an ihren Anschlussstellen nicht dicht halten, oder schlecht sitzende Schellen. Vernachlässigbar: Rost an den Verschraubungen und Quetschhülsen von Lenkungs- und Klimaleitungen.

Hersteller-Reaktionen: Das sagt Alfa Romeo ...

... zum defekten Motor: Bei diesem Vorfall handelt es sich offenkundig um eine bedauerliche Ausnahme. Das 2.4-JTDM-20V-Triebwerk gilt in unserem Haus als überaus zuverlässig, und es zeigen sich keinerlei statistische Auffälligkeiten. Nach unserer Analyse war eine mechanische Blockierung eines Injektors der Auslöser für die lokale Überhitzung des ersten Zylinders. Diese Blockade wurde höchstwahrscheinlich durch eine Verunreinigung im Kraftstoff hervorgerufen. Hierbei sind zwangsläufig Motoröl und Dieselkraftstoff in unbestimmten Mengen in den Abgastrakt gelangt. Dadurch konnte eine Beeinträchtigung des Dieselpartikelfilters und damit eine eventuelle Fehlfunktion im weiteren Fahrbetrieb nicht ausgeschlossen werden, weshalb auch der Filter ersetzt wurde. Die Reparatur inklusive Motor und Dieselpartikelfilter haben wir als Garantiefall behandelt.
... zu den haltlosen Fußmatten: Auch vor diesem Kritikpunkt haben wir die Augen nicht verschlossen. Wir haben die Fußmatten geändert und sie durch eine zusätzliche Beschichtung der Unterseite rutschfester gemacht.
... zur Entriegelung des Kofferraums: Mit dem Modelljahr 2008 entfällt die Drucktaste am Dachhimmel. Seitdem kann der Kofferraum durch Drücken des Alfa-Logos in der Heckklappe entriegelt werden. Zusätzlich lässt sich der Kofferraum wie gehabt über die entsprechende Taste auf der Fernbedienung entriegeln.
... zur Klimaautomatik: Wir haben auf entsprechende Hinweise unserer Kunden reagiert und die Bedienung der Klimaautomatik mit dem Modelljahr 2008 entsprechend der Kundenvorschläge modifiziert.

Das sagen die Leser

"Hebt sich vom deutschen Einerlei ab." Mein Alfa hat seit März 2006 62.000 km fast problemlos gemeistert. Einziger Fehler: ein defekter Rückfahrsensor. Peter Straßner, 83043 Bad Aibling
Alfa 159 SW 1.9 JTD (150 PS)
"Aus technischer Sicht absolut zuverlässig." Die Verarbeitung ist sicher verbesserungswürdig. Jedoch gab es auf bisher 84.000 km keinerlei technische Mängel. Heiner Guschall, 57261 Hilchenbach Alfa 159 SW 2.4 JTDM (200 PS)

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Drik Branke

Die Sache mit dem Motor können und wollen wir nicht vergessen: So etwas darf nicht passieren! Aber es war offenbar tatsächlich ein Einzelfall, auch unser Kummerkasten gibt keine Beispiele dieser Art her. Und die Garantie hat es geregelt. Deshalb unser Urteil: Der Alfa 159 hat das, was selten geworden ist, nämlich Charakter. Und einen soliden Kern. Über die Distanz von 100.000 Kilometern blieb der flotte Italiener von anderen größeren Reparaturen verschont. Vor allem: Er präsentierte sich bei der Zerlegung in einem durch und durch soliden Zustand. Alle Achtung, Alfa!

Von

Manfred Klangwald