Maximum an Diskretion und Schutz

England darf ein zweites Mal ins neue Jahr feiern – auch wennn die Deutschen die Party bezahlen: Seit 1. Januar steht die große alte Dame Rolls-Royce wieder auf eigenen Füßen – thank you BMW! Und wie ließe sich die (am Ende herbeigesehnte) Trennung nach 71-jähriger Ehe mit Bentley besser zelebrieren als gleich mit einem neuen Auto? "Phantom" heißt der in nur vier Jahren unter weiß-blauer Ägide entwickelte Erstling.

Der Maybach Erzgegener (beide kosten ab 350.000 Euro, werden nur rund 1000-mal pro Jahr gebaut) ist eine Kombination aus britischer Manufakturkunst in Sachen Holz und Leder und "Bavarian Engineering" vom Feinsten. Denn BMW, das die 99 Jahre alte Traditionsmarke nun auch offiziell von Volkswagen übernommen hat, steuert als Herzstück den V12-Motor und einen Aluminium-Spaceframe aus dem Kompetenzcenter Dingolfing bei. Der bringt gegenüber einer Stahlkonstruktion rund 200 Kilo Gewichtsersparnis auf knapp 2500 Kilo.

Von außen gibt sich der 5,83 Meter lange Phantom trotz Leichtbauweise mächtig und stark. Die Proportionen – langes, nach hinten abfallendes Heck, knapper vorderer Überhang – sind klassischen Vorbildern der 99 Jahre alten Marke verpflichtet. Ebenso wie der im Stil eines griechischen Tempels steil im Wind stehende Kühlergrill und die ihn krönende Figur "Spirit of Ecstasy". Zum monumentalen Auftritt tragen auch die größten zurzeit im Automobilbau verwendeten Reifen (Durchmesser 790 Millimeter) von Michelin bei. Dank der patentierten PAX-Technik ist auch mit einem Platten sicheres Heimkommen garantiert. Den lästigen Reifenwechsel erledigt sowieso der Chauffeur.

Überhaupt ist James gefordert, muss er doch das stilgerechte Öffnen der hinteren Türen neu einüben. Denn wie einst in der Belle Époque der großen Luxuslimousinen sind die Heckportale wieder hinten angeschlagen. Solche Schmetterlingstüren (im Rolls-Royce-Jargon "Coach doors") erlauben in Kombination mit dem rechteckigen Türausschnitt selbst Großgewachsenen, regelrecht an Bord zu gehen. Dort genießen sie dann dank überbreiter C-Säulen ein Maximum an Diskretion und – wichtig bei VIP-Gästen – Schutz. Auch Seitenairbags sind unnötig – der Alu-Käfig wirkt wie Abrahams Schoß.

458 PS und ein Drehmoment von 720 Nm

Behaglich ist auch die Ausstaffierung des Interieurs: 18 Kühe müssen für einen "Phantom" ihre Haut zu Marke tragen (der Maybach kommt mit sieben aus). Holz ist in sechs verschiedenen Sorten im Angebot, allesamt aus nachwachsendem Forst, wie versichert wird. Doch erst kuschelige Teppiche aus Lammwolle machen zusammen mit schönen Rundinstrumenten und den Bullaugen-förmigen Luftauslässen das unnachahmliche Flair eines Rolls-Royce-Interieurs perfekt.

Mit kaum hörbaren Säuseln und auf Druck eines Starterknopfes nimmt der 6,75 Liter (auf Englisch: "six and three quarters") große V12 seine Arbeit auf. Er stammt aus jener Münchener Spezialschmiede, die unter anderem das Kraftwerk des M5 herstellt. Das Wechseln der Fahrstufen erledigt die mittlerweile bestens etablierte Sechsstufen-Automatik von ZF.

Auch ohne Turboaufladung mobilisiert der Sauger 458 PS und eine Drehmomentspitze von 720 Nm bei 3500/min. 75 Prozent davon stehen schon knapp über Leerlaufdrehzahl bereit, was das gewünschte Drehmomentgefühl-Profil in Form eines Tafelbergs ermöglicht. Der Direkteinspritzer sprintet in 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Spitze wird bei 240 statt 250 km/h (wegen der PAX-Reifen) elektronisch abgeregelt.

Ein Detail verdient unbedingt Erwähnung: Die Radkappen verfügen über einen pfiffigen Selbstzentrierungseffekt. Kaum steht der Rolls-Royce still, bewegen sich die einander überlappenden "RR" der Firmen-Logos von selbst in eine senkrechte Position. Als stände der wagen im Glamourlicht eines Autosalons und nicht an einer x-beliebigen Ampelkreuzung. Wahrer Adel verpflichtet, vor allem zu einem stilgerechten Auftritt.