Wie an einer Perlenschnur gezogen

Nichts. Außer Natur. Alle halbe Stunde mal ein Auto. Höchstens. Selbst die Landstraßen sind so verlassen, daß ein greiser Bauer seine Brötchentüte mitten auf der Fahrspur nach Hause trägt. Ansonsten Felder, Vogelzwitschern, ab und zu ein paar Kühe, das Getreide steht hoch.

Dies malerische Idyll tief im Westen, nur einen Steinwurf vom Frau-Antje-Land entfernt, durchbricht an diesem sonnigen Junimorgen Ungewöhnliches: Wie an einer Perlenschnur huschen 25 rote und blaue Ford der Baureihen Focus 2.0 und Fiesta ST durch Felder und Wiesen, einer dicht hinter dem anderen.

Ihr Ziel ist der alte Fliegerhorst Laarbruch. Hinter getönten Scheiben sitzen 50 Teilnehmer von "Deutschlands beste Autofahrer", die sich mit Theoriewissen und Losglück gegenüber 100.000 Mitbewerbern durchgesetzt haben.

Eine Fluglotsin sucht ihre Chance

Eine von ihnen ist Kerstin Gruber, 28, aus Düsseldorf. Als Fluglotsin zwar Streß gewohnt, ist sie an diesem Morgen dennoch nervös: "Die Chancen sind ja nun auch langsam überschaubar."

Immerhin weiß sie: Die fünf besten Frauen aller Vorrunden kommen unabhängig vom Tagessieg ins Finale nach Oschersleben. Ein wenig sorgt aber auch ihr Beifahrer Dario Cara, 31, für den erhöhten Puls: ein großgewachsener Alfa-Fahrer mit Modelmaßen, braunen Augen und sizilianischem Blut. Der krallt sich fest in seinen Gurt: "Recht sportlich, die Kerstin", kommentiert er ihre rasante Gangart charmant.

Kurz vor neun erreicht der Troß das Flugfeld, wo bereits alles perfekt vorbereitet ist: Dutzende Pylonen stehen in Reih und Glied, das rhythmische Spritzen der Sprenkler hallt über den Platz, und die nassen Gleitmatten blitzen in der lauen Morgensonne. Die Teilnehmer können es kaum erwarten.

Vollbremsung auf der Gleitmatte

Doch zunächst steht die Sitzprobe an. Für den größten Teilnehmer im Feld, Oliver Lenarz, 1,97 Meter, aus Viersen heißt das: Sitz zurück bis zum Anschlag. Aber Instruktor Jürgen Maas hat Lenarz "lange Gräten" auch im Fiesta schnell in der korrekten Position: "Arme und Beine leicht angewinkelt, sonst brechen bei einem Crash die Knochen." Mit der richtigen Haltung geht es dann auf die ersten Runden. Autos kennenlernen und warmfahren für die Wettbewerbe am Nachmittag. Ob Gefahrbremsung oder Ausweichen, ob trocken oder naß, Instruktor Jürgen Maas bringt die Teilnehmer an ihre Grenzen – und auch darüber hinaus: "Reintreten wie ein Elefant und schön am Lenkrad reißen, ich will weiße Wölkchen sehen", quäkt es über Sprechfunk in den Wettbewerbs-Autos.

Schnell ist es Mittag, und kaum ist der Blutzuckerspiegel wieder oben, ruft die erste Prüfung: Vollbremsung und Ausweichen auf der Gleitmatte. Mit starken 42,06 km/h wischt Dario Cara millimeterscharf an den Pylonen vorbei, sichert sich Platz 10. Kaum langsamer (41,4) Oliver Lenarz. Nur Kerstin Gruber lenkt zu abrupt ein – die Reifen verlieren Grip, fünf Hütchen kegeln. "Recht sportlich, die Kerstin", necken Dario und Oliver sie für ihren letzten Wertungsplatz. Sie revanchiert sich mit einem Knuff in die Rippen.

Prüfung zwei: rückwärts einparken. "Jetzt seid ihr fällig, Jungs", grinst Kerstin und zirkelt den Wagen tatsächlich schneidig in die Lücke. Setzt dort allerdings unnötig noch zögerlich vor, erst nach 30,4 Sekunden stoppt die Uhr – Platz 26, "immerhin zwanzig Männer hab' ich hinter mir gelassen". Nur Dario (23,2 Sek.) und Oliver (26,9) nicht. "Na wartet!"

Mit Tempo 70 in die Ausweich-Gasse

Nächste Wertung, neue Chance: der Elch, und Fluglotsin Gruber rauscht mit satten 70,44 km/h in die Hütchen, läßt das Heck auf quietschenden Reifen durch die Gasse tanzen und – keine Pylone kippt. Eine Riesenleistung, johlend applaudiert die ganze Gruppe. Nur wenige sind noch einen Hauch schneller. "Und wer ist wieder mal darunter?", schmunzelt die sympathische Blondine kopfschüttelnd: Oliver natürlich (72 km/h) und Dario, der mit Tempo 73 sogar fast an die Spitze prescht.

In der letzten Prüfung – 22 klassische Theoriefragen – ist es dann aber endlich soweit: Mit nur drei Fehlerpunkten schafft sie Platz vier, läßt Dario (15) und Oliver (31) weit hinter sich. "Tja, mit Verkehrsregeln kenne ich mich eben aus", strahlt die Fluglotsin, "und die sind am Himmel oft auch nicht viel anders."

Im Endergebnis landet sie mit Platz 17 zwar hinter den beiden, behält als tagesbeste Frau aber die Chance aufs Finale. "Und wenn ich wirklich nach Oschersleben komme", feixt sie zum Abschied, "schicke ich euch 'ne Karte."

Von

Henrik Fels