Die Polizei hat es besonders eilig

Die Drohung der mehr als 1000 funkelnagelneuen Radarfallen gilt nur fürs gemeine Volk: 1,5 Millionen Autofahrer wurden in Frankreich binnen Jahresfrist als Temposünder überführt und müssen hohe Strafen zahlen oder gar den Führerschein abgeben – aber fast 7000 Privilegierte kamen ungeschoren davon. Diese Enthüllung des Wochenblatts "Canard enchaîné" bringt die Volksseele zum Kochen.

Staatschef Jaques Chirac rief den Kampf für mehr Verkehrssicherheit 2002 zum vordringlichen Politikziel aus, doch unter den geblitzten Rasern befanden sich zwischen November 2003 und November 2004 fünf Karossen des Präsidialamts. Ganz zu schweigen von 4400 Tempoüberschreitungen der Polizisten und anderer Ordnungshüter sowie 2590 rasenden Diplomaten. Spitzenreiter war ein Wagen der obersten französischen Poizeibehörde DPGN, der bei Paris mit 212 Sachen über die Autobahn fegte – erlaubt war Tempo 130. Auf Listen des EDV-Unternehmens Atos, die in die Hände des "Canard enchaîné" gelangten, sind 6990 derartige Vorfälle aufgelistet.

Eilig hat es vor allem die Polizei, deren Zuständigkeit sich überwiegend auf die Städte bezieht. 3660 Polizeiwagen wurden binnen eines Jahres geblitzt. Vergleichsweise gelassen betreibt hingegen die Gendarmerie ihren Job, die auf dem Land über Recht und Ordnung wacht. Nur 189 Gendarmen wurden als Temposünder auffällig. Dabei verweist die Pariser Regierung auf Erfolge ihrer Anti-Raser-Politik: Die Zahl der Verkehrstoten sank von 7242 im Jahr 2002 auf zuletzt 5217. Doch die Vertreter des Staates scheren sich offenbar wenig um ihre eigenen Vorgaben. Sie rasen nicht nur bei Verfolgungsjagden und Gefahr im Verzug.

Chinesische Diplomaten auf Platz eins

Wenig hilfreich war es da, daß Verkehrsminister Gilles de Robien sich selbst ausgerechnet an jenem Tag erwischen ließ, als er zur Einweihung der ersten automatischen Radarfalle fuhr. Kleinlaut mußte sein Ministerium einräumen, Robien habe sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt das Tempolimit deutlich überschritten.

Das diplomatische Korps drückt im Schutze seiner Immunität offenbar gern aufs Tempo: Die Deutschen wurden 42mal geblitzt und belegen damit vor Spanien (35) und Italien (27) Rang eins der rasenden EU-Diplomaten. Weltweit sind die Chinesen vorne – dicht gefolgt von Rußland (124) und Marokko (95). Tempoverstöße von Diplomaten werden lediglich dem Außenministerium in Paris mitgeteilt.