Donauradweg von Budapest nach Wien
Reise-Tipp: 925 Kilometer gegen den Strom

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Der 2.850 Kilometer lange Donauradweg feiert 2024 sein 40-jähriges Bestehen. BIKE-BILD-Autor Thomas Widerin hat sich den Abschnitt zwischen Budapest und Wien genauer angeschaut.
Bild: Thomas Widerin
Es gibt Tage, da muss die Donau einiges aushalten. Nicht nur die vielen Donaudampfer, sondern auch Heerscharen von Radlern entlang ihres Ufers. Aber es gibt auch Zeiten, wo es ruhiger ist, etwa im Herbst, auf dem Abschnitt zwischen Budapest und Wien. Dann sind nicht Unmengen von Radfahrern ihre ständigen Begleiter, sondern die vom Wind verwehten Herbstblätter. Sie verwandeln die Landschaft, durch die sich der Donauradweg schlängelt, in eine bunte, ruhige Märchenwelt.
Die meisten Radler fahren in Fließrichtung der Donau, also von West nach Ost, und für viele von ihnen ist in Wien Endstation. Aber warum nicht einmal das Fahrradabenteuer im Osten beginnen und dem Strom entgegenfahren? Also einsteigen in den Zug und auf nach Budapest, der Hauptstadt Ungarns. Bis ins Zentrum von Wien warten dann 360 Kilometer Radeln auf uns.

Das wunderschöne Rathaus von Györ.
Bild: Thomas Widerin
Donauradweg von Osten nach Westen
Budapest ist nicht nur eine der am schnellsten wachsenden und sich wandelnden Städte Europas, sondern auch eine der verkehrsreichsten. Aber unsere anfänglichen Bedenken sind unbegründet. Schon auf den ersten Kilometern unserer Radreise fühlen wir uns als Radfahrer willkommen. Wir finden genügend Radfahrwege, dazu speziell adaptierte Brücken und beleuchtete Radfahrertunnel.
So macht Radfahren auch in einer Großstadt Spaß, getrennt vom restlichen, hektischen Verkehr. Natürlich, Budapest mit seinen vielen Museen, Kirchen, Konzertsälen und Ausstellungen ist ein kulturelles Schlaraffenland, aber wir haben einen weiten Weg vor uns und schwingen uns auf die Räder. Dennoch wählen wir die ersten Meter so, dass wir beim Vorbeiradeln ein Auge auf einige Sehenswürdigkeiten werfen können: Das Parlamentsgebäude, die Kettenbrücke aus dem 19. Jahrhundert und die Seilbahn, hinauf auf den Burghügel bis in Budas Altstadt, liegen auf unserem Weg. Und überall präsent: die Donau. Prächtig und würdig von Menschenhand eingefasst in das Stadtbild von Budapest.
Der ruhige Fluss
Schon wenige Kilometer außerhalb von Budapest erleben wir einen Wandel. Ruhe kehrt ein. Der Verkehr wird merklich weniger, und der Radweg entfernt sich immer weiter von der Straßen. Er verläuft durch Wiesen und große Maisfelder, verschwindet auch immer wieder im dichten Wald. Es raschelt unter unseren Rädern, Unmengen teils verwitterten Laubes säumen den Weg.
Szentendre, ein Städtchen mit südländischem Flair, erwartet uns ebenfalls mit besinnlicher Herbststimmung. So können wir das reizvolle barocke Bild dieser Künstlerstadt, den wunderbaren Hauptplatz und auch ein Marzipanmuseum genießen. Kurz vor Vác gehen wir auf eine kleine Fähre, deren bärtiger, ein wenig grimmig dreinblickender Kapitän an dieser Stelle vermutlich schon tausende Male mit ebenso vielen Radfahrern übergesetzt hat. Im windgeschützten Stadtkern blühen noch viele Blumen, allen voran die vielen roten Rosen am Fuß der Kathedrale. Zwischen 1761 und 1772 von Isidor Canevale errichtet, ist sie mit ihrer Krypta und den wertvollen Schmiedearbeiten Stolz der hiesigen Einwohner.

Informationstafeln findet man in allen größeren Ortschaften.
Bild: Thomas Widerin
Gleich nachdem wir Vác verlassen haben, begrüßt uns einer der schönsten Abschnitte zwischen Wien und Budapest, das Donauknie. Der blaue Strom bahnt sich hier seinen Weg schleifenartig durch das Visegráder Gebirge mit der hoch oben thronenden gleichnamigen Burg. Diese Gegend hat etwas Märchenhaftes an sich. Wir radeln durch kleine, ruhige Orte und erfreuen uns am Blick aufs Gebirge, wo der goldfarbene Herbst besonders gut sichtbar ist. Es folgt Esztergom, auch das „Ungarische Rom“ genannt, das vom 10. bis Mitte des 13. Jahrhunderts die Hauptstadt des Königreichs Ungarn war. Mächtig, geschichtsträchtig und wunderschön ist sein Dom, die größte Kirche Ungarns.
Kultur und Freundschaft
Am nächsten Tag bläst uns der Wind stark ins Gesicht. Die aufgestauten Seitendämme entlang der Donau sind für Radfahrer freigegeben, aber aufgrund ihrer Erhöhung auch sehr windanfällig. Abschnitte mit dichtem, beidseitigem Baumbewuchs verschaffen uns ein wenig Erholung. Auch Pausen auf den vielen liebevoll eingerichteten Ruheplätzen oder in den vielen Gaststätten bringen Genuss und Komfort.
In der Stadt Komárom halten wir vor einer Informationstafel, die wie viele andere entlang des Donauradwegs aufgestellt ist. Sie steht vor der Brücke der Freundschaft. Die Donau bildete nach dem Zweiten Weltkrieg die Grenze zwischen der neu entstandenen Tschechoslowakei und Ungarn. Dadurch wurde die damalige Stadt Komorn geteilt in das slowakische Komárno und das ungarische Komárom. Die auffällige Brücke verbindet die beiden Orte miteinander. Während der Römerzeit befand sich hier ein großes Legionslager. Die bei Ausgrabungen gefundenen Goldmünzen und Sarkophage sind heute in der Festung Igmánd zu besichtigen.

Herbstzeit: Es ist deutlich ruhiger entlang des Donauradwegs im Vergleich zur sommerlichen Hauptsaison.
Bild: Thomas Widerin
Am späten Nachmittag scheint der Wind Mitleid mit uns haben, er wechselt komplett die Richtung. Wir fühlen uns wie im Radfahrerhimmel und flitzen weiter gen Westen Richtung Győr. Die heute wichtige Industriestadt hat ihren Ursprung in der Bronzezeit und wurde genau dort erbaut, wo die Flüsse Rabnitz, Raab und Mosoni Duna in die Donau münden. Hier muss das Radeln zugunsten der Kultur pausieren. Wir lehnen die Fahrräder an eine kleine Mauer vor der imposanten Benediktinerkirche.
In unmittelbarer Nähe befindet sich das Győrer Nationaltheater, dessen Ballettgruppe bei Kulturliebhabern in ganz Europa bekannt ist. Wir staunen über die Schönheit der Karmeliterkirche mit ihrer Barockfassade und schmunzeln über die teils sonderbaren Utensilien im hier typischen Apothekermuseum. Beim schmackhaften Frühstück in unserer gemütlichen Privatpension beschließen wir, heute ein wenig bummeln zu gehen. Gemütlich rollen wir über die heutige Strecke etwas abseits der Donau. Auf kleinen, verkehrsarmen Nebenstraßen passieren wir verträumt wirkende Orte, in denen es viele wunderschöne Kulturschätze zu sehen gibt. Etwa das Burgschloss Hédervár mit seinen beiden Sphinxen aus Stein.
Auf nach Bratislava
Bei der Stadt mit dem zungenbrecherischen Namen Masonmagyaróvár handelt es sich um die älteste im hiesigen Komitat (Verwaltungsbezirk). Auch das Tor Ungarns genannt, besticht die Stadt mit ihrem barocken Zentrum, durch das der Fluss Leitha fließt. Vor der Trockenlegung war die Gegend ein riesiges Sumpfgebiet. 17 Brücken in der näheren Umgebung sind Zeugen dieser vergangenen Epoche.

Weitläufig sind die fruchtbaren Felder südlich von Bratislava.
Bild: Thomas Widerin
Nach einer weiteren Stunde Fahrt erblicken wir wieder die Donau, aber leider auch das Zeugnis der Zerstörung einer intakten Aulandschaft: das Stauwerk Gabčíkovo. Das Großprojekt mit seinen drei Staudämmen wurde trotz heftigster Proteste errichtet. 150 Millionen Kubikmeter Aushubmaterial mussten abtransportiert werden, ein sensibles Ökosystem verwandelte sich in einen riesigen Stausee, der bis Bratislava reicht. Aber schon während des Baus erfolgte auch der Startschuss zur Rehabilitierung der Natur. Die Renaturierung – kleine Nebenarme, schwer zugängliche Nistplätze oder neu angelegte, blühende Wiesen – ist heute von Erfolg gekrönt. Langsam kämpft sich die Natur zurück, und wir haben das Gefühl, dass es hier sogar ein Miteinander zwischen der notwendigen Energieerzeugung und der sensiblen Natur gibt.
Am frühen Nachmittag radeln wir entlang von Weingütern hinein nach Bratislava, das in den letzten Jahren seine Radinfrastruktur ständig ausgebaut hat. Die Stadt ist umgeben von den Kleinen Karpaten und viel Waldgebiet, durch das neu angelegte Rad- und Spazierwege verlaufen. In der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Altstadt, tabu für jeglichen Verkehr, klingt der Tag für uns bei Kaffee und Kuchen aus.
Wien, Wien, nur du allein
Auch am vierten Tag ist uns der Wettergott wohlgesinnt. Unter blauem Himmel starten wir Richtung Wien, radeln durch den Nationalpark Donauauen mit seinen waldigen Kuppen. In Wolfsthal passieren wir die Grenze zu Österreich – ohne Zollkontrolle, ohne langes Warten und Fragen nach möglichen eingeführten Gütern. Es folgt Hainburg. Die Mittelalterstadt mit ihren drei großen Toren und 15 Stadttürmen liegt direkt an der Donau. Die nächsten Kilometer gelten laut Wetteraufzeichnungen zu den sonnigsten Österreichs. Auf der Donau kommen uns immer mehr große Dampfer und Ausflugsschiffe entgegen. In der wunderbaren Stopfenreuther Au werden Radler an das Jahr 1984 erinnert, als Umweltschützer hier den Bau des Donaukraftwerks Hainburg verhinderten (BIKE BILD-Autor Thomas Widerin war damals als Polizist vor Ort).

Regeneration auf dem Rasen vor der Wiener Hofburg. Hier residiert der österreichische Bundespräsident.
Bild: Thomas Widerin
Jetzt ist es nur mehr ein Katzensprung bis nach Wien. Auf der Donauinsel genießen viele Radfahrer, Läufer, Walker und andere Sonnenhungrige den schönen Herbsttag. Eine detaillierte Radkarte führt uns auf schönen, aber hier wieder rege befahrenen Wegen in das Zentrum der viel besungenen Hauptstadt Österreichs. Auf der Ringstraße geht es vorbei an der Staatsoper, dem Natur- und Historischen Museum und dem Burgtheater, lauter wunderbare Kulturstätten. Uns hingegen zieht es zu einem Ruheplatz auf einer Wiese – direkt vor der Hofburg, der Residenz des österreichischen Bundespräsidenten.