Am Anfang ist alles nur Theorie

Für die meisten aufmerksamen Schüler im Tagungshotel in der Nähe des Nürburgrings dürfte die letzte Prüfung schon Jahre zurückliegen. Ging es damals vielleicht um Abitur, Diplom oder Doktorarbeit, ist ein erfolgreicher Abschluß an diesen beiden Tagen vermutlich noch viel wichtiger: Das große Ziel ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das Finale des achten Dunlop Drivers Cup in Amerika.

Dabei haben es alle, die den Worten von Chefinstruktor Markus Gedlich folgen, irgendwie schon geschafft. Sie gehören zu den 120 Glücklichen, die sich aus der Flut von weit über 25.000 Bewerbern für eine der Vorausscheidungen und damit für einen Sportfahrerlehrgang zur Beantragung der nationalen A-Lizenz in der Eifel qualifiziert haben. Und hier wartet ein hartes Stück Arbeit: Trockene Renntheorie – zwar charmant verpackt, aber wichtige Voraussetzung für den Abschlußtest, der ersten großen Hürde am Ende des ersten Tages.

Die Fragen sind knifflig, aber nicht allzu kompliziert für diejenigen, die in den vorangegangenen zwei Unterrichtsstunden gut zugehört haben: Welche Unterlagen müssen für ein Rennen eingereicht werden, welche Bedeutung haben die verschieden Flaggen, wie sieht die Ideallinie in verschiedenen Kurventypen aus und so weiter. Hier ist Bestehen sozusagen Pflicht, denn erstens ist die Theorie eine wichtige Voraussetzung für den praktischen Teil auf der Rennstrecke, und zweitens können Punkte, die man im Test verschenkt, bei den praktischen Prüfungen nur schwer wieder aufgeholt werden.

Drei Sektoren, drei Instruktoren

Der nächste Tag beginnt für die Teilnehmer noch vor Sonnenaufgang. Wer den Dunlop Drivers Cup bestehen will, der muß fit sein, und so haben die Organisatoren für 6:30 Uhr einen Lauf über die 3,8 Kilometer lange kurze Version des Grand-Prix-Kurses anberaumt. Man sagt, es sei schön so früh morgens in der Eifel, wenn sich der feuchte Dunst der Nacht langsam lichtet und die Sonne über die Wipfel der Wälder steigt. Wie auch immer: Eine Runde über den Ring weckt die Lebensgeister und macht schon einmal mit der Strecke vertraut.

Denn hier geht es kurze Zeit später richtig zur Sache. Was gestern noch graue Theorie war, wird heute zu erlebter Fahrphysik mit dem unbeschreiblichen Aroma von Gummi und Öl. Im Nissan 350Z müssen die Teilnehmer beweisen, daß sie es drauf haben, einen äußerst dynamischen Sportwagen in zügiger Gangart sicher über die Ideallinie zu bewegen. Es geht nicht auf Zeit, es geht um eine saubere und damit schnelle Fahrweise, und es geht darum, alle relevanten Punkte einer Kurve präzise zu treffen.

Sowas lernt man natürlich nicht auf öffentlichen Straßen. Der Kurs ist in drei Sektoren unterteilt; auf jedem einzelnen gibt ein Instruktor per Funk wichtige Tips in die Autos, in denen die Teilnehmer paarweise den richtigen Umgang mit 280 PS und 363 Nm Drehmoment lernen. Markus Gedlich unterrichtet das Anbremsen und Runterschalten vor der NGK-Schikane, Ralf Flachbart führt die Teilnehmer durch die Mercedes-Arena, Tom Schwister vermittelt eine saubere Linie in RTL- und Bit-Kurve.

Die Runde der Entscheidung

Bis zum Mittag haben die Teilnehmer ihre Lektionen gelernt. Die Instruktoren verteilen Lob, sagen, daß sie große Fortschritte bei jedem einzelnen sehen. Aus Anfängern sind in wenigen Stunden zwar noch keine Profis geworden, aber man könnte jeden einzelnen bereits ohne großes Risiko für Mensch und Maschine auf die Strecke schicken. Doch bevor es in den Bewertungsläufen richtig ernst wird, gibt es noch einmal ein paar geführte Runden über den Kurs. Rennlinie einprägen.

Als die Autos an die Startlinie rollen, ist den Rennfrischlingen die Nervosität anzumerken. Keiner will auf den sechs Runden Fehler machen, keiner will sich vor den Instruktoren, die sich rund um die Strecke postiert haben, eine Blöße geben. Und dann läßt der Rennleiter die Fahrzeuge im sicheren Abstand losfahren – mit Vollgas in den alles entscheidenden Wertungslauf.

Was sich in den folgenden zwei Durchgängen auf dem Nürburgring abspielt, sieht schon schwer noch professionellem Rennsport aus: Da radieren die Reifen beim harten Anbremsen vor den Schikanen, da ziehen die Fahrzeuge geschmeidig und schnell auf der Ideallinie um den Kurs. Die Teilnehmer verrichten Schwerstarbeit im Nissan 350Z. Schließlich gibt es jetzt keine Hilfe mehr von außen – und Schalt- und Lenkarbeit sowie der dosierte Einsatz von Bremse und Gas wollen im Renntempo koordiniert sein.

Sechs Glückliche haben es geschafft

Nach dem Wertungslauf herrscht ungewöhnliche Ruhe in der Boxengasse. Während die Organisatoren die Auswertung vornehmen, ist kaum mehr als das Knistern und Knarzen der vom Rennen gebeutelten Fahrzeuge zu hören. Die Spannung ist mit den Händen zu greifen. Jetzt entscheidet sich, wer es in die nächste Runde des Dunlop Drivers Cup geschafft hat, wer dem großen Ziel Amerika im Frühjahr 2006 ein entscheidendes Stück nähergekommen ist.

Als Stefanie König, Simone Baumgärtel, Carmen Veyhl, Andreas Wagenhofer, Oliver Brink und Frank Winkler das Siegerpodest entern, entlädt sich die angespannte Atmosphäre in tosendem Applaus. Diese sechs waren die besten, dürfen Anfang November nach Dieskau in der Nähe von Halle ins Offroad-Camp und mit den Besten der anderen Vorausscheidungen um die Plätze fürs Finale zu kämpfen.

Enttäuschung oder Frust bei den anderen? Nichts von zu spüren. Neben der Erinnerung an einen unvergesslichen Tag auf der Rennstrecke nehmen die meisten ein Zertifikat zur Beantragung der nationalen A-Lizenz beim Deutschen Motorsport Bund mit nach Hause. Und auf die Organisatoren dürfte im kommenden Jahr noch mehr Arbeit bei der Auswahl zukommen: Nicht nur, daß sich jeder Teilnehmer wieder bewerben wird, auch im Freundes- und Bekanntenkreis dürfte eine dringende Empfehlung zur Teilnahme am Dunlop Drivers Cup ausgesprochen werden.