Ein Überfall auf Bestellung

"Schhhh!" Günther Köstler legt seinen Finger auf die Lippen. Wie ein Ausrufezeichen von der Nase bis zum Kinn, das sagt: "Jetzt ist Ruhe im Karton!" Der Mann mit der Lederhose und der Feder am Hut ist Filialleiter bei einer Sparkasse in Heimbuchenthal – einem Paarhundertseelendörfchen im Spessart.

Der Banker hockt mit einem Plastiksäbel hinter einem Stapel von frisch abgeschlagenen Buchenstämmen. Neben ihm lauert eine Frau mit verrußtem Gesicht und altertümlicher Korsage im Gebüsch. Bis eine Grauhaarige mit Schlapphut ins Jagdhorn bläst. Dann rennt die Bande los. Wie entfesselt. Immer geradeaus. Ein kleiner Streifen gleißendes Sonnenlicht kämpft sich durch das dichte Blätterdach und erhellt 200 Meter weiter eine Wegkreuzung, auf die gerade ein Reisebus rollt.

Köstler läuft zielstrebig auf die Touri-Gruppe zu, schwingt dabei den Säbel und schreit: "Geld oder Leben!" Wir werden Augenzeugen eines vergnüglichen Verbrechens. Ein Überfall auf Bestellung. Im Spessart wohnen die Räuber – eine Theatergruppe, die gegen Bares (260 Euro, Info: 06092/ 210) Touristen im Wald von Mespelbrunn überfällt. Auch uns im Skoda.

Abenteuerspielplatz für Erwachsene

Organisierte Kriminalität, die ankommt: "Samstags haben wir bis zu sieben Überfälle", sagt Köstler. Sonn- und feiertags ruhen die Schurken. Ums Jahr 1800 war das anders. Banditen kannten keinen Feierabend. In der Dunkelheit schlugen sie zu. Gnadenlos überfielen sie reisende Kaufleute auf der Route zwischen Nürnberg und Frankfurt – der heutigen B8.

2003 ist es friedlich im bayerischen und hessischen Spessart. Der Wald zwischen Vogelsberg und Odenwald ist dreimal so groß wie Berlin. An seinem Rand liegt der Hochseilgarten Heimbuchenthal, in der Nähe von Mespelbrunn. Ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Lose hängen nur wenige Holzsprossen an Drahtseilen und verbinden zwei Stämme zu einem zwölf Meter hohen Turm. Da rauf? Niemals! Doch der Gruppenzwang ist zu groß. So ein Balanceakt ist wie der Versuch, einen Wackelpudding an die Wand zu nageln. "Vorsichtig weiter", sagt Thomas Schreck.

Sein Name ist Programm. Er betreibt den Hochseilgarten und kennt das Entsetzen in unseren Augen. Häufig mieten Manager seine Anlage: "Für viele ist es schwierig, im Team zu klettern. Aber allein kommt hier niemand hoch", sagt Schreck und zeigt auf einen Kletterbaum mit schwebenden Balken. Auch sonst ist der 29-Jährige ganz gesellig und arbeitet im Panoramahotel seiner Eltern neben dem Kletterparcours.

Tierische Begegnungen im Spessart

Nicht weit entfernt liegt der Naturpark Hoher Vogelsberg: eine Mittelgebirgs-Idylle mitten in Hessen mit Bergwiesen und ganz viel Wald. Hier liegt auch der Privatforst des Fürsten zu Ysenburg und Büdingen, Präsident des Automobilclubs von Deutschland (AvD).

Wann der Blaublütige da ist, weiß am besten Jäger Erich Gebert (47). Der gehört zu den wenigen hauptamtlichen Weidmännern in Deutschland. Noch im 17. Jahrhundert wurden hier Wölfe und Braunbären erlegt. Zu den Tieren, die im Spessart heimisch sind, gehört auch der Falke. So wie Meggy. Zusammen mit Hobby-Jäger Dieter Schiele fährt der Raubvogel auf dem Beifahrersitz des Skoda nach Hause. In jeder Kurve neigt sich der gefiederte Greifer zur Seite – mal nach rechts, mal nach links, immer zum Kurvenäußeren.

Die beiden passieren Stornfels, ein romantisches, hoch auf dem Berg gelegenes Dörfchen mit Blick auf die Wetterau. "Das ist unsere Toskana", sagt der Jäger und stoppt den Wagen. Wenn das der Kanzler wüsste ...