Der Teufel haust in Weyarn

Der Teufel muss heute einen schlechten Tag haben. Sosehr Simon (9), Andreas (10), Nikola (11) und Magdalena (12) auch schreien und springen und rufen und toben und noch mal schreien und noch mal springen – in dem kleinen versteckten Tümpel im Wald steigen nur ein paar mickrige Blasen an die Oberfläche. Für einen waschechten Teufel ist das eine ganz schön armselige Vorstellung.

Denn dieser Tümpel im oberbayerischen Weyarn ist, so erzählen es die Einheimischen, eine Art Schlafstätte des Satans. Wer ihn ärgern will, der muss sich an den Rand stellen, bis drei zählen, in die Luft springen und beim Landen laut "Deifi, rühr di!" schreien, was auf Hochdeutsch "Teufel, rühr dich!" heißt. Dann wird er wach und bringt vor Wut den See zum Brodeln – zumindest in der Theorie.

Nur heute, da schläft der Teufel tief und fest. Selbst Weyarns Bürgermeister Michael Pelzer (SPD) erntet bei seinen Versuchen nur ein sanftes Blubbern vom sandigen Grund. Warum es (normalerweise) im Wasser brodelt, wenn man am Ufer springt, das weiß selbst er nicht genau. "Ich nehme an, dass das unterirdische Quellen sind."

Wie auch immer: Der teuflische Tümpel von Weyarn steht in keinem Reiseführer, es gibt keine Hinweisschilder, und er wird auch nicht von Touristen-Bussen angesteuert. Und genau darum geht es bei unserer neuen Serie "Expedition Deutschland", deren erste Folge im Miesbacher Oberland spielt.

Wo der Tankwart barfuß zapft

"Expedition Deutschland" heißt nicht etwa, Regenwürmer zu essen oder sich Schluchten hinabzustürzen. Stattdessen wollen wir den Ursprung entdecken – und Sie, liebe Leser, durch unser Gewinnspiel daran teilhaben lassen. Mit dem Ursprung ist das in Oberbayern nämlich eine tolle Sache. Hier verstaubt die Tradition nicht in Geschichtsbüchern, sondern sie wird noch gelebt.

Und manchmal sogar gezapft. Wer mit dem Auto vom Tegernsee zum Schliersee fährt und einen Abstecher in einen Ort namens Gasse macht, der steht plötzlich vor rostigen alten Schildern, die zu einer ebenso alten Tankstelle führen. Oder besser: zu einem Fachwerkhaus, vor dem drei alte, braunweiße Zapfsäulen stehen. Nach kurzer Zeit kommt Hans Huber (73) heraus, ein stattlicher Bayer mit Hosenträgern, nackten Füßen und dem Schalk im Nacken.

"Ratet mal, was der Amboss hier gekostet hat", fragt er in seiner uralten Werkstatt, in der die Maschinen noch alle von einem gemeinsamen Riemen angetrieben werden. Huber antwortet selbst: "Eine Million." Kurzes Grinsen, dann die nächste Frage: "Und die Maschine da hinten, die mein Vater eine Woche später gekauft hat?" Hm! "Die hat schon eine Milliarde gekostet." Und zwar Reichsmark – es war die Zeit der großen Inflation.

Stundenlang kann Huber Geschichten erzählen, aber das macht er nicht bei jedem. Man muss ihn höflich fragen. So nennt er seine Werkstatt zwar "Museum", ob und wann er das für Besucher öffnet, behält er aber für sich. "Euch hat’s interessiert, euch habe ich’s gezeigt", sagt er mit seinem schelmischen Grinsen.

Peruanische Momente am Tegernsee

Ganz in der Nähe, keine zwei Autominuten entfernt, gibt es noch so ein ursprüngliches Ziel, das in keinem Reiseführer steht, den Hof Unterbuchberg. Wir sehen da einen typisch bayerischen Bauernhof, wir haben einen märchenhaften Blick runter auf den Tegernsee, wir sehen eine grüne Wiese, auf der La ... Äh, Moment mal. Kurzes Augenreiben, kurzes Grübeln. Doch wirklich, mitten in dieser urbayerischen Gegend, da stehen nicht etwa Kühe oder Schafe auf der Wiese. Sondern Lamas. Fünf Stück. In Oberbayern. Na servus!

"Keine Sorge", ruft deren Besitzer, Josef Reifenstuhl (36), quer über die Wiese, "die spucken nicht auf Menschen. Nur untereinander." Reifenstuhl hat die peruanischen Tiere nicht aus Spaß da stehen, sondern um die Tradition und den Bauernhof weiterführen zu können: "Kühe und Kälber sind sehr arbeitsintensiv, bringen heutzutage aber kaum noch was ein. Der Markt ist völlig im Keller."

Er suchte daher Tiere, die immer draußen auf der Wiese stehen können, sich auch mal allein beschäftigen und mit denen sich trotzdem Geld verdienen lässt. "Da gibt es nicht so viel. Irgendwann bin ich bei Lamas gelandet." Mit denen will er künftig Trekking-Touren anbieten. Als Gepäckträger, wohlgemerkt, denn reiten lassen sich die Lamas nicht: "Die haben einen wackligen Gang." Na danke!

Auf den Spuren von Stuck und Greger

Bequemer sind da schon die kleinen Abenteuer der automobilen Art. Zum Beispiel ein Besuch der privaten Wallbergautostraße, die von 1959 bis 1988 alle zwei Jahre zur Rennstrecke umfunktioniert wurde.

Wer die enge und kurvige Straße mitten im Grünen abfährt, der kann vor seinem geistigen Auge vielleicht sehen, wie hier früher Rennfahrer wie Hans Stuck senior oder Sepp Greger (hielt im Porsche Carrera mit 1:40 Minuten die Bestzeit) den Berg hochrasten. "Damals hockten bis zu 20.000 Zuschauer an den Hängen", erzählt Gemeindearchivar Hans Sollacher (76), "das ging noch richtig rustikal zu."

Doch Vorsicht: Wer heute durch die Gegend rast, der lernt Sebastian Viellechner (57) kennen, ein echtes Original mit langem, weißem Bart. Der ist Polizeioberkommissar bei der Autobahnpolizei Holzkirchen und wurde mal von einer Pfälzer Reisegruppe zum nettesten Polizisten aller Zeiten gekürt: Als deren Reisebus brannte, lotste Viellechner die Gruppe zu einem Grünstreifen und ließ alle zur Beruhigung "Auf, ihr Brüder, in die Pfalz" singen. "Mei, des war eine Gaudi", erinnert sich Viellechner. Angeblich hat das Gelächter damals noch bis zum Teufel im Tümpel gedröhnt ...