Was wurde in den letzten Tagen und Wochen nicht alles diskutiert: Zu langsam, zu leise, zu grün, zu politisch... ja ganz einfach zu langweilig sei die neue Formel 1 anno 2014. Der Sound: Mangelware. Die Kurvengeschwindigkeiten: Ein Witz. Die Entscheider der FIA: Fehlgeleitet... und doch hat die Formel 1, laut manchem Experten augenscheinlich schon dem Tode geweiht, sich am Abend des 6. April 2014 ganz einfach selbst aus dem Dreck gezogen. Und das mit dem wohl einfachsten und ihr schon seit jeher am besten stehenden Rezept: Purem Racing!
Gut 80 Prozent der Fans würden die neue Formel 1 nicht mögen, hatte unlängst eine Umfrage ergeben und mit dieser alarmierenden Zahl natürlich für mächtig Furore im Fahrerlager gesorgt. In Bahrain wurde extra ein Krisengipfel einberufen, schnell sollte Abhilfe geschaffen werden, damit einem nicht die Fans davonlaufen. Denn die Zuschauer, sie sind am Ende des Tages das Kapital der Königklasse. Ich verspreche: Jeder Zuschauer, der den Großen Preis von Bahrain 2014 - quasi als musterhaftes Bewerbungsvideo - vorgelegt bekommt, bleibt der Formel 1 treu!
Start in Sakhir
Bühne frei für das beste Rennen seit langem: In Bahrain bewies die neue Formel 1 vom Start weg, dass sie besser ist als ihr Ruf
Was am Sonntag in der Wüste und dort erstmals unter Flutlicht geboten wurde, war ein Spektakel der Extraklasse: Rennsport vom Allerfeinsten, sagenhafte Bilder wie aus einer perfekten Computersimulation, das Drehbuch gleich einem Krimi mit Hollywoodreife... oder wie Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda es kurz nach der Zieldurchfahrt beschrieb: „Ein Sieg für den Sport und gleichzeitig die beste Werbung für die Formel 1!“ Wer den dritten Grand Prix der neuen Turbo-Ära gesehen hat, wird zustimmen: So ein episches Rennen hat die Königsklasse schon lange nicht mehr gezeigt. Die vielen Duelle auf und teilweise auch neben der Piste waren schon zu Rennmitte gar nicht mehr zu zählen, die Spannung – egal ob an der Spitze, im Mittelfeld oder ganz hinten – kaum zu überbieten. In der Regie federführend sein wollte man am Sonntag nicht. Zu viele Kämpfe, Rad-an-Rad-Duelle und unüberschaubare Brennpunkte gab es...
Selbst dass Mercedes der Konkurrenz erneut um Welten voraus war und allen um die Ohren fuhr, juckte kaum, besorgten es sich Hamilton und Rosberg an der Spitze doch so richtig. Und mal ehrlich: Wen interessiert der vermeintlich zu leise Sound, wenn man vor lauter Jubeln, Schreien und Mitfiebern den Fernseher sowieso nicht mehr hört? Die Verantwortlichen bemühen sich seit Jahren darum, die Show zu verbessern: In Bahrain hat die Königsklasse bewiesen, dass dieses Unterfangen durchaus gelungen ist. Nur bedarf es wie bei jedem Umbruch auch etwas Geduld. Waren vor nicht einmal einem halben Jahr zum Beispiel noch die Pirelli-Reifen das große Streitthema, redet heutzutage schon niemand mehr über das schwarze Gold.
Mercedes
Zwei Silberpfeile jagen durch die Nacht... und verbreiten Spannung pur: Mercedes ließ seine Piloten in Sakhir um den Sieg kämpfen
Funktioniert etwas, wird es als selbstverständlich angesehen – den Finger aber in die Wunde zu legen, das ist leicht. Nur dauert es eben, bis sich Dinge einspielen und funktionieren – selbst im ultraschnellen Kosmos der F1. Allen wird man es auch hier nie rechtmachen können. Doch beim Blick auf das Wesentliche – und das ist im Rennsport nun einmal das Racing – hat die Formel 1 am Sonntag, allen Unkenrufen zum Trotz, mehr als nur abgeliefert! An dieser Stelle muss daher auch einmal den Teamverantwortlichen gedankt werden, die die Zeichen der Zeit scheinbar genau richtig erkannt haben. Mit Ausnahme von Red Bull, die Sebastian Vettel verständlicherweise anwiesen, den zu diesem Zeitpunkt deutlich schnelleren Daniel Ricciardo passieren zu lassen, verzichteten diesmal alle Rennställe im Sinne der Außenwirkung auf die so lästige und verhasste Teamorder.
Dabei dürfte das den Hintermännern am Kommandostand nicht leicht gefallen sein. In der Formel 1 geht es um Millionen: Sponsoren wollen für ihren Einsatz Leistung sehen, die Mechaniker für ihre Arbeit am Ende des Tages eine Prämie kassieren. Ausfälle darf man nicht riskieren und doch ließen die Teams ihre Piloten frei fahren – eben ganz im Sinne des Sports. Besonders im Fokus dabei natürlich die Spitze, mit den überlegenen Mercedes von Rosberg und Hamilton, die sich trotz aller Einsamkeit an der Front bis auf’s Blut bekämpften. Bei mir kamen dabei Erinnerungen an das Duo Senna/Prost bei McLaren 1988 hoch, die von 16 Rennen 15 gewannen und trotzdem eine spannende WM produzierten... und auch hier sei gesagt: Damals gab es genauso wenig schrilles V8-Geschrei sondern dumpfes Turbo-Blubbern auf die Ohren!
Ferrari
Die Ampel steht auf grün und die Königklasse startet in eine neue Ära: Dass diese es durchaus in sich hat, war am Sonntag zu bestaunen
Die Formel 1 unweigerlich auf den absteigenden Ast zu drängen, zu kritisieren und nieder zu schreiben, ist also Humbug. Ja, die Königsklasse hat nach der Red-Bull-Dominanz der letzten Jahre womöglich frischen Wind gebraucht... und diesen mit der Regelreform 2014 auch gerade bekommen. Nun braucht sie Zeit. Denn die nach gerade einmal drei Rennen einer neuen Ära - die nicht zuletzt heute ihr massives Potenzial mehr als eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat - geübte Generalkritik, ist genauso unangebracht wie irgendwelche Horrorszenarien über einen Niedergang der F1. Gerade heute in Bahrain hat Bernie Ecclestone für kommende Saison zwei neue Teams angekündigt und damit klargemacht: Die Formel 1 ist nicht „Wetten, dass..?“ Denn eine schlechte Zukunft? Die sieht anders aus...

Von

Frederik Hackbarth