Eigentlich sollte ein Fahrbericht wie dieser nicht in James-Bond-Klischees abgleiten – wenn das nur nicht so schwer fi ele bei der wohlig unheilschwangeren Atmosphäre, die ein gepanzerter Range Rover verbreitet. Wozu dient dieser rote Knopf auf der Mittelkonsole? "Schleudersitz", scherzt John Wright, bei Land Rover zuständiger Manager für diese Art von Autos. Nein, das sei die Feuerlöschanlage. Übrigens sollte man in Anwesenheit von Kundigen nie von schusssicheren Autos reden. "So etwas gibt es nicht", klärt mich Ian Halton auf, der Käufer und Fahrer der rollenden Panzerschränke in Fahrtechnik unterweist. "Es stellt sich stets die Frage: Gegen welche Munition möchten Sie sich schützen?"

Kalaschnikow-Beschuss ließe sich hier überleben

Rang Rover Armoured
Die 4,25 Tonnen Gewicht machen aus dem Range Rover eine Art Wasserbett.
Bild: Werk
Die gängigen Schutzklassen reichen von B2 bis B7. Dieser Range hier erfüllt B6. Das heißt: Die Insassen sind gegen Beschuss etwa mit einer Kalaschnikow AK 47 geschützt, der typischen Terroristenwaffe. Und wenn jemand einen 15-Kilo-Sprengsatz in drei Meter Entfernung zünden sollte, würden wir das überleben. Einen Gasangriff ebenso, dank bordeigener Sauerstoffvorräte. Der Tank dichtet sich selbst ab. Die Kevlarplatte unten hält uns Granatsplitter vom Leib. Absolute Sicherheit also? "Nein. Gegen Hartkern-Projektile ist selbst ein B6-Auto machtlos." Von außen fällt die Panzerung kaum auf. Beim Türöffnen schon: bleischwer! Beim Einsteigen stößt man sich leicht den Kopf an der A-Säule, so dick ist sie. Alle Dachpfosten sind verstärkt, zentimeterbreite Überlappungen hindern Projektile am Eindringen durch Türspalten. Die vierlagigen Panzerglas-Seitenscheiben lassen sich nicht bewegen, als Ersatz gibt's eine Gegensprechanlage. Nie zuvor gesehen: ein Terrain-Response-Drehregler mit nur zwei Programmen – Straße und Gras/Schotter/Schnee. Matsch- und Felsenkletter-Modi fehlen. Fürs Gelände hochfahren lässt sich das 4,25 Tonnen schwere Gefährt nicht mehr, dann läge der Schwerpunkt zu hoch. Die unauffälligen Runflat-Reifen vomTyp Goodyear EMT mit verstärkten Flanken sollen in zerschossenem Zustand noch für 80 km/h gut sein. Im Motorraum ducken sich Elektronik und Batterie hinter Panzerungen.

Der Trend geht zum Geländewagen

Rang Rover Armoured
Der Trend geht zum Geländewagen. Die hohe Sitzposition hilft, im Notfall die Situation schneller zu überblicken.
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Gepanzerte Autos sind ein boomender Markt. Lag der weltweite Bedarf für B6-Fahrzeuge zu Beginn dieses Jahrzehnts noch bei 2000 Einheiten pro Jahr, so sind es heute 3500 Stück. "Spätestens seit das Forbes-Magazin Reichenlisten führt, ist Reichtum öffentlich", erklärt John Wright. Je weiter sich arm und reich auseinanderentwickeln, desto höher der Bedarf nach Autos wie diesem. "Die Kunden haben meist gut gesicherte Arbeitsstätten und ebensolche Wohnhäuser. Verwundbar sind sie dazwischen." Al Capone besaß schon 1933 einen gepanzerten Packard. Heute sitzen die Kunden in Nahost, Russland, Afrika und im Heimatmarkt Großbritannien. "Mexiko ist ebenfalls ein großer Markt", sagt Andreas Lampka, Pressesprecher von BMW. Die weiß-blaue Marke lässt dort den X5 panzern. B4-Schutz reicht, denn in Mexiko oder Brasilien geht es vor allem um Schutz vor Kidnapping. Beliebtes Detail: Außen-Türgriffe, die sich unter Strom setzen lassen. Politiker und Diplomaten bevorzugen Panzerlimousinen wegen des dezenten Auftritts.
Der Trend aber geht zum Geländewagen. "Die hohe Sitzposition hilft, die Situation schneller zu überblicken", sagt Ian. Was muss der Chauffeur eines solchen Autos können? "Rückwärts um Hindernisse fahren, weg von der Bedrohung. Mit einem solchen Auto erkaufen Sie sich vor allem Zeit!" Wichtig sei dabei, immer in Bewegung zu bleiben. Versuchen wir, im Rückwärtsgang zu fliehen. Der normal beatmete 4,4-Liter-Benziner fährt mit typischem V8-Pulsieren los – langsamer als ein Standard-Range, aber zum Mitschwimmen im Verkehr reicht's.

Der Range Rover Armoured kostet 250.000 Euro

Rang Rover Armoured
Aus dem gepanzerten Laderaum schießen Bodyguards gern zurück.
Bild: Werk
Damit sich der Viertonner nicht anfühlt wie ein Wasserbett, sind wichtige Fahrwerksteile, Torsionsstäbe und Querstabilisatoren verstärkt, die Bremsen entsprechen mit Sechskolben-Zangen und 325-mm-Scheiben hochwertigem Sportwagenstandard. Rückwärts um Hindernisse Slalom fahren, nur mit Rückspiegel und Rückfahrkamera, das gelingt nur nach intensivem Üben. Mit dem etwas leichteren, ebenfalls beim französischen Spezialisten Centigon gepanzerten Discovery geht es etwas leichter. Der wiegt ja auch "nur" 3,5 Tonnen. Die Schwere hat auch Vorteile: "Sie können das Auto eines Angreifers gezielt rammen." Aha. "Die ideale Rammgeschwindigkeit liegt bei 30 km/h." Teil des Trainings ist auch das etwas dramatische Y-Manöver: Blitzschnell zurücksetzen in irgend eine Seitenstraße, zweiter Schritt ist die Flucht nach vorn mit Vollgas.
Rang Rover Armoured
Bloß weg: AUTO BILD ALLRAD-Redakteur Rolf Klein übt die Flucht rückwärts.
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Wo lernt man so was? Bei Fragen nach seiner Vorbildung wird Ian wortkarg. "Ich habe für das britische Verteidigungsministerium gearbeitet. Viel mehr sollte ich Ihnen nicht erzählen. Indiskretion kann in meiner Branche ein tödlicher Fehler sein." Der Range Rover Armoured kostet 250.000 Euro, der Discovery für die Bodyguards um die 140.000 Euro – preiswert, verglichen mit einer Panzerlimousine, deren Umbau allein 300.000 Euro verschlingen kann und in der es beengter zugeht. 3000 Arbeitsstunden kommen schnell zusammen. Wer kauft so etwas außer Promis, Oligarchen, Schwerreichen? "Scheichs", sagt Christian Grefrath vom Spezialisten Techmo/Carat in Wülfrath. Sind die so stark gefährdet? "Nein, aber es schmeichelt dem Ego …" Vier Lagen Glas machen den Range Rover so leise, dass man oft zu schnell fährt. In Kurven untersteuert das Trumm heftig, denn die Masse strebt geradeaus. Dass so etwas überhaupt noch fahrbar ist – eine respektable Ingenieursleistung. Weniger Armut und Ausbeutung auf der Welt wäre die noch elegantere Lösung. Aber das ist ein anderes Thema.