Heidfeld maßregelt den Weltmeister

Gewusel und Hektik überall. Doch Nick Heidfeld sitzt im Mini-Restaurant seines Teams und vertilgt in Seelenruhe einen Salat. Ein emsiger Geist des BMW-Williams-Teams rauscht heran und erklärt Nick das Programm bis zum Rennen. Heidfeld legt gelassen die Gabel beiseite: "Das ist nicht gut. So kurz vor dem Rennen." Es geht um Auftritte für neue Teamsponsoren. "Ist dir das zuviel?" Nick erwidert kühl: "Nein, aber das muß besser getimed werden." Der Williams-Mitarbeiter, zuständig fürs Geldeintreiben, schluckt und versichert flehend: "Das häuft sich nur zu Beginn der Saison so. Das wird bald weniger." Thema erledigt. Heidfeld wendet sich wieder seinem Grünzeug zu.

Vielleicht wird es erst jetzt offenbar, da "Quick Nick" in einem Topteam der Formel 1 viel mehr im Fokus ist: Dieser Nick Heidfeld (27) weiß genau, was er will. Was gut für ihn als Rennfahrer ist und was nicht. Und das zieht er durch. Der Heidfeld von 2005 wirkt erwachsener. Es sind nicht nur diese kurzen, fast bürstenartigen Haare, die einen stutzen lassen: Der Mann ist im Grand-Prix-Zirkus irgendwie präsenter geworden. Und nicht nur, weil er jetzt einen mörderstarken BMW-Motor im Kreuz hat, streckt er den Rücken durch. Heidfeld haut auf der Piste mächtig dazwischen.

Im ersten Rennen attackierte er Michael Schumacher. Er probierte das Überholmanöver in Melbourne nicht nur, er zog es auch durch – bis es krachte. Danach maßregelte der Leisetreter von einst den Rekordweltmeister öffentlich: "So kann man nicht fahren. Michael hat mir keinen Raum gelassen. Wir werden das so klären, daß so was nie wieder vorkommt."

Hauptdarsteller auch in Malaysia

Wenig später knöpfte Heidfeld sich zwei erfahrene Ferrari-Strategen, Stefano Domenicali und Nigel Stepney, vor und schilderte ihnen seine Sicht des Vorfalls. Und gab erst Ruhe, als die Mehrzahl der Fahrerkollegen Schumi in einem Meeting in Malaysia zum Eingeständnis seines Fehlers gebracht hatte. Schumi: "Wenn ihr das so seht, dann nehme ich die Schuld auf mich."

Der Vorgang spricht für Schumachers Größe, mehr noch aber für den neuen Heidfeld. Der hat ein wichtiges Gefecht gewonnen. Schumi weiß jetzt, daß der Gladbacher ihm notfalls reinfährt. Und der Weltmeister ist nun quasi "gelb-belastet". Beim nächsten vergleichbaren Vorfall müssen die Rennkommissare ihn bestrafen. Auch intern bei Williams profilierte sich Nick Heidfeld mit seinem Australien-Auftritt. "Wenigstens hat er Schumacher mit aus dem Rennen gerissen", frohlockte Team-Mitbesitzer Patrick Head.

In Malaysia avancierte Heidfeld ebenfalls zu einem Hauptdarsteller. Er überrumpelte schon beim Start beide Red-Bull-Piloten ("Weil ich in Australien genau hinter denen hängengeblieben war und mir das nun ersparen wollte") und glänzte später als Dritter. "Das alles", zieht Heidfeld nun in Bahrain diplomatisch die Handbremse, "darf man nicht überbewerten. Ich habe auch früher meine Meinung gesagt. Nun fahre ich mit dem BMW-Williams einfach weiter vorn als mit Jordan oder Sauber. Damals bin ich Michael höchstens begegnet, wenn er mich überrundet hat."

Und über seine nun anders ankommenden Auftritte: "Ich habe mich überhaupt nicht verändert. Man geht nicht zu einem Topteam und nimmt sich vor: Jetzt mache ich alles anders. Nein, man will nur aus den besseren Möglichkeiten mehr rausholen."

Teamchef Frank Williams beeindruckt

Dabei hat Heidfeld sich sogar zwei ungewöhnliche Ausrutscher in der Qualifikation erlaubt. Heinz-Harald Frentzen analysierte daraufhin: "Nick muß geduldiger werden." Der sieht aber auch in seinen Fehlern kein Zeichen erhöhten Drucks: "Im Qualifying versucht man immer, etwas mehr rauszuholen. Ich kann mir das nur damit erklären, daß die für mich in der Qualifikation noch recht neuen Michelin-Reifen anders reagieren als die Bridgestone, mit denen ich bisher gefahren bin. Im Grenzbereich reißt die Haftgrenze früher, abrupter ab. Wenn du übers Limit gehst, bist du schneller weg."

In beiden Fällen blieb Kritik der gefürchteten Teambosse aus. "Denen ist es offenbar lieber", so Heidfeld, "wenn man etwas mehr riskiert, als zuwenig Gas gibt." Frank Williams hatte Nick mit dem Spruch im Team begrüßt: "Wenn er nichts bringt, wird er ausgewechselt." Heidfelds trockener Konter: "Das geht in der Formel 1 jedem so, der nichts bringt. Und nach dem Malaysia-GP hat mich Frank sogar schwer gelobt."

Der attestierte ihm nach der Hetzjagd von Rang zehn auf drei "ein Rennen auf höchstem Niveau". Heidfeld hatte damit genau das demonstriert, was Williams zuvor angezweifelt hatte: den nötigen Biß über 300 Kilometer. Deshalb hatte er ihn so lange im Testduell mit Antonio Pizzonia gequält. Williams sagte zuletzt in Bahrain: "Nick beeindruckt mich extrem, er ist fahrerisch wie technisch auf der Höhe und körperlich fitter als erwartet. Und er ist jede Woche in der Fabrik, was wir so von unseren Fahrern nicht kannten."

Bald erleben wir aus einem anderen Grund den neuen Heidfeld: Seine Freundin Patricia Papen ist im sechsten Monat schwanger. "Das ist ein bißchen wie mit BMW-Williams", lacht Nick, "ich freue mich natürlich, weiß aber nicht genau, was kommt."

Kurzvita: Das ist Nick Heidfeld

Name: Nick Heidfeld • Geboren: 10. Mai 1977 • Geburtsort: Mönchengladbach • Wohnort: Monte Carlo/Monaco • Nationalität: deutsch • Familienstand: Freundin Patricia, erwartet erstes gemeinsames Kind • Erlernter Beruf: Rennfahrer • Hobbys: Sport, Golf, Fitneß

Karriere: Nick Heidfeld kann auf eine Bilderbuchkarriere zurückblicken. Mit acht Jahren fährt er erstmals auf der Schumacher-Kartbahn in Kerpen, holt 1994 Titel Nummer 1: Formel-Ford-1600-Meister mit acht Siegen aus neun Rennen. Ein Jahr später gewinnt er auch die Formel Ford 1800 und wird mit 20 Jahren jüngster Titelträger der Formel-3-DM. 1998 verliert Heidfeld als Mercedes-Junior den Formel-3000-Titel gegen Juan Pablo Montoya. Doch 1999 schnappt er sich den EM-Titel und steigt 2000 bei Prost in die Formel 1 ein. Nach weniger erfolgreichen Jahren im Sauber (nur einmal 3.) und Jordan nun endlich die Chance auf Siege im BMW-Williams.

Von

Hesseler