Es hätte ein ganz entspannter Samstag werden können, hier im Rahmen des Mythos-Sportwagen-Events in Österreich. Morgens schön den Großglockner hochdübeln, danach a bisserl flanieren durch Zell am See, und abends cheffig am Auto lehnen, um mit den PS-Spezln ein paar Männerthemen durchzukauen: Racingklamotten, Hubräume, Beifahrerinnen.

Respekt vor der Schlange

Shelby Cobra 427 S/C blau Frontansicht
Shelby Cobra: Auch geradeaus schlängelt das Heck gern mal weg.
Shelby Cobra 427 S/C Stattdessen liegt dem Autor die Geschichte schon am Vorabend im Magen. Vor allem die Cobra. Eine 427er ist sie, eine mit Kompressor, eine von ein paar Handvoll weltweit. Wie hat es ihr Besitzer im Vorgespräch so schön gesagt? "Achthundert Newtonmeter, elfhundert Kilo, fies, vor allem im Nassen!" Für morgen ist Starkregen angesagt. Und wir erinnern uns: Mit der giftigen Cobra schlug Shelby dem Erzrivalen Ferrari die Nase blutig.
Ford GT40 orange Frontansicht
Ford GT40: Im Nassen gilt es, hektische Bewegungen unbedingt zu vermeiden.
Ford GT40 Aber zu allem Überfluss zerrt auch noch ein GT40 an den Nerven. Auch er ist hoch-, ach was, höchstexklusiv, auch er dividiert respekteinflößende Leistungsdaten durch ein lächerliches Leergewicht, und auch er ist allein schon deshalb nicht das idealste Gerät für einen klatschnassen Pass ins Hochalpine. Oder um es mit den Worten britischer Gentleman Driver auszudrücken, die sich’s bei Classic-Revivals ja gern mal so richtig geben: "A GT40 takes no prisoners!" Frei übersetzt: Das Ding versucht dich umzubringen.Doch die beiden verbindet natürlich mehr als die – freundlich formuliert – gehobenen Ansprüche, die sie an ihre Piloten stellen. Sie sind Denkmäler, wurzeln in Großbritannien ebenso wie in den USA und verstehen sich – im konkreten Fall – als zeitgenössische Original-Nachbauten mit Werkssegen und H-Zulassung. Vor allem aber erzählen sie eine Geschichte – die Geschichte vom Kampf der Amerikaner um Le Mans, der sich mit der Zeit derart hochschaukelte, dass sogar von Krieg die Rede war.

Der GT40 ist aus einem Guss

Geführt wird er anfangs von zwei Männern: Carroll Shelby und Enzo Ferrari. Der eine, ein ehemaliger Hühnerfarmer aus Texas, der sich mit Rennfahren über Wasser hält. Smart, groß gewachsen, gut aussehend und markengezeichnet mit Klischees wie Stetson Hat und Cowboy Boots. Der andere, der Commendatore. Adrett, glatt, ein Egomane mit besten Verbindungen zum Automobilweltverband und Zeremonienmeister jenes Rennstalls, der die Sportwagen-WM nach Belieben dominiert. Mitte der Fünfziger hat er Shelby gefragt, ob er für ihn fahren möchte – ehrenhalber und unentgeltlich versteht sich. Der antwortet texanisch: mit ausgestrecktem Mittelfinger und dem Versprechen, Ferrari eines Tages ordentlich in den Allerwertesten zu treten. Manege frei für zwei Geschosse, die es versucht haben!


Fazit

von

Stefan Helmreich
Zwei Wege, ein Ziel: Die Cobra war und ist eine Giftspritze. Hinterlistig, brutal und als Roadster zu klobig, um dem Hightech-Erzrivalen aus Italien nachhaltig wehzutun. Das gelang erst dem GT40, einem durchtriebenen GT-Rennwagen, der alles, auch den Piloten, der Fahrdynamik unterordnet. Höchsten Respekt vor beiden – und vor denen, die sie bändigten.

Von

Stefan Helmreich