Ferrari 488 GTB und Rolls-Royce Wraith von Novitec: Test
Mächte des Wahnsinns
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Veredelte Exoten: Tuner Novitec zeigt auf Basis des Ferrari 488 GTB und des Rolls-Royce Wraith, was in puncto Wahnsinn auf Rädern geht.
Sie wissen gerade nicht so richtig, welches Auto Sie sich kaufen sollen? Ein Ferrari 488 GTB oder ein Rolls-Royce Wraith würde Ihnen schon gefallen, allein deren Seltenheitsgrad auf der Münchner Maximilianstraße lässt in Ihren Augen zu wünschen übrig? Da bleibt Ihnen nur der Gang zum Veredler. Aber wer bitte ist so verwegen und legt Hand an einen Ferrari oder gar an einen Rolls-Royce? Nun, kein Amerikaner, kein Japaner und auch kein Wüstensohn. Aber der bayerische Veredler Novitec wagt's! Und zwar mit Vollgas.
Nach dem Tuning trägt der Rolls erst richtig dick auf
Eine Frage des Geschmacks: Die graue Farbe des Wraith ist so abgefahren, dass sie beeindruckt.
Schon der Namenszusatz "Overdose" beim englischen Luxuscoupé klingt verheißungsvoll und ist keinesfalls übertrieben. Der bloße Anblick des veredelten Wraith löst eine Mischung aus Entsetzen und Begeisterung beim Betrachter aus. Dieses Grau mag zunächst so gar nicht zum noblen Rolls passen. Auf der anderen Seite ist diese Farbgebung so abgefahren, dass sie schon wieder beeindruckt. Doch bei Spofec – so nennt Novitec seine Rolls-Royce-Sparte, eine Kurzform für "Spirit of Ecstasy", wie die Kühlerfigur offiziell heißt – wird natürlich noch viel mehr geboten. Geschäftsführer Wolfgang Hagedorn vertritt die Meinung, man müsse mit einem Widebody auch vor solch einem Nobelhobel nicht haltmachen. Und so kreierte man im Allgäu ohne falsche Bescheidenheit ein komplettes Bodykit für den feinen Briten. Die vorderen Kotflügel werden durch verbreiterte Exemplare ersetzt. Der auffälligste Unterschied zum Serienteil ist die Abrisskante. Hier hat der Tuner eine gekonnte Linie gefunden, passend zur geschwungenen, nach vorn öffnenden Tür. Auch die hinteren Backen wurden an die Originallinie angepasst, harmonisch verbunden von einem neu modellierten Schweller mit kleinem Lufteinlass.
Novitec legt am 488 noch aerodynamisches Potenzial frei
Teuer: Über 23.000 Euro werden für die Modifikationen der Ferrari-Aerodynamik fällig. Aber es lohnt sich.
Auch beim Italiener in unserem Vergleich stellt sich die Frage: Darf man einen Ferrari tunen? Genügen Exklusivität, Fahrdynamik und 670 PS nicht? Wozu an der Aerodynamik feilen, wo diese doch bereits ab Werk bis ins letzte Detail ausgetüftelt ist? Doch Novitec Rosso ist überzeugt, auch an einem Modell aus Maranello noch optisches wie fahrdynamisches Potenzial freilegen zu können. Da sind wir aber mal gespannt, der gelbe Flitzer soll Antworten liefern. Bezüglich der Farbe "Giallo Modena" sah man keinen Handlungsbedarf, sie ist Serie. Beim zweiten Blick erkennt man diverse Carbon-Applikationen, an der Front, am Heck, an den Hüften. Auch der Sound beim Einparken spielt eine andere Tonlage. Richtig, die Kunden wollen keine Stangenware. Und so erweist sich das Novitec-Programm für den GTB denn auch als umfangreich. Das komplette Portfolio steckt in diesem Testwagen, allein über 23.000 Euro für Aerodynamik-Modifikationen. Natürlich in Sichtcarbon ausgeführt; lackieren kann's schließlich jeder. Der originalen Frontschürze wurde ein Spoilerschwert aufgesetzt, dazu gesellen sich Flaps links und rechts. Der im Original schon tief geschwungene Schweller musste einer Novitec-Kreation mit großem Lufteinlass weichen.Bei diesem Auftritt ist ein Nachschlag in puncto Power natürlich unerlässlich. Novitec entlockt dem Biturbo-V8 weitere 102 Pferdchen; 772 PS treiben die gelbe Flunder in 2,8 Sekunden auf 100 und weiter bis auf 342 km/h. Für die Mehrleistung sind keine tieferen Eingriffe in die Mechanik erforderlich. Der Tuner mobilisiert die Extra-Cavalli über neu programmierte Steuergeräte in Verbindung mit einer Sportauspuffanlage und Sportkats. Das macht natürlich Lust auf eine Probefahrt.
Beim Beschleunigen scheint der Ferrari zu explodieren
Brachial: Der Novitec Ferrari 488 GTB braucht gerade einmal 2,8 Sekunden von 0 auf Tempo 100.
Also ran ans Lenkrad. Das Interieur ist Serie; mit Leder und Carbon hat schon Ferrari nicht gespart, da sah auch Novitec keinen Handlungsbedarf. Die Sitzposition passt, das Infotainment ist – typisch Ferrari – eine Wucht. Und dann dieses Erlebnis, wenn man den roten Startknopf am Lenkrad drückt! Mangels Nackenbehaarung stellt sich beim Autor schlagartig der Unterarmbewuchs auf. Mit dem Achtzylinder erwacht ein Untier – es scheppert, es dröhnt, es böllert aus allen Rohren. Schon im Stand vermittelt diese Klangkulisse Gänsehaut pur, was soll das erst in Fahrt geben? Den aus jedem neueren Ferrari bekannten Manettino-Drehregler auf Race stellen, dann ist das Leistungsplus aktiv. Kurzes Einrollen auf der Landebahn und dann das Pedal voll durchtreten. Der Achtzylinder scheint förmlich zu explodieren, der Sound ist nicht in Worte zu fassen. Der Schub von knapp 900 Newtonmetern überfordert die Pirellis, in den ersten drei Gängen raucht's im Rückspiegel.
Auch forcierte Kurvenhatz hat der Overdose drauf
Räder und Fahrwerk des 2,3 Tonnen schweren Rolls eignen sich auch für schnelle Kurvenfahrt.
Wechsel in den Rolls. Die "Overdose"-Packung macht schon optisch einen recht zügigen Eindruck. Aber geht der Brocken auch so? Serienmäßige 4,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h mit diesem 2,3-Tonner sind nicht schlecht, doch mit der Leistungssteigerung geht mehr. 717 PS leistet der V12-Biturbo dank Zusatzsteuergerät und neuer Auspuffanlage. Das reicht für einen 4,2-Sekunden-Sprint; die 250 km/h Topspeed bleiben wegen der Reifentraglast elektronisch begrenzt. So weit die trockenen Zahlen, wir wollen fahren. Schon der Einstieg durch die hinten angeschlagenen Türen ist ungewöhnlich. Der Sound beim Starten des V12 passt: Die Auspuffanlage klingt perfekt – schon sportlich blubbernd, aber nicht aufdringlich oder gar prollig. Auch in Fahrt sorgt der Wraith für unerwartete Erkenntnisse. Das gewichtige Coupé gibt sich handlich und gar nicht schwergewichtig. Räder und Fahrwerk eignen sich auch für schnelle Kurvenfahrt. Unter Volllast sind Triebwerk und Auspuff deutlicher hörbar, die Soundkulisse wird kerniger.
Weitere Details zu den beiden getunten Exoten finden Sie in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen gibt es als Download im Online-Heftarchiv.
Vor dem Besuch bei Novitec waren wir skeptisch. Das Tunen eines Ferrari oder gar Rolls-Royce erfordert Fingerspitzengefühl. Doch die beiden Autos stehen prächtig da, der Auftritt des Wraith hat uns sogar noch einen Tick besser gefallen als der des Ferrari. Dessen Stunde schlägt bei der Fahrdynamik – die Mehrleistung setzt sich gekonnt in Szene.