Ex-Weltmeister Hill traut Coulthard Titel zu

Sprücheklopfer haben in der Mercedes-Motorsportzentrale in Stuttgart-Fellbach zurzeit Hausverbot. "Wir sind nicht euphorisch, sondern konzentrieren uns weiter auf unsere Arbeit", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug der WELT. Die Erwartungen schüren andere: Damon Hill und Jackie Stewart, die beiden ehemaligen Formel-1-Weltmeister, trauen Melbourne-Sieger und McLaren-Mercedes-Pilot David Coulthard 2003 den Titelgewinn zu. "Er verfügt über die Reife und das Wissen, um sich den Titel zu holen", glaubt Stewart. Auch sein britischer Landsmann ist überzeugt, dass "David zu den WM-Anwärtern gehört". Und: "In den letzten Jahren hat der Fahrer, der im ersten Rennen vorn lag, auch die WM gewonnen."

Nun wird der smarte Schotte schon seit sechs Jahren als heißer WM-Favorit gehandelt – und jedes Mal gingen die Hoffnungen in Rauch auf. Norbert Haug warnt daher, vom Saisonauftakt Rückschlüsse auf die übrigen 15 Rennen zu ziehen: "In Sepang kann alles wieder anders aussehen. Ich rechne mit der alten Hackordnung: Ferrari vor BMW, die ihr neues Auto immer besser kennen lernen."

Der Schluss liegt nahe, dass Haug die Chancen der Silberpfeile auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Sepang in den Wind schreibt, weil der Mercedes-Motor noch schwächelt. Mario Illiens Triebwerk hat zwölf Wochen Verspätung, weshalb ein modifizierter Vorjahreswagen mindestens zu den drei Übersee-Grand-Prix an den Start rollt. Zugang Werner Laurenz, der die Arbeitsabläufe im Motorbereich von Stuttgart aus koordinieren soll, darf wegen seines vorhergehenden Engagements bei der Konkurrenz von BMW offiziell noch nicht für den DaimlerChrysler-Konzern arbeiten.

Superhirn Newey hat ganze Arbeit geleistet

Dass der anfängliche Groll gegen Illien verflog – der Schweizer lief entspannt in Aspen/USA Ski, anstatt das Triebwerk auf Touren zu bringen – ist der Ingenieurskunst von Adrian Newey zu verdanken. Das Superhirn von McLaren hat nicht nur die Aerodynamik des Chassis getunt: Er hat eine Radaufhängung konstruiert, die wesentlich besser mit den Michelin-Reifen harmoniert. Darüber hinaus feilte Mercedes-Benz mit Partner Bosch an der Traktionskontrolle, die ein Durchdrehen der Räder verhindert und so die Pneus schont. Michelins Gummi-Mischer schließlich machten in Clermont-Ferrand Überstunden. "Wir haben signifikante Verbesserungen erzielt. Das ist vielversprechend", sagt Michelins Sportdirektor Pierre Dupasquier.

Vom Fortschritt profitieren auch andere Kunden: BMW-Williams-Pilot Juan Pablo Montoya fuhr in Melbourne mit einem Satz Reifen die komplette Distanz. Noch im Vorjahr neigten die McLaren- und Williams-Boliden wegen des gravierenden Leistungsabfalls nach sieben bis acht Runden zum Untersteuern.

Hätte die Motorenabteilung Mercedes-Ilmor beim neuen Silberpfeil nicht gebummelt, wäre Mercedes-Mann Haug wahrscheinlich vor dem Grand Prix am Sonntag (23.3.) zuversichtlicher. Die Computer spuckten schon mal eindrucksvolle Zahlen aus: In der Simulation war der MP4-18, der im ersten Saisondrittel zum Einsatz kommen soll, eine knappe Sekunde schneller als das Vorgängermodell.