Formel 1: 50 Jahre Schumi
Kart, Cola und Krafttraining

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Große Serie zum 50. Geburtstag von Michael Schumacher. Teil 1: Die Anfänge. Geld war nie da. Aber mit viel Talent und Biss setzte sich Schumi durch.
Langsam fahren. Das konnte Michael Schumacher nicht. Schon als Kart- Kid sind Bummelrunden die einzige Übung, die der Junge aus Kerpen-Manheim nicht hinkriegt. „Er ist sogar zickzack gefahren, und es hat nicht geklappt“, erinnert sich Rolf Deimel, der damalige Jugendwart des Kart-Clubs Kerpen.
Schon als Vierjähriger sitzt Schumacher erstmals in einem selbst gebauten Kart. Und hat schon da seine Probleme mit dem Bremsen. Die Folge: Klein-Micha landet mit blutigem Knie am Laternenmast. Und Papa Rolf meldet seinen Tempo-Knirps beim Kart-Club Kerpen an. Ein Jahr später holt der flotte Bengel seinen ersten Sieg. Und weiß von da an genau, was er werden will: Polizist oder Rennfahrer.
Der Mini-Schumi ist schnell. Und fällt auf. Als erstes dem Tapetenhändler Gerhard Noack. Der macht Vater Schumacher ein Angebot: „Ich geb dir mein Kart. Du gibst mir dafür deinen Zwerg, und ich fahr mit ihm zu den Rennen.“ Gebongt.

Schumi als Zehnjähriger mit Entdecker Gerhard Noack
Als Nächstes brummen sie ihm ein Mindestgewicht auf. „Wir haben alles, was schwer ist, auf dieses Kart gepappt. Sogar einen Hammer und einen Stein“, blickt Noack zurück und lacht, „trotzdem war Michael nach drei Runden wieder Spitze. Sie haben schon immer versucht, ihn einzubremsen.“
Auch Gerd Brandes, damaliger Präsident des Kartclubs Kerpen-Manheim erinnert sich: „Es gab früher oft Streit um Michael, weil er so gut war und viele das nicht akzeptieren konnten. Er fuhr für Gerhard Noack, der auch noch andere Kunden hatte. Die sahen es ungern, dass sie zahlten und Michael sie dann bügelte. Darum bekam er schlechteres Material. Weil es immer diese Spannungsfelder gab, ist er oft in sein Zimmer gelaufen und hat geheult. Michael putzte auch immer die Karts, obwohl er das hasste. Aber das hat er sich nie anmerken lassen.“
Michael Schumacher ist alles andere als ein Rabauke. Er ist schüchtern und zurückhaltend. Nur wenn er in seinem Kart sitzt, weiß er, was er kann. Und zeigt es allen. Denn er hat das besonders feine Gefühl im Popo.
Training in Kerpen. Gerhard Noack schickt Michael raus auf die Strecke. Der knattert los. Nach zwei Runden kommt er zurück. „Da stimmt etwas nicht mit dem Motor“, klagt der Rennfloh. „Ach was! Der Motor ist neu, fahr weiter“, wird er abgefertigt. Zu Unrecht! Wenige Minuten später geht der Motor hoch. In Schumis Leben dreht sich alles ums Kartfahren. Mutter Elisabeth leitet die Gastwirtschaft an der Kartbahn in Kerpen-Manheim, die Vater Rolf betreibt. Das Geld ist knapp. Es gibt sogar schon mal Zoff ums Essen. Zum Beispiel wenn der Papa zwei Spiegeleier bekommt und Michael nur eins. Da ist das Gemotze vom Kleinen groß. Genau wie in der Schule, die das Renn-Ass als ein lästiges Übel sieht.

Die Gegner bügelte Schumi schon zu Kart-Zeiten weg
1987 feiert Schumacher seinen bis dahin größten Triumph: Er wird deutscher Kart-Champion, Europameister und verpasst den WM-Titel nur knapp. Nun geht alles ruck, zuck: 1988 Meister der Formel König und Vize in der Formel-Ford-EM. Dort entdeckt Willi Weber das Juwel. Regenrennen in Salzburg: Der 19-jährige Schumi startet von Platz sieben und kommt mit 15 Sekunden Vorsprung aus der ersten Runde zurück.
Willi Weber ist begeistert: „Die Präzision, die Sauberkeit seiner Linie ist in jeder Runde identisch. Alles, was er macht, wirkt so leicht, so spielerisch, so souverän.“ Er nimmt Schumacher unter seine Fittiche. Der Deal: ein Vertrag über zehn Jahre, der Weber 20 Prozent aus allen Einnahmen garantiert. Im Gegenzug zahlt er die 500 000 Mark für Schumis erste Formel-3-Saison aus eigener Tasche und überweist außerdem noch ein Monatsgehalt von 2000 Mark. Davon leistet sich der 20 Jahre alte Schumi seine erste eigene Wohnung in Kerpen.

Vom Milchbubi zum Formel-1-Rekordchampion
Sein Rivale hat Schumi als echten Beißer kennengelernt. „Fahrerisch waren wir gleich stark, aber er war den Tick ehrgeiziger, fokussierter, sich nicht zu schade, einen Tropfen Schweiß zu vergießen. Das zeichnet ihn aus, dass er sich von kleinauf durchbeißen musste“, erinnert sich Rensing.
Schumacher geht sogar weit über die Schmerzgrenze. Einmal bricht sein Schalthebel ab. Und er? Wickelt sich einen Handschuh um die scharfkantige Bruchstelle, fährt bis zur offenen Wunde in der Hand weiter. Und gewinnt!
Noch etwas ist hängen geblieben beim alten Gegner Otto Rensing: Schumis Fitness. Zwei Radfahrer auf dem Nürburgring. Der eine auf dem modernen Rennrad, der andere auf Omas Drahtesel: Rensing gegen Schumi. „Obwohl ich das bessere Material hatte, kam es mir vor, als würde ich gegen Jan Ullrich antreten“, schmunzelt Rensing, „aber er wollte halt immer der Erste sein.“Auch im 850-PS-Boliden von Sauber- Mercedes in der sogenannten Gruppe C. Doch da benötigt er mehr Kraft als in seinem 180 PS starken F3-Flitzer. „Weil ich stärker war, konnte ich das Auto besser lenken. Das hat Michael gemerkt und noch härter trainiert“, sagt sein Sportwagen-Lehrmeister Jochen Mass zu ABMS.
Morgens gerade aus dem Bett gefallen, pumpt Schumi jetzt 400 Liegestütze weg. Er kann nicht genug bekommen, ist Klassenprimus der Mercedes-Drill-Akademie. Der einfache Kart-Junge, der einst alte Reifen aus Mülltonnen fischte, lernt nun, wie man gepflegt spricht, isst und auftritt.

Schumi (l.) mit Boss Sauber, Wendlinger und Frentzen
Deshalb ist das Ausnahmetalent auch fahrerisch eine Klasse für sich. Die 24 Stunden von Le Mans 1991. Es regnet um sechs Uhr in der Früh. Und Schumacher fährt viel zu schnell. Zumindest für den Gemütszustand von Teamchef Peter Sauber. Der funkt: „Das ist ein 24-Stunden-Rennen, kein Sprint. Mach langsamer.“ Sein Schützling kontert entwaffnend: „Es tut mir leid, Herr Sauber. Ich kann nicht langsamer fahren.“ Wieder einmal ...
Schumachers Karriere läuft da längst auf Hochtouren. Bereits im Mai 1991 kommt das erste Formel-1-Angebot. Für 800 000 US-Dollar könnte er bei Jordan testen, 1992 für zwei bis drei Millionen Dollar Rennen fahren. Doch noch mauert Mercedes – zum Ärger von Manager Weber.
Erst im August klappt es: Jordan-Stammpilot Bertrand Gachot sitzt nach einer Attacke auf einen englischen Taxifahrer im Gefängnis, Teamchef Eddie Jordan sucht Ersatz fürs Spa-Rennen. 150 000 Pfund kostet das Cockpit. Mercedes zahlt, Teamchef Peter Sauber überweist. Und an seinem ersten F1-Wochenende beim GP Belgien zeigt Schumi wieder mal: Er kann einfach nicht langsam fahren ...
Michael Schumachers F1-Debüt für Jordan - hier in der Galerie:
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